Einflussreiche Wissenschaftler sehen die Menschheit weiter akut bedroht. Kriege, Umweltverschmutzung und Künstliche Intelligenz sind die Gefahren.
China baut sein Atomwaffen-Arsenal aus, Russlands Präsident Wladimir Putin führt Krieg in der Ukraine und kündigte den New-Start-Vertrag zur Verringerung strategischer Waffen, in Gaza schlägt Israel gegen die Hamas zurück und die Angst wächst, dass sich der Konflikt im Nahen Osten ausweitet. Derweil schreitet der Klimawandel voran, 2023 war das bisher heißeste Jahr und Künstliche Intelligenz gewinnt an Einfluss.
Angesichts dessen sehen die Forscherinnen und Forscher des „Bulletin of the Atomic Scientists“ (deutsch: „Berichtsblatt der Atomwissenschaftler“) die Menschheit weiter in großer Gefahr. Am Dienstag erklärten sie, dass die Zeiger der sogenannten „Weltuntergangsuhr“ auf 90 Sekunden vor Mitternacht stehen bleiben.
„Kein Hinweis darauf, dass die Welt stabil ist“
Dies ist die symbolische Zeit bis zum Untergang der Erde. 2023 war die Uhr erstmals so weit vorgestellt worden. Seitdem habe sich die Lage nicht signifikant entspannt, erklärten die Wissenschaftler am Dienstag. Rachel Bronson, die Präsidentin des „Bulletins“, sagte, es sei keine Entwarnung, dass die Uhr dieses Jahr nicht weiter vorgerückt sei: „Täuschen Sie sich nicht: Das ist kein Hinweis darauf, dass die Welt stabil ist. Ganz im Gegenteil. Regierungen und Gemeinden auf der ganzen Welt müssen dringend handeln.“
Jerry Brown, ehemaliger Gouverneur des US-Staates Kalifornien und Vorstandsvorsitzender des „Bulletins“, rief die Großmächte zur Kooperation auf. Andernfalls würden sie die Welt „wie auf der Titanic auf eine Katastrophe zusteuern – mehr Atombomben, enorme Kohlenstoffemissionen, gefährliche Krankheitserreger und Künstliche Intelligenz (KI).“
Besorgniserregend ist dem „Bulletin“ zufolge unter anderem, dass der militärische Einsatz von KI zunimmt. Zudem könnten „KI-gestützte Desinformationskampagnen ein Faktor sein, der die Welt daran hindert, effektiv mit nuklearen Risiken, Pandemien und dem Klimawandel umzugehen“.
Weltuntergangsuhr: Von 1947 bis heute
Die „Doomsday Clock“ gibt es seit 1947. Zahlreiche Nobelpreisträger gehören dem Rat der Zeitung „Bulletin of the Atomic Scientists“ an, der jedes Jahr darüber entscheidet, welche Uhrzeit sie anzeigen soll. Als die Uhr das erste Mal gestellt wurde, war es sieben Minuten vor Mitternacht. Als größte Gefahr für die Menschheit machten die Erfinder der Uhr einen drohenden Atomkrieg aus.
Am weitesten entfernt vom prophezeiten Weltuntergang stand die Uhr 1991. Es war die Zeit der Demokratisierung Osteuropas, die alten, sich feindlich gegenüberstehenden Blöcke lösten sich auf, das Abrüstungsabkommen Start zwischen der USA und der Sowjetunion wurde geschlossen, manche sahen das „Ende der Geschichte“ gekommen. Die Uhr wurde auf 17 Minuten vor Zwölf zurückgestellt.
Seitdem kennt das Uhrengremium des „Bulletins of the Atomic Scientists“ allerdings nur eine Richtung, den Wissenschaftlern zufolge wird es immer enger für die Menschheit. Andere Gefahren neben einem möglichen Atomkrieg werden stärker gewertet. Der Klimawandel könne die Menschheit auf den Pfad des Untergangs führen, heißt es. Aber auch die Sprengkraft, die in Künstlicher Intelligenz und digitalen Falschinformationen steckt, wird als potenziell fatal eingeschätzt.
Seit 2020 werden die Sekunden gezählt
2018 und 2019 hatte die Weltuntergangsuhr noch jeweils zwei Minuten vor Zwölf angezeigt. 2020 war sie dann erstmals symbolisch auf 100 Sekunden vor Mitternacht vorgestellt worden. Die Gefahr, dass sich die Menschheit selbst auslösche, sei so groß wie nie, hatte es zur Begründung geheißen. Deswegen müsse nun in Sekunden, und nicht mehr in Stunden oder Minuten, dargestellt werden, wie nahe die Welt an einer Katastrophe sei.
Drei Jahre lang blieb die Uhr bei 100 Sekunden bis zum Doomsday stehen, im vergangen Jahr rückte sie um weitere zehn Sekunden vor. „Die nuklearen Risiken sind erheblich gestiegen, hauptsächlich aufgrund der grundlosen Invasion Russlands in der Ukraine“, sagte Professor Steve Fetter von der University of Maryland 2023 zur Begründung.