In Thüringen gibt es nach den aktuellen Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz zwei zwischen dem BSW und der CDU. Zum Start des Wahlkampfendspurts ist nun Sahra Wagenknecht nach Eisenach gekommen.
Es wird laut, als sie gegen 17.50 Uhr endlich die Bühne betritt. Die Besucher rücken weiter nach vorn und heben die Handys, um Fotos zu machen. Fotos von Sahra Wagenknecht. Der Star ist da, könnte man meinen. Und mit ihm der große Ärger über alles, was im fernen Berlin so passiert.
In weniger als zwei Wochen stimmen die Thüringer über einen neuen Landtag ab. Das Bundesland gilt spätestens seit der jüngsten Wahl als schwer regierbar – weil die politischen Ränder hierzulande besonders stark sind und nur wenige Koalitionen realistisch erscheinen. Gern schaltet sich in diesem Schlussspurt auch das Spitzenpersonal aus Berlin ein.
So auch Wagenknecht am Montag in Eisenach. Das Aufsehen vor Ort: immens. Fast 400 Menschen sind bei der Veranstaltung zugegen. Wohl mit ein Grund für die Neugier: Es ist nicht ausgeschlossen, dass das erst am Jahresanfang gegründete „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) direkt an einer Regierung beteiligt sein wird. Und damit auch Ministerinnen und Minister stellen könnte.
Zwei dieser potenziellen Minister waren in Eisenach dabei und gaben sich kämpferisch. Neben Wagenknecht interessieren sich viele vor allem über die Spitzenkandidatin Katja Wolf und ihre Haltung zu einem möglichen Bündnis mit der AfD unter Björn Höcke, die in Thüringen als gesichert rechtsextrem gilt. Wolfs Haltung zu einer potenziellen Zusammenarbeit? Nein, soll es nicht geben, aber …
Eisenach wirkt zum Wochenanfang frisch herausgeputzt. Historische Gebäude säumen den Marktplatz, alle in äußerlich bestem Zustand. Die Sonne scheint auf die imposante Georgenkirche, davor plätschert im Georgsbrunnen gemächlich das Wasser. Die Eisenacher schlecken „ehrliches Eis“, so nennt es der Eisladen, oder sie essen eine Gabelspitze der Bio-Tarte des örtlichen Cafés. Andere schlendern durch die belebten Straßen der Altstadt. Probleme sind an diesem Nachmittag auf den ersten Blick nicht zu erkennen.
Doch neben den Klamottenständen, die auf dem Marktplatz aufgestellt sind, steht mittlerweile auch die Bühne, auf der Sahra Wagenknecht am frühen Abend auftreten wird. Der Stargast des BSW, der die Spitzenkandidaten für die thüringische Landtagswahl, Katja Wolf und Steffen Schütz, unterstützen soll. Und die Menschen, die sich hier vor der Bühne schon eingefunden haben – die sehen Probleme. Und zwar nicht zu knapp.
Nur haben die meist nichts mit der Landespolitik zu tun. Thema Nummer eins: Waffenlieferungen an die Ukraine. Alle Besucher, mit denen t-online vor Beginn des Auftritts spricht, blicken mit wenig Verständnis auf die militärische Unterstützung des Landes, das von Russland überfallen wurde. Der Krieg müsse beendet, die Waffenlieferungen eingestellt werden. „Und Sahra Wagenknecht spricht es eben aus, was das Volk denkt“, sagt ein Besucher, der seinen Namen nicht nennen möchte. „Waffenlieferungen verlängern das Leid.“

Von den BSW-Spitzenkandidaten Katja Wolf und Steffen Schütz haben auf dem Eisenacher Marktplatz bislang nur die wenigsten etwas gehört. Die meisten sind wegen Wagenknecht selbst hergekommen. Und sie sind unzufrieden. Mit „Habecks Heizungsgesetz“, der Migrationspolitik der Bundesregierung und dem niedrigen Mindestlohn. Auf die Frage, was sie vom BSW konkret in Thüringen erwarten, wissen viele keine Antwort. Doch wenn sie Wünsche von der Landespolitik haben, dann nach mehr Lehrern und weniger Bürokratie.
Was sie wählen wollen? „AfD oder BSW“, antworten die meisten. Viele sind noch unsicher. Eine Koalition der beiden Parteien? Fänden viele nicht schlecht. „Wenn die gemeinsam gute Lösungen finden, bin ich damit glücklich“, sagt Gerhard Hofmann, selbst ehemaliges CDU-Mitglied und heute wegen Wagenknecht hier. „Enttäuschtes ehemaliges CDU-Mitglied“, hat er hinterher geschoben.