In meiner Jugend hatte Stefan Raab für mich Heldenstatus. Seine neue Show zeigt mir aber, dass wir 2024 nicht mehr auf einen Nenner kommen.
Als Stefan Raab Ende 2015 mit Tränen in den Augen aus dem „TV total“-Studio verschwand, schoss es meinem 16-jährigen Ich direkt in den Kopf: nie wieder angriffslustiger Stand-up, nie wieder lustige Einspieler auf dem „Nippel-Board“ und nie wieder unbekümmerte Interviews mit Weltstars auf der legendär durchgesessenen „TV total“-Couch.
Klar, nach der Ankündigung seines TV-Comebacks bei RTL war meine Erwartung riesig. Der Boxkampf gegen Regina Halmich war nur der rote Teppich für das, was jetzt kommen würde. Er ist zurück: der größte deutsche Showmaster der Gegenwart, der TV-Messias, der ganz nach dem Motto „Make deutsches Fernsehen great again“ die Branche wieder einmal revolutionieren würde.
Mittlerweile bin ich 25 Jahre alt und muss nach der ersten Ausgabe „Du gewinnst hier nicht die Million“ feststellen, dass Stefan Raab meine hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. Denn nicht ich bin die Zielgruppe von Raab. Raab ist die Zielgruppe von Raab – Männer Ende 50 mit einem Hang zu spätpubertärem Humor.
Die Welt mag sich im vergangenen Jahrzehnt verändert haben, aber Raab nicht. Da steht er in klassischer Jeanshosen-hellblaues-Hemd-Kombi vor seinem Studiopublikum und eröffnet wie gewohnt mit einem Stand-up. Erste Zweifel an Raabs Humor beschleichen mich, als er sich minutenlang an einer Geste abarbeitet, bei der Menschen ihre Hände zu Herzen formen. „Geht mir das Zeichen auf den Sack“, sagt er. Die Pointe dahinter scheint er für sich zu behalten. Oder wie man in meinem Umfeld sagt, wenn der Sinn von etwas nicht klar wird: „Wie random.“
Kurz keimt Hoffnung auf, dass Raab doch ein wenig mit dem oft beschworenen Zeitgeist gegangen ist. Statt mit Knöpfen in seinem Schreibtisch bedient er die kurzen Einspieler namens „Nippel“ mit einem Smartphone. Und das sollte man Raab lassen: Seine Einspieler waren einst die Vorstufe von dem, was wir heute als Memes kennen und wir uns täglich auf diversen sozialen Medien hin- und herschicken.
Doch auch hier scheint Raabs Humor keinen Reifeprozess durchlebt zu haben. Einigen der Einspieler merkt man ihr Alter schon anhand der Bildauflösung an. Zudem wird der Witz nicht besser, wenn Raab den Einspieler, der Florian Silbereisen als „Traumschiff“-Kapitän zeigt, viermal hintereinander abspielt.
Insgesamt mangelt es der Sendung an Aktualität. Raabs Zielscheiben sind Promis, auf deren Kosten er schon vor 20 Jahren Witze gemacht hat. Silbereisen, Peter Maffay und die Amigos. Auch wenn hier der eine oder andere Spruch in puncto Gag-Mechanik sitzt („Peter Maffay, einfach Legende. Da weiß man gar nicht: Wo fängt die Lederjacke an, wo hört die Haut auf?“), habe ich ein mulmiges Gefühl.
Denn Raab macht sich vorwiegend über Äußerlichkeiten anderer lustig. Sei es die Entzündung von Jürgen Milskis Auge oder Regina Halmichs demoliertes Gesicht nach dem Boxkampf vom Samstag. Es ist etwas, das ihn in die fragwürdige Ecke von Menschen wie Oliver Pocher rückt, und etwas, das die talentiertesten Comedians für Lacher nicht nötig haben. Schon in den Instagram-Teasern vor seinem Boxkampf fragte man sich: Ist das jetzt witzig, weil Raab einen Fat-Suit trägt? Wo genau bleibt die Pointe?
Immerhin: Die schlimmsten Befürchtungen mancher wurden nicht wahr: Raab war nicht sexistisch oder erhob sich über Minderheiten. Etwas, das dem früheren Raab in der Retrospektive vorgeworfen werden kann und worüber auch ich früher ohne schlechtes Gewissen gelacht habe. Es bleibt zu hoffen, dass auch ein Stefan Raab heute sensibler mit Sprache umgeht.