Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind 2027 aufgebraucht. Und dann? Der Ökonom Moritz Schularick plädiert für ein erheblich größeres Sondervermögen – und erklärt, warum wir uns das nicht nur leisten müssen, sondern auch können.
Die Wahl des US-Präsidenten könnte erhebliche Auswirkungen auf den Fortgang des Kriegs in der Ukraine haben – und damit auch für Deutschland. Worauf müssen wir uns einstellen? Wie viel Geld muss uns die eigene Sicherheit wert sein? Und warum scheinen die westlichen Sanktionen gegen Russland kaum zu wirken?
Einer, der sich mit all diesen Fragen beschäftigt, ist Moritz Schularick. Der Ökonom, der das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) leitet, warnt im t-online-Interview davor, sich künftig allein auf die USA zu verlassen. „Europa muss erwachsen werden“, sagt er. Und: Deutschland müsse weit mehr für die eigene Verteidigungsfähigkeit ausgeben, übergangsweise auch auf Kredit.
t-online: Herr Schularick, in den USA zeichnet sich ein spannender Wahlkampf ab. Mit welchem Ausgang rechnen Sie?
Moritz Schularick: Da stehen sich bei mir Hoffnung und Realismus gegenüber. Aber wir müssen uns in jedem Fall auf einen Präsidenten Donald Trump mit einem Vizepräsidenten J. D. Vance einstellen.
Welche Auswirkungen hätte das für uns?
Das hätte schwerwiegende Folgen für Deutschland. Das Entscheidende ist die sicherheitspolitische Dimension. Und da ist Trumps Nominierung von Vance ein klares Signal an Europa: Es werden harte Zeiten auf uns zukommen, und wir haben unsere Vorbereitungszeit verschlafen.
Europa muss erwachsen werden und sich selbst und allein um seine Sicherheit kümmern. Sollte Trump gewinnen, wird er kurz darauf die Hilfen für die Ukraine einstellen und einen Friedensvorschlag machen, der für Europa wahrscheinlich nicht akzeptabel sein wird. Dann werden wir uns überlegen müssen, ob wir aus eigener Kraft die Ukraine weiter unterstützen wollen. Aus meiner Sicht sollten wir das. Und dann geht es für uns umso mehr um die Stärkung der Bundeswehr und der europäischen Verteidigung.
Durch das Sondervermögen ist die Finanzierung der Truppe aktuell noch gesichert. Ab 2028 aber klafft eine Lücke von 30 Milliarden Euro im Finanzplan. Ist das seriöse Haushaltspolitik?
Nein, die Bundesregierung macht derzeit keine vernünftige Haushaltspolitik für das, was das Land braucht. Viel mehr noch: Die Haushaltspolitik ist und bleibt ein Sicherheitsrisiko für Europa. Denn es handelt sich um einen Minimalkonsens, der den Frieden innerhalb der Ampel auf Kosten der europäischen Sicherheit aufrechterhält.
Das IfW Kiel dokumentiert seit Langem die Hilfen für die Ukraine. Wie viel mehr müsste Deutschland für die Ukraine ausgeben, sollte ein potenzieller US-Präsident Trump die amerikanischen Zahlungen einstellen?
Das zuletzt zugesicherte Hilfspaket der USA hatte einen Umfang von rund 60 Milliarden US-Dollar, ein erheblicher Teil davon bleibt aber in den USA. Wenn die USA im Falle einer Trump-Präsidentschaft ausfallen, müsste Europa mindestens rund 30 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich aufbringen.
Können wir uns das leisten?
Ja, das können wir. Die Wirtschaftsleistung der EU beträgt rund 17.000 bis 18.000 Milliarden Euro. Die Summe, die nötig ist für eine kampffähige Ukraine, liegt also bei weniger als 0,2 Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ökonomisch ist das machbar. Es geht für Europa als Ganzes nicht um wahnsinnig viel Geld, vor allem gemessen am Ziel, einer militärischen Bedrohung durch Russland entgegenzuwirken. Ob wir das stemmen können, ist daher keine Frage des wirtschaftlichen Könnens, sondern des politischen Wollens. Leider fürchte ich nach den vergangenen Monaten, dass bei vielen in der Politik das nötige Umdenken noch nicht stattgefunden hat und dass einigen Politikern Rentengeschenke für die Wähler wichtiger sind. Das ist keine nachhaltige Politik.