Auf das Urteil im Prozess gegen Björn Höcke warteten viele Menschen. Eine versehentlich veröffentlichte Eilmeldung irritierte dann viele Leser.
Falls Richter Jan Stengel noch seinen Kaffee trank, musste er vermutlich aufpassen, sich nicht zu verschlucken: Um 8.52 Uhr, kurz vor Beginn des vierten Prozesstags gegen Björn Höcke, an dem das Urteil fallen soll, meldete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) in einer Eilmeldung den angeblichen Ausgang – Höcke sei zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Urteil fiel allerdings erst um kurz nach 19 Uhr.
Damit ist der „FAZ“ eine heikle Panne unterlaufen. Laut Redaktion handelte es sich um eine vorbereitete Eilmeldung, die dann verschickt werden sollte, wenn ein Urteil gefallen ist. Das ist im Onlinejournalismus nicht ungewöhnlich, wo es vielfach darum geht, möglichst als Erster eine wichtige Nachricht zu veröffentlichen, die auf großes Leserinteresse stößt. Auch die Redaktion von t-online bereitet teilweise verschiedene Fassungen von Eilmeldungen vor, die je nach Ausgang eines Ereignisses verschickt werden können.
Bei der „FAZ“ wurde eine solche Meldung nun aus Versehen jedoch bereits veröffentlicht, ehe der Prozesstag überhaupt begonnen hatte. Schlimmer noch: Erst nach einer Stunde wurde der falsche Text gelöscht. Zur Höhe der vermeldeten Geldstrafe stand im Text auch noch nichts – das sollte offenbar dann ergänzt werden, wenn tatsächlich ein Urteil gefallen ist und die Meldung planmäßig veröffentlicht werden sollte.
„Bei der AfD muss man besonders sorgfältig arbeiten“
Wie kam es dazu? „FAZ.net“-Ressortleiter Cai Tore Philippsen sagte t-online: „Ein Kollege hat eine Meldung mit dem wahrscheinlichsten Fall vorbereitet und statt auf Speichern auf Veröffentlichen geklickt.“ Genutzt und angepasst habe der Kollege einen Vorbericht der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Deshalb stand deren Kürzel unter dem Text der Meldung. Weil dem Text auf der „FAZ“-Homepage noch kein Platz zugewiesen war, sei er dann zwar veröffentlicht gewesen, aber nicht prominent sichtbar. Im Web und über Google war er jedoch zugänglich. „Es fiel zunächst nicht auf.“ Ein solcher Fehler sei sehr ärgerlich, „aber er ist noch mal ärgerlicher, weil es die AfD und Höcke betrifft. Da muss man besonders sorgfältig arbeiten“. Dort wird auf Fehler von Medien geradezu gewartet.
Höcke war angeklagt, weil er im Mai 2021 in Merseburg bei einer Kundgebung „Alles für Deutschland“ sagte und die Staatsanwaltschaft ihm vorwirft, mit Absicht das Motto der Sturmabteilung (SA) der NSDAP genutzt zu haben – der Vorwurf lautet: das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Höcke bezeichnet sich als unschuldig.
Viele Leser hielten die „FAZ“-Meldung tatsächlich für eine brandheiße Neuigkeit vom Ausgang des Prozesses, bei dem das Urteil noch lange nicht absehbar war: Richter Stengel fragte sogar während des Prozesstags, ob der „FAZ“-Journalist anwesend sei. Er stellte klar, dass es noch kein Urteil gebe. Es seien ja „zum Glück ein paar Leute hier“, die das bestätigen könnten. Um kurz nach 19 Uhr verkündete er dann: Höcke ist schuldig, verurteilt zu 100 Tagessätzen a 130 Euro.
Staatsanwaltschaft forderte sechs Monate auf Bewährung
Der Prozesstag hatte damit begonnen, dass weitere Beweise gezeigt wurden, Stengel ließ, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, ein Video aus Gera zeigen. Dort hatte Höcke bei einer Kundgebung das Publikum animiert, die Parole „Alles für …“ zu vervollständigen.
Die Verteidigung ließ noch den Historiker Karlheinz Weißmann als „sachverständigen Zeugen“ befragen. Der langjährige Kopf des vom Verfassungsschutz beobachteten und gerade aufgelösten „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda sollte belegen, dass „Alles für Deutschland“ keine zentrale NS-Parole war. Nach einer Mittagspause bis 14.30 Uhr wurde die Verhandlung fortgesetzt.
Die Anklage forderte sechs Monate Haft auf Bewährung und eine Geldauflage von 10.000 Euro an Aussteigerprogramme oder Demokratieprojekte. Die Verteidigung forderte einen Freispruch und beklagte, mit dem Prozess finde eine „Kriminalisierung von Sprache“ statt, „Alles für Deutschland“ sei nur „Ausdruck heißer Liebe zum eigenen Land“.
Höcke hatte sich für ein letztes Wort, das ihm als Angeklagter zusteht, offenbar Notizen gemacht, die ein Fotograf ablichtete. Am vorletzten Prozesstag hatte ihn das Gericht noch davor gewarnt, offen herumliegende Dokumente könnten fotografiert werden.