Exotische Hybrid-Portfolios, sich überschneidende Politikbereiche und Kandidaten mit einer problematischen Vergangenheit könnten die Pläne für die neue Europäische Kommission, die die deutsche Ministerpräsidentin Ursula von der Leyen gestern skizzierte, durchkreuzen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach, „starre Ofenrohre“ abzuschaffen, als sie gestern (17. September) Pläne für ihre zweite Amtszeit vorstellte.
Möglicherweise möchte sie tatsächlich starre Strukturen vermeiden, die zu einer isolierten und widersprüchlichen Politikgestaltung führen können.
Doch komplex zusammengesetzte Ressorts und sich überschneidende Zuständigkeiten laufen Gefahr, ihre Kommission eher einem Wirrwarr von Spaghetti gleichzumachen.
Seltsame Paarungen
Ein gemeinsames Thema der neuen Portfolios, die sie ihren 26 Stellvertretern übergeben hat, ist die Erstellung exotischer zusammengesetzter Briefings.
Der Slowake Maroš Šefčovič wird den Handel – ein zentrales Politikfeld, in dem Brüssel erhebliche Macht besitzt – mit den allgemeinen Beziehungen zu anderen Institutionen wie dem Europäischen Parlament verknüpfen.
Der Däne Dan Jørgensen ist neben dem Energiebereich auch für den Wohnungsbau zuständig, während die Belgierin Hadja Lahbib Krisenmanagement und Gleichberechtigung vereint – was für Empörung bei Aktivisten sorgte, die befürchten, sie müsse ihre Zeit zwischen Pandemien, Waldbränden und Frauenrechten aufteilen.
Bei diesen Entscheidungen kommt es vielleicht ebenso sehr auf die Qualität des Kandidaten an wie auf das Portfolio. Šefčovič gilt als zuverlässiger Kandidat, der in seiner Zeit in Brüssel viele verschiedene Aufgaben übernommen hat; Lahbib, eine Frau mit algerischen Wurzeln, gilt vielleicht als gute Wahl für die Gleichberechtigung in der normalerweise rein weißen, männerdominierten Kommission.
Die sozialistischen Europaabgeordneten, die auf einem Posten zur Bekämpfung der Wohnungsnot in Europa bestanden hatten, wollten diesen nun an einen ihrer eigenen Abgeordneten vergeben. Und Jørgensen ist eine der wenigen Mitte-links-Optionen, die von der Leyen zur Verfügung standen.
Zusammenstoßende Köpfe
In anderen Fällen führen Überschneidungen zwischen den Ressorts wahrscheinlich zu Doppelarbeit oder internen Gebietsstreitigkeiten.
Solche Querelen sind nichts Neues: Schon seit Langem gibt es zwischen dem Gesundheits- und dem Landwirtschaftsministerium der Kommission einen Streit darüber, wer für die Lebensmittelpolitik zuständig ist.
Diese Fragen sind nicht unbedingt geklärt: Laut dem Brief von der Leyen bleibt Ungarns Olivér Várhelyi für die Sicherheit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln zuständig – der Luxemburger Christophe Hansen wurde jedoch offiziell zum „Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung“ ernannt.
Schlimmer noch: Várhelyi wird sich mit Lahbib über die neu geschaffene Abteilung der Kommission für die Vorsorge gegen gesundheitliche Notlagen (GD HERA) streiten müssen.
Zu den Aufgaben der Kommissarin für den Mittelmeerraum gehört es, die Spannungen im Nahen Osten zu beheben, indem sie „alle notwendigen Schritte für eine Zweistaatenlösung“ im Konflikt zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten fördert.
Für den ehemaligen Bürgermeister von Dubrovnik, der zuvor unter anderem für die Ausarbeitung eines Demografieberichts und die Organisation der Konferenz zur Zukunft Europas zuständig war, scheint das eine große Aufgabe zu sein.
Außerdem könnte es zu Konfrontationen mit der Estin Kaja Kallas kommen, die für die gesamte Außenpolitik der EU verantwortlich ist.
Die Zusammenarbeit zwischen den beiden sei „noch nicht klar“, sagte heute ein hochrangiger Kommissionsbeamter. Kallas werde sich zwar mit „Fragen von Krieg und Frieden“ befassen, doch die erforderlichen häufigen Reisen in die Region bedeuteten, dass dies eine zu große Aufgabe für eine Person sei, fügte der Beamte hinzu, der unter der Bedingung der Anonymität sprach.
Hörprobleme
In einigen Fällen könnten von der Leyens Kandidatenauswahlen zu Problemen führen, wenn sie ihre Kandidatenliste dem Europäischen Parlament zur Bestätigung vorlegt.
Neben seinem Klimaauftrag wurde dem Niederländer Wopke Hoekstra auch die Verantwortung für das Steuerwesen übertragen – allerdings handelt es sich dabei um den Finanzminister eines Landes, das schon seit Langem wegen aggressiver Steuerplanung im Visier Brüssels steht und dessen Verbindungen zu den Jungferninseln, einer Steueroase, durch die Veröffentlichung der Paradise Papers im Jahr 2021 offengelegt wurden.
Auch der Ire Michael McGrath könnte unter Druck geraten, weil er sich gegen ein Referendum zur Legalisierung der Abtreibung im Jahr 2018 ausgesprochen hatte.
Mit seinem neuen Justizressort hat das Thema nur indirekt etwas zu tun.
Doch es ist auch eine Frage dieser Art, die in Brüssel Anklang findet. Das musste auch die Malteserin Roberta Metsola feststellen, als ihre langjährige Ablehnung der Abtreibung ihr bei ihrer Bewerbung um das Amt der Präsidentin des Europäischen Parlaments im Jahr 2022 beinahe den Garaus gemacht hätte.
Gerardo Fortuna hat zur Berichterstattung beigetragen.