Bundesverfassungsgericht
US-Drohnen via Ramstein und die Frage nach der Schutzpflicht
Aktualisiert am 17.12.2024 – 12:57 UhrLesedauer: 2 Min.
In einem Dorf im Jemen wurden 2012 bei einem US-Drohnenangriff zwei Zivilisten getötet. Ihre Verwandte ziehen daraufhin vor Gericht – in Deutschland. Welche Verantwortung trägt die Bundesrepublik?
Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Deutschland eine Schutzpflicht für Menschen im Jemen hat, wenn die USA dort unter Nutzung der pfälzischen US-Air-Base Ramstein bewaffnete Drohnen einsetzt. In Karlsruhe verhandelt der Zweite Senat des obersten deutschen Gerichts am Dienstag zu einem Fall, der schon seit mehr als zehn Jahren die deutsche Justiz beschäftigt. Ein Urteil wird erst in einigen Monaten erwartet.
Konkret geht es um die Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Staatsangehörigen, deren Verwandte 2012 durch einen US-Drohnenangriff in ihrem Heimatort ums Leben kamen. Die beiden Opfer – laut der Beschwerdeführer ein Polizist und ein Geistlicher, der gegen die Terrororganisation Al-Kaida in der Region gepredigt hatte – wurden damals bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Al-Kaida-Mitgliedern getötet.
Seit 2014 gehen ihre Angehörigen rechtlich gegen die Drohneneinsätze der USA vor – an deutschen Gerichten. Denn die Kläger sehen aufgrund der für die Einsätze bedeutenden Rolle der Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz auch die Bundesregierung in der Verantwortung.
Die Gerichte waren sich dazu bislang teils uneinig. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster verurteilte die Bundesrepublik 2019 dazu, künftig aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. Das Bundesverwaltungsgericht machte die OVG-Entscheidung aber im Jahr darauf wieder rückgängig.
Am Bundesverfassungsgericht berufen sich die Beschwerdeführer nun auf ihr im Grundgesetz festgeschriebenes Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Bundesrepublik habe ihre Schutzpflichten verletzt. Denn die gelte auch für im Ausland befindliche Ausländer. (Az. 2 BvR 508/21)
Ob es eine solche extraterritoriale Schutzpflicht tatsächlich geben kann und unter welchen Umständen, waren zentrale Fragen der mündlichen Verhandlung. Die Bundesregierung bestreitet eine solche Schutzpflicht im vorliegenden Fall. Unter anderem liege kein qualifizierter Bezug zum Inland vor.
Zur Nutzung der Air Base Ramstein befinde man sich mit den USA in einem „fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog“, so das Verteidigungsministerium. „Die Bundesregierung hat dabei wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.“
Den Klägern reichen die bisherigen Konsultationen aber nicht aus. „Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden“, erklärte Rechtsanwalt Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Die Basis werde von den US-Streitkräften als Knotenpunkt im globalen Drohnenprogramm genutzt. „Die ganzen Daten zu den Drohnen hin und von den Drohnen zurück laufen über Ramstein. Um das in Echtzeit steuern zu können, aus den USA, bedarf es Ramstein“, sagt Schüller.
Das ECCHR unterstützt im Verfahren die beiden Beschwerdeführer, die demnach weiterhin im Jemen wohnen. Seit dem Angriff auf ihre Verwandte vor zwölf Jahren gebe es weiter kontinuierlich Drohnenüberflüge und auch immer wieder Angriffe in der Region, so Schüller. „Das ist für die Beschwerdeführer kein Zustand, in dem sie leben können und wollen. Es ist eine permanente psychische Bedrohung, eine Bedrohung für ihr Leben.“