Frankfurt Deutschland hat mehr Banken als jedes andere Land in der Europäischen Union – aber bezogen auf die Einwohnerzahl überraschend wenig Filialen. Das zeigen Statistiken der Europäischen Zentralbank, die das Handelsblatt ausgewertet hat. Demnach gab es Ende 2020 in Deutschland noch 24.100 Filialen. Damit kommen etwa 290 Zweigstellen auf eine Million Einwohner. Der Durchschnittswert innerhalb der Euro-Zone liegt bei 346 Filialen je Million Einwohner.
Spitzenreiter der Euro-Zone ist mit intestine 32.000 Zweigstellen Frankreich. Auf eine Million Menschen kommen dort sogar 480 Bankfilialen. Auch in Ländern wie Italien und Spanien, deren Geldhäuser in den vergangenen Jahren mehrere tiefgreifende Restrukturierungsrunden durchlaufen haben, existieren mehr Zweigstellen bezogen auf die Bevölkerung.
In Deutschland ist der Bankensektor schon seit Jahren auf Schrumpfkurs: Seit 2007 haben die hiesigen Kreditinstitute etwa 15.677 ihrer Standorte aufgegeben, das entspricht einem Rückgang von 40 Prozent. Den deutlichsten Rückgang gab es im Pandemiejahr 2020, als etwa 2500 Zweigstellen verschwanden.
Aus Sicht von Christiane Weiland, Leiterin des Studiengangs „BWL – Financial institution“ an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, spielt diese Entwicklung aber keine große Rolle: „Die Anzahl der Filialen geht aus gutem Grund deutlich zurück – und sie ist wegen des zunehmend digitalen Zugangs immer weniger aussagekräftig, zumal auch die Bedeutung des Bargelds abnimmt.“
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Eine Umfrage der Researchabteilung des „Economist“ unter rund 300 Bankmanagern weltweit ergab im vergangenen Jahr sogar, dass eine Mehrheit davon ausgeht, dass filialbasierte Geschäftsmodelle bei Banken in den kommenden fünf Jahren ganz aussterben werden.
Es gibt aber auch kritische Stimmen, da nicht alle Kunden digitale Kanäle nutzen können und wollen: „In Großbritannien, einem Markt, der von fünf großen Instituten dominiert wird, haben sich die Banken zu sehr aus der Fläche zurückgezogen“, sagt Andreas Pratz, Associate bei Technique&, der Strategieberatung von PwC. In den vergangenen fünf Jahren schloss dort beinahe jede zweite Filiale, berichtete die britische Verbraucherorganisation Which?. „Das hat dort eine politische Debatte über Mindestversorgung ausgelöst“, mahnt er.
Die britische Regierung hat angekündigt, die Zukunft des Bargelds schützen zu wollen, und dringt unter anderem darauf, dass Kunden auch in Geschäften Bargeld abheben können, selbst wenn sie dort nicht einkaufen. Der britische Geldautomatenverbund Hyperlink hat im Dezember angekündigt, nach einer einjährigen Pilotphase ein solches Netzwerk für „Cashback with no buy“ nun landesweit einzuführen.
Auch vielen Schweden geht der Pattern zum elektronischen Bezahlen mittlerweile zu weit. Das Land, das als Vorreiter für eine quick bargeldfreie Gesellschaft gilt, hat im vergangenen Jahr ein Gesetz eingeführt, das eine Artwork finanzielle Grundversorgung für die Bevölkerung sichern soll: Das Gesetz verpflichtet große Banken dazu, sicherzustellen, dass höchstens 0,3 Prozent der Bevölkerung mehr als 25 Kilometer zurücklegen müssen, um Bargeld abzuheben. Maximal 1,22 Prozent der Bevölkerung sollen mehr als 25 Kilometer zurücklegen müssen, um Geld auf ein Bankkonto einzahlen zu können.
In Schweden ist das Filialnetz mit 142 Standorten auf eine Million Einwohner nur halb so dicht wie in Deutschland. Allerdings ist absehbar, dass auch hier gerade im ländlichen Raum noch mehr Niederlassungen verschwinden dürften. „Neben den Betriebsgrößen sind die Filialgrößen ein wachsendes Downside“, erklärt Technique&-Associate Pratz. „Gerade in der Fläche sind viele Zweigstellen deutscher Banken zu klein.“ Es sei eine wichtige Aufgabe, noch mehr Kunden ins On-line- und Cellular Banking mitzunehmen – „immerhin ein Drittel der Bevölkerung nutzt diese bisher nicht“, sagt er.
Die vergleichsweise geringe Filialdichte steht in deutlichem Kontrast zur Zahl der eigenständigen Banken und der Zahl der Mitarbeiter, die es in Deutschland gibt. Seit 2007 magazine jede vierte Financial institution verschwunden und jeder sechste Arbeitsplatz verlorengegangen sein. Doch das liegt unter dem Durchschnitt aller Euro-Länder. Mit noch immer etwa 1450 Banken und etwa 575.000 Mitarbeitern gibt es in der Bundesrepublik mehr Geldhäuser und mehr Banker als in jedem anderen Land der Euro-Zone, auch mit Blick auf die Bevölkerungszahl.
Die Zahl der Geldinstitute ist nach Ansicht von Experten dabei allerdings weniger aussagekräftig als die Zahl der Mitarbeiter. „Die überdurchschnittlich hohe Zahl der Bankmitarbeiter bezogen auf die Bevölkerungsgröße ist bemerkenswert“, sagt Weiland. Sie hält das dezentrale Bankensystem in Deutschland, das von vielen Sparkassen und Genossenschaftsbanken dominiert wird, die nur in ihrer jeweiligen Area aktiv sind, für den Grund.
Diese Kleinteiligkeit ist aus Weilands Sicht aber ein Downside. „Vor allem die seit Langem zunehmende Komplexität der Regulierung mit den daraus resultierenden Anforderungen an das Risikomanagement, die regulatorische Compliance und das Meldewesen haben zu einem überproportionalen Personalaufwuchs in diesem Bereich bei kleineren Instituten geführt“, sagt sie. Auf Dauer könne sich das negativ auf die Profitabilität auswirken.
Strategieberater Pratz sieht das ähnlich: „Die größte Herausforderung der Bankenbranche ist, dass viele Institute zu klein sind“, sagt er. „Hintergrund sind sowohl vertriebliche wie regulatorische Erfordernisse, die eine steigende Mindestgröße erforderlich machen“, erklärt er.
Bislang schlagen sich allerdings gerade die regionalen Institute erstaunlich intestine. Einer Studie der Unternehmensberatung Bain zufolge erzielten Sparkassen und Genossenschaftsbanken in den vergangenen zwei Jahren höhere Eigenkapitalrenditen als Landesbanken und Großbanken in Deutschland.
Und das, obwohl – oder vielleicht auch weil – sich die regionalen Institute nicht durch Kampfkonditionen hervortun, wie Strategieberater Pratz analysiert. „Genossenschaftsbanken erreichen mehr als 700 Euro Ertrag je Kunde, Sparkassen mehr als 500, Geschäftsbanken noch 300 bis 450 Euro“, sagt er. Der Margendruck in Deutschland werde nicht von Genossenschaftsbanken oder Sparkassen ausgelöst, sondern durch neue, reine Onlineanbieter und Vergleichsportale.
Aus Sicht von Weiland ist die aktuelle Profitabilität aber eine Momentaufnahme: „Noch sind regionale Institute mit klassischem Geschäftsmodell im Durchschnitt profitabler als Großbanken. Einige zukünftige Herausforderungen wie etwa die Digitalisierung dürfte für große Institute aber leichter zu stemmen sein als für dezentral aufgestellte Bankengruppen“, mahnt sie.
An der aktuellen Ertragslage lässt sich aus Sicht von Volker Brühl, Geschäftsführer des Heart for Monetary Research (CFS), allerdings nicht ablesen, dass es in Deutschland generell zu viele Banken gibt. „Overbanked würde ja bedeuten, dass es so viele Konkurrenten gibt, dass keiner mehr Geld verdient“, sagt er. Das lasse sich so pauschal aber nicht sagen. Der deutsche Markt sei zwar wettbewerbsintensiv, erfolgreiche Institute könnten aber in den meisten Geschäftsbereichen wie dem Privatkundengeschäft, dem Geschäft mit kleinen Unternehmen oder dem Geschäft mit internationalen Großunternehmen durchaus Geld verdienen.
„Von einer Tendenz zu Überkapazität würde ich am ehesten im größeren Mittelstand reden“, sagt Brühl. Dort nehme der Wettbewerb zwischen heimischen Anbietern wie der Deutschen Financial institution, der Commerzbank, der DZ Financial institution und Landesbanken einerseits sowie ausländischen Banken andererseits massiv zu. Ein generelles Downside ist das aus seiner Sicht aber nicht: „Ich sehe nur in wenigen Bereichen mögliche strukturelle Überkapazitäten in der deutschen Bankenbranche. Vielmehr haben unsere verbliebenen Großbanken im internationalen Vergleich Größennachteile.“
Das wirkt sich aus Sicht des Wissenschaftlers vor allem im Wettbewerb um große Firmenkunden aus: „Das einzige deutsche Institut, das auch komplexere Kapitalmarktprodukte wirklich wettbewerbsfähig anbieten kann, ist die Deutsche Financial institution“, sagt CFS-Geschäftsführer Brühl.
Schon auf ihrem Heimatmarkt zeigen deutsche Großbanken eine geringe Durchschlagkraft: Während in Deutschland die größten fünf Banken gerade einmal einen Marktanteil von 34 Prozent auf sich vereinen, sind es in Spanien etwa zwei Drittel. In Frankreich und Italien teilen sich die Prime-5-Institute immerhin die Hälfte des Markts.
„Der fragmentierte Markt führt dazu, dass wir keine Institute haben, die dominante Marktanteile haben und in der Type Skaleneffekte ausspielen können. Deshalb würden wir sagen, dass Konsolidierung im Inland ein wichtiger Hebel ist, aber man muss das wahrscheinlich mittlerweile klar für Europa denken“, sagt der Deutschlandchef von Bain, Walter Sinn. Technique&-Associate Pratz ist sogar überzeugt: „Für Großbanken ist nicht unbedingt der Heimatmarkt am wichtigsten, sondern die Frage, ob sie groß und wettbewerbsfähig genug für den europäischen Markt sind.“
Aus Sicht von Weiland ist es allerdings auch wichtig, auf den Bedarf der Realwirtschaft an Bankdienstleistungen zu achten. Ein grober Indikator kann das Wachstum der Bilanzsumme der Banken in Relation zur Wirtschaftsleistung sein. Im Vorfeld der Finanzkrise 2008 etwa sei die Bilanzsumme der Banken in Relation zur Wirtschaftsleistung in Deutschland von 180 Prozent auf 360 Prozent gestiegen. „Diese Entwicklung conflict sicher ungesund“, sagt die BWL-Professorin.
Weniger verdächtig wirkt auf den ersten Blick die Entwicklung nach der Finanzkrise: Die Bankenbilanzen wuchsen um 12,5 Prozent, das Bruttoinlandsprodukt dagegen um 32 Prozent. „Was in solchen Betrachtungen unberücksichtigt bleibt, ist, dass manche Bankdienstleistungen mittlerweile auch von nicht-klassischen Akteuren bereitgestellt werden, etwa im Zahlungsverkehr oder auch im Kreditbereich“, sagt sie.
Es gibt noch einen weiteren Punkt, der sie beunruhigt: „Aktuell haben Banken wieder mit einem ungesunden Anlagedruck zu kämpfen“, sagt sie. Das rühre daher, dass viele Institute über überproportional hohe Kundeneinlagen verfügen, die sie nicht im gleichen Umfang für klassisches Aktivgeschäft nutzen könnten. Die Ursachen dafür sind die Niedrigzinsphase in der Euro-Zone und die in der Pandemie noch einmal deutlich gestiegene Sparquote. „Das führt zu eher untypischen Aktivitäten wie etwa Immobilieninvestitionen“, warnt Weiland.
Es gab schon einmal eine Section, in der Banken mangels typischer Geschäftsmöglichkeiten ihre überschüssigen Mittel in „Kreditersatzgeschäfte“ investierten: Damals kauften vor allem Landesbanken, aber auch andere Institute amerikanische Hypothekenpapiere. Kein gutes Geschäft, wie die Finanzkrise wenige Jahre später zeigte.
Mehr: Warum deutsche Geldhäuser um Fusionen nicht herumkommen.