Auf den Fernsehbildschirmen präsentiert sich der Eurovision Song Contest als große Party. Doch die TV-Aufnahmen zeigen nicht das ganze Bild.
Aus Malmö berichtet Tobias Eßer.
Mit einer bunten Party hat der Eurovision Song Contest im schwedischen Malmö das zweite Halbfinale des größten Musikwettbewerbs der Welt präsentiert. Etwa 12.000 Menschen feierten in der südschwedischen Hafenstadt überwiegend friedlich zusammen – und genau diese Stimmung wollte die Europäische Rundfunkunion (EBU) als Veranstalterin des Wettbewerbs auf die Fernsehbildschirme in die europäischen Wohnzimmer bringen.
Doch einige Aspekte des Eurovision Song Contest haben es nicht ins Fernsehen geschafft, sondern eröffneten sich nur Zuschauerinnen und Zuschauern in der Arena in Malmö. Ein Beispiel ist die beeindruckende Organisation hinter dem Wettbewerb.
Bühnenumbau in 55 Sekunden
Zwischen den einzelnen Künstlerinnen und Künstlern bekamen die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer virtuelle Postkarten eingeblendet, die sie auf den folgenden musikalischen Beitrag einstimmen sollten. Diese Abschnitte dauerten jeweils etwa 55 Sekunden.
Innerhalb dieser 55 Sekunden schafften es die Arbeiterinnen und Arbeiter in der Arena in Malmö nicht nur, das Bühnenbild der zuvor singenden Kandidatinnen und Kandidaten abzuräumen. Sie wischten auch noch die Bühne und bereiteten die Szenerie für den nächsten Auftritt vor. Die Leistung der Arbeiterinnen und Arbeiter glich weniger einer lästigen Aufgabe, vielmehr einer eigenen Choreografie, deren Ablauf auf der kreuzförmigen Bühne angezeigt wurde und die jederzeit perfekt funktionierte.
Scharfschützen und Taschenkontrollen
Ein weiterer Aspekt, der den Zuschauerinnen und Zuschauern vor den Bildschirmen verborgen blieb, war die Sicherheitsfrage beim Eurovision Song Contest. Mit Eden Golan trat die israelische Vertreterin im zweiten Halbfinale am Donnerstag auf die Bühne der Arena in Malmö. Zuvor hatten bis zu 20.000 Menschen ein paar Kilometer vom Veranstaltungsort entfernt gegen Israels Teilnahme und für eine sofortige Waffenruhe in Gaza demonstriert – Golan selbst nahm an keinen Events vor dem Musikwettbewerb teil, weil Drohungen gegen die Sängerin ausgesprochen worden waren.
Diese Drohungen nahm die schwedische Polizei sehr ernst. Auf den Dächern in der Nähe der Arena hatten sich Scharfschützen in Position gebracht, die Polizei sicherte die Zufahrtsstraßen zum Veranstaltungsort mit Straßensperren. Um in den etwa 200 Meter von der Arena entfernten Pressebereich zu gelangen, mussten Journalistinnen und Journalisten mehrere Taschenkontrollen über sich ergehen lassen. Auch der Einlass in die Arena dauerte wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen länger.
Ausgeblendete Buh-Rufe
Beim Auftritt der israelischen Sängerin selbst bekamen die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer den Eindruck, die Halle würde Eden Golan geschlossen zujubeln. Das war allerdings nicht der Fall. Zwar brandete stellenweise Jubel in der Arena in Malmö auf, allerdings begleiteten einige Teile des Publikums den israelischen Auftritt auch mit Pfiffen und Buh-Rufen.
Zwei Männer vor der Bühne wedelten während Golans Performance außerdem mit kleinen palästinensischen Fahnen, deren Zeigen die EBU zuvor untersagt hatte. Die Polizei registrierte diesen Protest gegen die israelische Teilnahme schnell – und die Männer wurden im Polizeigriff aus der Halle geführt. Der Zugriff erfolgte dabei ziemlich robust: Einer der Männer wurde mit dem Kopf gegen eine Begrenzungswand des Innenraums gedrückt, bevor er von zwei Sicherheitskräften aus der Arena geleitet wurde.
Trinkgelage und Gesangseinlagen
Abgesehen von diesem Zwischenfall verpassten die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Hause die ausgelassene Stimmung rund um das zweite Halbfinale in Malmö. Vor den Herrentoiletten, deren Warteschlangen deutlich länger als die vor den Damenklos waren, veranstalteten Fans in Paillettenkostümen einen eigenen kleinen Wettbewerb, bei dem es darauf ankam, wer in der kürzesten Zeit die meisten Gläser Sekt in sich hineinschütten konnte. Wenig überraschend wurden zwei bärtige Männer aus Irland zu den Siegern gekürt.
Auch die spontanen Gesangseinlagen der Fans vor dem Wettbewerb, bei dem die besten Eurovision-Lieder der vergangenen Jahre dargebracht wurden, schafften es leider nicht ins Fernsehen. Die Party rund um die TV-Übertragung lässt sich am besten vor Ort erleben.