Schmerzen im Brustbereich können einen Herzinfarkt ankündigen und sollten sofort abgeklärt werden. Doch was ist, wenn der Arzt die Ursache nicht findet?
Ein Herzinfarkt ist in den meisten Fällen die Folge einer fortschreitenden Koronaren Herzkrankheit (KHK). Sie führt dazu, dass Ablagerungen aus Cholesterin, Kalk, Entzündungszellen und Bindegewebe zunehmend die Blutgefäße verstopfen. Dann wird das Herz nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt und es kann zum Herzinfarkt kommen.
Neben einer KHK können auch Verengungen der winzigen Herzgefäße (Mikrogefäße) Herzbeschwerden verursachen, die einen Infarkt zur Folge haben können. Oft bleiben sie jedoch lange Zeit unentdeckt und die Patienten erhalten die unbefriedigende Diagnose „unklare Herzschmerzen“.
„Unklare Herzschmerzen“ sind gefährlich und können lebensbedrohliche Folgen haben, im schlimmsten Fall einen Herzinfarkt mit tödlichem Ausgang. „Besonders wichtig ist deshalb, dass jeder seine persönlichen Gesundheitswerte wie LDL-Cholesterin, Blutzucker und Blutdruck kennt, um sein individuelles Herzinfarkt-Risiko zu verringern“, sagt Professor Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung.
„Ebenso wichtig sei es, die Anzeichen einer Erkrankung der Herzkranzgefäße, die sich bereits lange vor dem Infarkt unter körperlicher Belastung mit Symptomen wie Atemnot, Brustenge und Brustschmerzen bemerkbar machen können, zu kennen.
„Wer einen Herzinfarkt erleidet, kann sein Herz vor irreparablen Schäden und Komplikationen bis hin zum Tod nur schützen, indem er oder sie bei Verdacht auf Herzinfarkt sofort den Rettungsdienst mit dem Notruf 112 alarmiert“, sagt Voigtländer, der Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Krankenhauses in Frankfurt am Main ist.
Beim Herzinfarkt zähle jede Minute, weil der Infarkt jederzeit in bösartige Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern übergehen kann. Sie können zum Herzstillstand führen und nach wenigen Minuten den Tod bedeuten.
Herzinfarkte ereignen sich meist zu Hause. Daher ist es wichtig, bei Bewusstlosigkeit und fehlender Atmung bereits dort mit der Wiederbelebung zu beginnen. Das über den Notruf herbeigerufene Rettungsteam kann dann mit einem Defibrillator das flimmernde Herz wieder in seinen normalen Rhythmus und den Patienten anschließend sofort in die nächstgelegene Klinik zur Infarktversorgung bringen.
Experten schätzen, dass bei etwa 50 Prozent der Patienten mit Verdacht auf KHK und Angina-Pectoris-Symptomen (Brustschmerzen), keine typischen Verengungen der Herzkranzgefäße vorliegen, die sich durch eine Herzkatheteruntersuchung entdecken lassen.
In diesen Fällen liegt die Ursache der Beschwerden meist in einer Fehlfunktion der winzigen Herzgefäße. Die Folge sind Herzschmerzen und eine eingeschränkte Belastbarkeit der Patienten. Mediziner sprechen hier von einer koronaren mikrovaskulären Dysfunktion (CMD) oder mikrovaskulären Angina, die zu einer eingeschränkten Dehnbarkeit oder zur Verkrampfung der kleinen und kleinsten Herzgefäße führt.
„Betroffene mit Symptomen der mikrovaskulären Angina wie Brustschmerzen, Brustenge und Atemnot schon bei geringer körperlicher Belastung unterliegen einem hohen Leidensdruck“, sagt Voigtländer. Häufig werde aufgrund des fehlenden Befunds in den großen Herzkranzgefäßen auch auf eine psychische Erklärung ausgewichen.
Besonders wichtig sei daher eine weitergehende Diagnostik, damit die eigentliche Ursache – nämlich eine mögliche Fehlfunktion der kleinen und kleinsten Herzkranzgefäße – entdeckt werde. Nur so könne auch rasch die passende Therapie gefunden werden.
„Wie bei der KHK, liegen den Erkrankungen der Mikrogefäße des Herzens Risiken wie Bluthochdruck, hohes LDL-Cholesterin, Diabetes oder genetische Faktoren zugrunde, die eine entsprechende Behandlung mit Medikamenten und Veränderungen des Lebensstils erfordern“, sagt Voigtländer.
Frauen seien aufgrund hormoneller Unterschiede und der unterschiedlichen Herzanatomie, die sich durch kleinere Herzen und kleinere Gefäße auszeichnet, häufiger von mikrovaskulärer Angina betroffen als Männer.
Bis eine mikrovaskuläre Angina mithilfe bildgebender Verfahren wie Herz-Ultraschall, MRT oder Positronenemissionstomografie/PET) diagnostiziert wird, haben viele Betroffene eine Arztpraxen-Odyssee hinter sich. Entsprechend hoch ist der Leidensdruck, weil die Belastbarkeit im Alltag aufgrund der immer wieder auftretenden Beschwerden, Atemnot und Brustschmerzen eingeschränkt ist.
Der Kardiologe Professor Peter Ong, Oberarzt der Abteilung für Kardiologie und Angiologie des Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart, ist Experte auf dem Gebiet der mikrovaskulären Angina. Er kritisiert, dass besonders bei der Diagnostik der Blick zu stark auf den großen Herzgefäßen liege.