Denver, Düsseldorf Die Preisentwicklung in den USA wird immer dramatischer: Im Januar hat die Inflationsrate den höchsten Wert seit Februar 1982 erreicht, wie das US-Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte. Demnach stiegen die Verbraucherpreise im Jahresvergleich um 7,5 Prozent. Ökonomen hatten im Schnitt mit einem Anstieg um 7,3 Prozent gerechnet. Es conflict das fünfte Mal in sechs Monaten, dass die Inflation über den Erwartungen lag.
Die Preisanstiege waren breit gestreut. Zu den größten Treibern im Januar zählten Benzin, Nahrungsmittel sowie Kosten für Elektrizität und für Wohnraum. „Das Einzige, was derzeit günstig ist, ist Eiscreme“, unkte Diane Swonk, Chefökonomin bei Grant Thornton.
Das drückte auf die Stimmung an den Märkten. Der Leitindex Dow Jones, der breiter gefasste S&P 500 und die Technologiewerte der Nasdaq startete an der Wall Avenue mit deutlichen Verlusten, grenzten diese aber später deutlich ein. Ähnlich entwickelten sich die Preise für die beiden größten Kryptowährungen, Bitcoin und Ether.
Die Rendite auf zehnjährige Staatsanleihen stieg dagegen zum ersten Mal seit 2019 auf über zwei Prozent. Die abrupte Wende in der US-Geldpolitik hatte bereits zu Jahresbeginn zu Verwerfungen an den Märkten geführt. Jetzt befürchten Experten weitere Turbulenzen an den Aktienbörsen, aber auch bei Anleihen.
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Die aktuellen Zahlen erhöhen den Druck auf die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) weiter. Fed-Chef Jerome Powell hatte bereits bei der jüngsten Fed-Sitzung Ende Januar signalisiert, dass die Leitzinsen im März zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie wieder steigen könnten.
Da die Inflation nun noch stärker anzog als erwartet, heizte das auch die Debatte um eine Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte erneut an. Das hatte Patrick Harker, Chef der regionalen Notenbank in Philadelphia, bereits Anfang des Monats in Aussicht gestellt. Klassischerweise liegen die Zinsschritte bei 0,25 Prozentpunkten. James Bullard, Chef der regionalen Fed in St. Louis, stellte am Donnerstag auch Zinserhöhungen zwischen den Notenbank-Sitzungen in Aussicht. Für den Sommer könnte er sich zudem einen Anstieg um einen ganzen Prozentpunkt vorstellen, sagte er dem Finanzdienstleister Bloomberg.
Daraufhin gaben die Aktienkurse übergreifend erneut deutlich nach. Ökonomen wie Mohamed El-Erian, der auch die Allianz berät, haben stets davor gewarnt, zu stark auf die Bremse zu treten und so eine Rezession zu riskieren. El-Erian zufolge hätte die Fed schon vor Monaten ihre ultralockere Geldpolitik beenden müssen. Nun würden gerade diejenigen besonders unter den hohen Preisen leiden, die bereits von der Pandemie stark betroffen waren. „Und das alles hätte verhindert werden können“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt.
„Die Fed wird ab März kurzen Prozess machen“, meint Volkswirt Alexander Krüger vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. Die Experten der Commerzbank gehen mittlerweile davon aus, dass die US-Notenbank auf jeder der noch anstehenden Sitzungen in diesem Jahr die Geldpolitik strafft. Konkret erwarten die Volkswirte sechs Zinserhöhungen um jeweils 25 Basispunkte sowie die Ankündigung, die Anleihebestände zu verringern.
Inflationsfurcht und Sorge um die Reaktion der Notenbanken hatten am Anleihemarkt für den schlechtesten Jahresstart seit Jahren gesorgt. Der ehemalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank Philipp Hildebrand warnt vor weiteren Turbulenzen, auch weil viele jüngere Bondhändler mit einem Wechsel des geldpolitischen Umfelds wenig Erfahrung haben. Die Zentralbanken sollten ihre Pläne zur Straffung der Geldpolitik deshalb rechtzeitig durchblicken lassen.
Immobilienmarkt als wichtiger Preistreiber
Ein wichtiger Treiber für die Inflation in den USA sind Mieten und Häuserpreise, die ein Drittel des Verbraucherpreisindexes ausmachen. Sie stiegen so schnell wie zuletzt 1991, gab Swonk zu bedenken. Im Schnitt stiegen die Mieten im vergangenen Jahr um 14 Prozent. In Städten wie Austin, New York und Miami waren es sogar bis zu 40 Prozent, wie Daten der Maklerfirma Redfin zeigen.
Und Amerikaner müssen sich darauf einstellen, dass die Kosten für Wohnraum auch in diesem Jahr einen immer größeren Anteil ihres Einkommens beanspruchen. Die Fed aus New York erwartet ein Plus von zehn Prozent. Der Makler Zillow geht von intestine 16 Prozent aus.
Gleichzeitig laufen viele Mietendeckel und Moratorien aus, die es Vermietern in der Pandemie verboten haben, Mieter auf die Straße zu setzen, wenn sie mit ihren Zahlungen im Rückstand sind.
Gerade die steigenden Preise für Nahrungsmittel und Wohnraum „unterstreichen unsere Ansicht, dass sich die Inflation rapide beschleunigt“, warnt Andrew Hunter von Capital Economics. Da auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt gerade außergewöhnlich angespannt sei, „ist es unwahrscheinlich, dass sich die Lage in absehbarer Zeit verbessert“. Die Aussicht auf steigende Zinsen hat den boomenden Häusermarkt bereits etwas abgekühlt.
Doch das löst das Drawback nicht: Wenn sich potenzielle Hauskäufer zunehmend die Preise nicht mehr leisten können, werden sie länger mieten und den Druck auf dem Mietmarkt noch erhöhen. Die USA leiden unter einem zu geringen Angebot an Häusern und Wohnungen. Hinzu kommen Mängel bei Baumaterialien sowie bei Arbeitskräften.
Angespannter Arbeitsmarkt
Das geringe Angebot an Häusern führt zu einem Teufelskreis. Besitzer bleiben in ihren Häusern, auch wenn sie sich gern vergrößern oder verkleinern wollen – weil sie keine erschwinglichen Alternativen finden. Das erhöht die Preise für die wenigen Häuser, die auf den Markt kommen, und sorgt gleichzeitig dafür, dass Amerikaner aus dem Markt ausgepreist werden. Das wiederum führt auch zu steigenden Mieten.
Was Ökonomen zur US-Inflation sagen
Auch für die Fed ist das ein Drawback: Schließlich habe die Notenbank nicht die richtigen Werkzeuge, um einem knappen Angebot auf dem Wohnungs- und Häusermarkt entgegenzuwirken, gibt Rick Rieder, Investmentchef des Vermögensverwalters Blackrock, zu bedenken. „Es ist schwierig für die Fed, die Mieten zu drücken, wenn das Angebot zu knapp ist“, sagte er im US-Börsensender CNBC.
Steigende Preise für Wohnraum seien deutlich weniger volatil als Kosten für Nahrungsmittel und Benzin etwa. Somit werde sich die angespannte Lage am Immobilienmarkt noch eine ganze Weile auf die Inflationszahlen auswirken, auch wenn andere Faktoren sich in den kommenden Monaten abschwächen. Das gleiche Argument gelte für die Lohnentwicklung.
Die Arbeitslosenquote conflict in den Vereinigten Staaten zuletzt auf 3,9 Prozent gefallen. In praktisch allen Branchen suchen die Unternehmen nach Mitarbeitern. Der Mangel an Fachkräften führt stellenweise auch dazu, dass viele Firmen nicht so schnell expandieren können, wie sie es gern würden.
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