Die deutsche Handball-Bundesliga gilt als beste Liga der Welt. Doch Andreas Wolff bestreitet seine Karriere als einziger DHB-Star nicht in Deutschland. Warum?
Dass Deutschland noch Chancen auf das Halbfinale der Handball-EM hat, liegt auch an Andreas Wolff. Der 32-jährige Torwart hatte mit grandiosen Leistungen großen Anteil am überzeugenden Auftaktsieg gegen die Schweiz und dem knappen Erfolg im Hauptrunden-Krimi gegen Island. Sogar bei der Niederlage gegen Frankreich und dem enttäuschenden Unentschieden gegen Österreich war Wolff der beste Deutsche auf dem Platz.
Die DHB-Auswahl weiß jedenfalls, was sie an ihrem Keeper hat. „In der Verfassung ist er der beste Torwart des Turniers“, lobte Mannschaftskapitän Johannes Golla Wolff etwa nach dem Island-Sieg. Nach einem monatelangen Ausfall wegen eines Bandscheibenvorfalls im vergangenen Jahr ist es in der Tat nicht von der Hand zu weisen, dass Wolff aktuell, wie auch schon in den vergangenen Jahren, zu den besten Torhütern der Welt zählt.
Wolff einziger Legionär im DHB-Kader
Doch nicht nur seine Leistungen lassen Wolff zwischen seinen Nationalmannschaftskollegen hervorstechen. Auch seine Vereinswahl ist außergewöhnlich, denn: Wolff ist der einzige Profi des aktuellen EM-Kaders, der sein Geld nicht in Deutschland verdient. Er spielt für den polnischen Spitzenklub Industria Kielce. Dabei gilt die deutsche Bundesliga aufgrund der hohen Dichte an Topteams gemeinhin als stärkste Handball-Liga der Welt – und wäre damit eigentlich der richtige Ort für einen der besten Torhüter der Welt.
Dennoch spielt Wolff seit 2019 in Polen, wo er, wie in der Nationalmannschaft, die Rückennummer 33 trägt. An seinem Wechsel ins Ausland hatte dabei auch der deutsche Bundestrainer „schuld“.
Wechsel zu Kiel kurz vor dem Durchbruch
Wolff begann seine Karriere in Deutschland, machte seine ersten Bundesliga-Erfahrungen ab 2009 beim TV Großwallstadt. Von dort aus ging es im Jahr 2013 zur HSG Wetzlar. Dort fiel der Torwart auch einem gewissen Alfred Gíslason auf, der damals noch Trainer des deutschen Rekordmeisters THW Kiel war. Noch vor der Europameisterschaft 2016 holte Gíslason den noch recht unbekannten Wolff in den hohen Norden.
„Ich habe ihn nach Kiel geholt“, erinnerte sich Gíslason jüngst auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Europameisterschaft. „Das war mitunter der Grund, warum er 2016 in den Nationalmannschaftskader genommen wurde, weil er gerade bei uns unterschrieben hatte und mein Landsmann (der damalige Bundestrainer Dagur Sigurdsson, Anm. d. Red.) wusste das“, so Gíslason weiter.
Bei dem Turnier 2016 wurde Wolff dann zum Shootingstar. Als dritter Torwart in das Turnier gestartet, stieg er mit starken Leistungen zum Stammtorwart auf. Spätestens als er im Finale gegen Spanien die deutsche Mannschaft quasi im Alleingang zum Titelgewinn parierte, wurde Wolff vom kaum bekannten Keeper zum Handball-Superstar.
Probleme in Kiel
Zurück beim THW Kiel, stellte ihn das jedoch vor eine Herausforderung. Denn als Perspektivspieler geholt, hatte er mit dem Dänen Niklas Landin einen weiteren internationalen Toptorwart vor der Brust. Die Arbeitsteilung mit dem Dänen gefiel dem Keeper wohl nicht besonders. „Es war schwierig teilweise“, erinnerte sich Gíslason an die Situation. „Für ihn mehr als für mich, weil er jünger war und sehr impulsiv“, so der 64-Jährige.
Statistisch gesehen hätten sich die beiden die Arbeit zwar nahezu 50/50 geteilt, erklärte Gíslason. Doch Landin habe keine guten Spiele gemacht, wenn er von der Bank kommen musste, während Wolff immer sehr gut von der Bank gekommen sei, „weil er immer so sauer auf mich war“, erinnerte sich Gíslason. Deshalb habe Wolff die meisten Spiele nicht von Anfang an bestreiten dürfen.
„Auf einmal andere Voraussetzungen“
Er sei in die Vertragsunterschrift mit dem Gedanken gegangen, sich in Kiel Stück für Stück zum Weltklasse-Torhüter hochzuspielen, erinnerte sich Wolff selbst in einer NDR-Doku an seine Zeit in Kiel. Nach der EM habe er den Schritt aber übersprungen und habe auf einmal als Weltklasse-Torhüter gegolten. „Man hatte dann auf einmal andere Voraussetzungen. Man wollte dann spielen, man wollte auf der höchsten Ebene seine Spielzeiten sammeln“, so Wolff weiter.