SPD, Grüne und FDP wollen das ändern und die Wärmewende vorantreiben, schließlich will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Neu eingebaute Heizungen sollen deswegen ab 2025 auf Foundation von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden, so steht es im Koalitionsvertrag der Ampelregierung.
Rund die Hälfte der rund 21 Millionen in Deutschland installierten Heizungen gilt als veraltet und technisch ineffizient. Intestine 75 Prozent der Wohngebäude sind nach Angaben der Deutschen Energie-Agentur (Dena) mit einer Öl- oder Gasheizung ausgestattet.
Aus Klimaschutzgründen ist das Regierungsvorhaben additionally richtig, doch bei der Umsetzung wird es haken. „Eine plötzliche Dreijahresfrist ist für die Entwicklung und Umsetzung umfassender Lösungen, die auch noch marktfähig und bezahlbar sein sollen, schlicht nicht realistisch“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW.
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Pauschale Lösungen unmöglich
Die 65-Prozent-Anforderung aus dem Koalitionsvertrag würde sich pauschal auf alle Anlagen auswirken, ohne die jeweils unterschiedliche lokale Scenario der Energieversorgung und der gegebenen Voraussetzungen berücksichtigen zu können, warnt Gedaschko. Die Versorgungsnetze, vor allem bei Strom aber auch Fernwärme, seien aber noch nicht so weit.
Die Herausforderungen sind komplex: „Es gibt nicht ‚die‘ eine Lösung, die für alle intestine funktioniert“, beschreibt Lamia Messari-Becker, Bauingenieurin und Ex-Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, die Problemlage.
Nötig seien unterschiedliche Wege, um Klimaschutz im Gebäudebestand zu erreichen. Sowohl die Versorgungsinfrastruktur als auch die technischen Voraussetzungen in den Gebäuden selbst seien derart unterschiedlich, dass pauschale Lösungen schlicht unmöglich seien.
Mit Erdgas und Solarthermie seien die 65 Prozent derzeit nicht erreichbar, Holzpellets-Lösungen würden knapp, gibt Messari-Becker zu bedenken. „Was bleibt, ist die Wärmepumpe auf Strombasis.“ Doch das werde bei den jetzigen Strompreisen für viele Menschen gerade im Bestand sehr teuer und könnte zu sozialen Verwerfungen führen. Beim derzeitigen Ökostromangebot und -bedarf aller Sektoren sei das Vorhaben nicht zu Ende gedacht „und eher ein Blindflug“.
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Skeptisch ist auch Simon Müller, Deutschlanddirektor der Denkfabrik Agora Energiewende. „Im Neubau ist es unproblematisch, auf einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbare zu kommen“, sagt Müller. Im Bestand sei der technische und finanzielle Aufwand deutlich höher, es brauche einen klugen Instrumentenmix.
Selbst innerhalb der neuen Ampelregierung weiß man, wie ehrgeizig das Vorhaben ist. Im Gebäudesektor sei in den vergangenen Jahren aber zu wenig passiert, sagt Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Wenn die Klimaziele erreicht werden sollten, „brauchen wir ambitionierte Ziele“.
Forderungen nach einem Sanierungsfahrplan
Zu den klimafreundlichen Alternativen zu alten Öl- und Gasheizungen zählen etwa Wärmepumpen, die mithilfe von Strom dem Außenbereich Wärme entziehen und sie ins Haus abgeben. Ihr Absatz steigt, vor allem aber für Ein- und Zweifamilienhäuser, weniger für die Mehrfamilienhäuser der großen Städte.
Im Neubau sei es unproblematisch, auf einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbare zu kommen.
(Foto: dpa)
„Wärmepumpen müssen oft zusammen mit anderen Maßnahmen an der Gebäudetechnik und -hülle mitgedacht werden“, begründet das Stefan Schönberger, Klimaexperte bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). „Im Vergleich zu fossilen Kesseln entsteht dadurch auch ein höherer Kapitalbedarf.“ Zudem bestehe momentan bei den Hauseigentümern eine riesige Informationslücke, welche Lösung sinnvoll sei und welche Alternativen bestünden.
BCG sieht die Regierung in der Pflicht, für mehr Klarheit zu sorgen. „Sinnvoll wäre es, für jedes Gebäude einen Sanierungsfahrplan aufzusetzen, der eine kosten- und technologieoptimale Lösung beschreibt“, so Schönberger. „Alle, die ab 2025 die Heizung austauschen müssen, sollten entscheiden können, worin sie investieren, welche Fördermöglichkeiten sie haben und wie sie das finanzieren können. Ansonsten ist man dem Markt vollkommen ausgeliefert.“
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Für die Städte gilt auch Fernwärme als zukunftstaugliche Choice. Bislang aber werden nach Angaben von BCG in großen Städten wie Berlin und Hamburg nur bis zu 30 Prozent der Haushalte mit Fernwärme versorgt, während dieser Anteil in skandinavischen Städten wie Stockholm oder Kopenhagen bei über 80 Prozent liegt.
Zudem wird Fernwärme bislang vor allem durch die Verbrennung von Kohle und Erdgas erzeugt. Sie kann aber auch per Abwärme aus Kraftwerken oder Industriebetrieben sein oder mithilfe von Geothermie, additionally Erdwärme, produziert werden, so geschieht es zunehmend in München. Heute liegt der Anteil erneuerbarer Energien an der Fernwärme nach Angaben des Branchenverbandes BDEW bei gerade einmal 17,5 Prozent.
Forderungen nach einer kommunalen Wärmeplanung
Das Bundeswirtschaftsministerium setzt darauf, dass Wärmeversorger neue Gebiete erschließen und bestehende Fernwärmenetze verdichten, indem zusätzliche Gebäude in einem bestehenden Fernwärmegebiet neu angeschlossen werden. Noch in diesem Jahr soll eine neue Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) starten. Damit soll es Versorgern erleichtert werden, bestehende Wärmenetze zu wirtschaftlichen Bedingungen auf erneuerbare Energien und sonst ungenutzte Abwärme umzustellen.
Experten fordern darum schnellstens eine kommunale Wärmeplanung, um Investoren langfristig Orientierung zu bieten. Wie sind die Rahmenbedingungen? Welche erneuerbaren Wärmequellen sind örtlich verfügbar? Wie sieht das bisherige Netz aus? Wie ist der Gebäudebestand vor Ort? Ergibt es für einzelne Städte Sinn, sich an Fernwärmenetze anzuschließen, oder braucht es Quartierslösungen?
Mit einem Austausch der Heizung ist es nicht getan
Gebäude müssen zudem in die Lage versetzt werden, die Wärme abzunehmen, auch hier braucht es Investitionen. Derzeit bringen große Fernwärmenetze das Heizwasser noch mit einer Temperatur von 90 Grad Celsius und höher zur Hausübergabestation, von der aus die Wärme dann in die Heizungen verteilt wird. Langfristig können und sollen Wärmenetze auf niedrigere Temperaturen umgestellt werden.
„Wir müssen die Ressourcen für die energetische Sanierung effizient einsetzen“, mahnt Agora-Denker Simon Müller. Mit einem Heizungstausch, der schon kompliziert genug ist, sei die Sache nicht getan. „Es braucht ein Zusammenspiel bei der Sanierung von Gebäuden.“ Das heißt, sich konkret zu überlegen, auf welche Weise langfristig die meisten Emissionen gespart werden: durch eine Dämmung der Gebäudehülle, den Austausch der Fenster, die Erneuerung der Heizung.
Die Frage, wie intestine Wasserstoff geeignet ist, um die Wärmewende voranzubringen, ist umstritten. Grüner Wasserstoff könnte künftig ins bestehende Gasnetz eingespeist und dem Erdgas beigemischt werden, dürfte aber in den nächsten Jahren eher Mangelware und in anderen Sektoren besser eingesetzt sein, etwa in der Industrie oder in der Schifffahrt.
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