Pflegeprodukte gibt es tausendfach. Doch zu viel davon versetzt unsere Haut in den Katastrophenfall. Unsere Kolumnistin verrät nicht nur, wann Seife schadet.
Verfallen Sie an der Kasse im Drogeriemarkt auch manchmal in Schnappatmung? Es sind doch nur ganz kleine Tuben, Ampullen und Döschen: Augencreme, Tonikum, Tagescreme, Nachtcreme und Peelings – alles für die ewige Jugend. Dafür Geld hinzulegen hat sogar eine beruhigende Wirkung, oder? Leider herrscht bei unserer Hautbarriere und unserem Säureschutzmantel bei dem Thema Katastrophenalarm. Als wir vor Hunderttausenden von Jahren im Wald lebten, jagten und sammelten, gab es nämlich keine Seife, keine Augencreme und schon gar keine Ampullen mit Hyaluronsäure.
Für unsere Haut haben sich seither keine evolutionär nennenswerten Veränderungen ergeben, weswegen sie immer noch auf den Steinzeit-Pflegestandard schwört. Was würde sie beispielsweise sagen, wie oft sie geduscht oder gebadet werden möchte: „Einmal in der Woche, höchstens!“ Viele von uns duschen viel öfter. Da wird der ganze Körper abgeseift, der Kopf shampooniert, gern mit alkalischen Seifen oder Duschgel, die nach Zitronengras, Ozean-Gischt oder unwiderstehlichem Mann duften, reich an Konservierungsmitteln, Farbstoffen, Mikroplastik und anderen chemischen Keulen. Auf solche Attacken reagiert selbst die robusteste Haut mit Trockenheit, Juckreiz oder Allergien.
Unsere Epidermis braucht vier Wochen für den Aufbau der hauchdünnen Hornzellschicht, die unsere Schutzbarriere trägt. Deshalb der Kompromiss: Tägliches Duschen ist erlaubt, wenn Sie dabei hauptsächlich Wasser verwenden. Es hat einen neutralen pH-Wert und trocknet die Haut weniger aus.
Besser ohne Seife waschen
Wenn Sie aber ein Duschgel oder Waschstück verwenden möchten, sollte es nicht duften, wenig schäumen und nicht farbig sein. Eine seifenfreie synthetische Waschsubstanz ist einer klassischen Seife vorzuziehen. Denn Seifen bestehen aus Ölen und Fetten in Verbindung mit Lauge, synthetische Waschsubstanzen dagegen enthalten waschaktive Substanzen, die es auch in Bioform auf Basis von milden Zucker- und Kokostensiden gibt.
Alkalische Seifen (auch die selbstgemachten vom Weihnachtsmarkt) sind für unsere Haut ein Graus, da sie für viele Stunden den Säureschutzmantel (pH-Wert 4,8-5,3) nach oben auf einen pH-Wert von 9 katapultieren und damit die Türsteher-Bakterien auf unserer Haut lahmlegen und killen. Dadurch haben Hauterreger wie Eiterbakterien, Viren oder Pilze freie Bahn, weil sie durch den sauren pH-Wert der Haut nicht mehr in Schach gehalten werden. Außerdem gilt: Wer zu viel seift, stinkt! Denn plötzlich vermehren sich auch Bakterien, die einen unangenehmen Körpergeruch fördern.
Es ist auch nicht ratsam, bei jeder Körperreinigung den kompletten Körper abzuseifen. Es genügt schon, wenn überhaupt, die Krisenherde etwas intensiver zu bearbeiten, also die Füße, die Achseln, die Leistenregion und die Pofalte. Überall sonst kommt man sehr gut nur mit Wasser zurecht. Klar ist aber auch: Hände waschen mit Waschsubstanz nach dem Klo, vor dem Essen und wenn man aus der Öffentlichkeit nach Hause kommt (dann unbedingt eincremen).
Nicht zu lang und nicht zu heiß
Duschen ist gesünder für die Haut als Baden, und beides sollten wir am besten relativ schnell und mit wenig heißem bis lauwarmem Wasser hinter uns bringen. Gerade Arme und Beine sind für Austrocknung besonders anfällig, weil hier insgesamt nur sehr wenige und sehr kleine Talgdrüsen vorhanden sind. Besonders reichlich dagegen ist Talg am Kopf, im Gesicht, in den Ohren und am Oberkörper vorhanden.
Ohne Kopfhauttalg wird das Haar stumpf und brüchig. Bei langem Haar gelangt nicht mehr ausreichend Talg in die Spitzen. Dann kann Spliss begünstigt werden. Gleiches gilt, wenn wir zu häufig die Haare waschen, bleichen, färben oder zu oft mit Kamm oder Föhn malträtieren. Wer fettiges Haar hat und es deshalb täglich waschen muss, benutzt bitte gern ein mildes Shampoo mit saurem pH-Wert. Essigwasserspülungen (1 Liter Wasser mit 1–2 Esslöffeln Apfelessig) sind wegen des sauren pH-Werts super für eine keimresistente Kopfhaut und schönen Haarglanz.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast „Ist das noch gesund?“. Ihre Bücher „Haut nah“ und „Darüber spricht man nicht“ standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch „Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung“ durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Die richtige Wäsche für den Intimbereich
Nun zu einem brisanten Thema: Wie wasche ich mich im Schritt? Dort riecht es mitunter „anders“, denn Duftdrüsen, aber auch Urin, Stuhl und sonstige Körperflüssigkeiten sind ja nicht fern. Aber Achtung! In der Vulva und unter der Vorhaut befindet sich Schleimhaut, genauso wie im Mund. Hierhin gehört keine Seife oder Waschsubstanz, sondern nur warmes Wasser. Seife würde die Schleimhaut angreifen und die schützende Bakterienflora zerstören; Juckreiz und Entzündungen sind die Folge. Vaginalspülungen etwa schwächen die Abwehr so, dass man von einem erhöhten Unterleibskrebsrisiko ausgeht. Die Vagina ist sauber und reinigt sich selbst. Nur die Winkel und Nischen der Vulva kann man mit klarem Wasser säubern.