Im Alltag werden obdachlose Frauen oft übersehen. Zur Weihnachtszeit hat der gemeinnützige Verein „Sei stark“ eine Aktion in Köln gestartet – und Geschenke verteilt.
Ein kalter Mittwochvormittag, kurz vor 10 Uhr. Vor dem Gebäude der Kölner Bahnhofsmission, direkt an Gleis 1, hat sich eine kleine Menschenmenge versammelt. Sie alle sind heute hier, um kurz vor den Festtagen etwas Gutes zu tun. Nach und nach tragen ein gutes Dutzend ehrenamtlicher Mitarbeiter und Helfer Geschenktüten aus dem Gebäude der Bahnhofsmission.
Später sollen die Geschenktüten rund um den Hauptbahnhof verteilt werden – an obdachlose Frauen. Insgesamt zwei Stunden werden die freiwilligen Helfer hier sein, um die Frauen mit den Geschenken zu überraschen, bevor es nach Mülheim geht. Dort wird dem Sozialprojekt „Mülheimer Arche“ ein weiterer Schwung Tüten übergeben.
Verteilt werden vor allem Hygieneartikel
Bereits am Vorabend haben die Helfer über 150 Geschenktüten gepackt. Darin enthalten sind vor allem, aber nicht ausschließlich, Hygieneartikel, Feuchttücher, Bodylotions, aber auch Lebensmittel und weihnachtliche Süßigkeiten wie Zimtsterne.
Zwischen den freiwilligen Helfern steht am Vormittag auch Emitis Pohl, die geschäftsführende Vorsitzende des Vereins „Sei stark“, der die Aktion initiiert hat. Das Hauptaugenmerk liege bei dieser Aktion nicht nur auf dem Austausch und darin, ein offenes Ohr für die betroffenen Frauen zu haben. Es gehe vor allem darum, wichtige Hygieneartikel und Alltagsausstattung für das Leben auf der Straße bereitzustellen. Direkte Hilfe, kurz vor Weihnachten, ganz konkret und unbürokratisch. Das ist das ausgegebene Ziel für den heutigen Tag.
Wertschätzung zur Weihnachtszeit
„Unsere Aktion bedeutet für die Frauen Wertschätzung, Unterstützung und Würde in schwierigen Zeiten“, sagt Pohl. „Wir möchten sie mit der Verteilaktion auch nachhaltig dabei unterstützen, ihre Lebenssituation zu verbessern.“ Dem Ganzen war eine Plakataktion vorausgegangen. Denn die Aktion verfolgt neben der direkten Hilfe auch einen aufklärerischen Zweck. So möchte der im Jahr 2022 gegründete Verein Vorurteile gegenüber obdachlosen Frauen abbauen und ein Bewusstsein für deren Situation schaffen. „Es ist wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren und einen offenen Dialog über die Bedürfnisse und Herausforderungen dieser Frauen zu fördern. Jeder Mensch verdient es zudem, sich trotz der Umstände in seiner eigenen Haut wohlzufühlen“, erklärt Angela Westdorf, Zweite Vorsitzende von „Sei stark“, die Bedeutung der Kampagne.
In Köln machen sich die Helfer mit den Tüten endlich auf den Weg. Einige der angesprochenen Frauen im Umfeld des Kölner Hauptbahnhofs reagieren zunächst zögerlich, freuen sich aber ausnahmslos über die Geschenke des Vereins und die vielen freiwilligen Helfer. Diese kommen aus allen Altersgruppen, es sind junge Leute neben älteren Kölnern, die ohne Umschweife die Nähe zu den Frauen suchen, die im Alltag oft gemieden oder übersehen werden.
Berührungsängste hat hier niemand. „Ein bisschen Menschlichkeit zeigen, gerade jetzt zur Weihnachtszeit – ich finde, das ist das Mindeste, was ich tun kann“, sagt eine Helferin und geht über den Breslauer Platz am Hinterausgang des Hauptbahnhofs auf eine wohl obdachlose Frau zu, die vor dem Eingang einer Fastfood-Kette sitzt und bettelt.
Es sind nicht nur die freiwilligen Helfer, die die Aktion ermöglichen. Neben der Bethe-Stiftung, die beim Verein eingehende Spenden verdoppelt hat, unterstützt auch die Stadt Köln die Aktion. „Obdachlose Frauen leben auf der Straße besonders schutzlos. Sie brauchen spezielle Angebote und Unterstützung“, so Harald Rau, Beigeordneter für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln.
Nach etwa zwei Stunden wird ein Sprinter beladen und es geht mit den übrigen Geschenktüten in Richtung Mülheim, wo die Aktion fortgeführt wird. Das Ganze fand zum ersten Mal statt und soll im kommenden Jahr wiederholt werden. Denn auch nach der Weihnachtszeit ist der Winter noch lang.