Krise der Ampel
Union lobt Lindner – SPD und Grüne halten an Koalition fest
Aktualisiert am 03.11.2024 – 12:56 UhrLesedauer: 4 Min.
Die Konjunkturflaute hat die Fliehkräfte in der Ampel verstärkt. Übersteht die Koalition die abschließenden Beratungen zum Haushalt 2025? Söder will schon das „Totenglöckchen“ läuten gehört haben.
Die Union hat FDP-Chef Christian Lindner für seine jüngsten Vorschläge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik mit Lob geradezu überschüttet. Politiker von CDU und CSU verknüpften das umgehend mit dem erneuten Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen. Aus den Reihen seiner Koalitionspartner wird der Bundesfinanzminister dagegen vor allem ermahnt, sich auf seinen Job zu konzentrieren. Spitzenvertreter von SPD und Grünen machten deutlich, dass sie an dem Regierungsbündnis festhalten wollen.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken ließ gleichwohl Zweifel erkennen, ob die Koalition bis zum regulären Wahltermin am 28. September 2025 hält. „Niemand will im Augenblick eine Prognose wagen, wann genau die nächste Bundestagswahl stattfindet. In der Koalition, das ist nicht von der Hand zu weisen, brennt gerade die Hütte“, sagte sie bei einer SPD-Veranstaltung in Hamburg.
Lindners Forderungen lehnte sie klar ab: „Durch die Bank sind diese Punkte, die er dort aufgezählt hat, in der Koalition nicht zu verwirklichen.“ Co-SPD-Chef Lars Klingbeil bekräftigte, wenn es darum gehe, „die Reichen werden jetzt reicher“ und die arbeitende Mitte solle weniger Lohn haben, länger arbeiten und später weniger Rente bekommen, werde die SPD „an keiner Stelle mitmachen“.
Der Bewerber für den Grünen-Vorsitz, Felix Banaszak, verglich die Ampel-Koalition mit einer Ehe im Trennungsjahr. Im ZDF sagte er: „Die Liebe kommt nicht wieder, aber man hat noch Verantwortung für die Kinder. Und ich finde, dieser Verantwortung sollte man erst mal gerecht werden.“

Klingbeil erinnerte die Koalition an ihre Verantwortung. „Ich merke, dass gerade in diesen Tagen das politische Berlin supernervös ist und viel spekuliert wird, wie es weitergeht“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. „Aber genau das ist es, was die Menschen in diesem Land nervt. Mich übrigens auch“, fügte er hinzu. Viele Menschen hätten angesichts der Wirtschaftslage Sorgen oder sähen sogar ihren Arbeitsplatz gefährdet.
„Und da wollen sie eine Regierung sehen, die sich nicht jeden Tag um sich selbst dreht, sondern die alles dafür tut, um diese Arbeitsplätze zu retten“, betonte Klingbeil. „Ich bin da mehr bei meinem FDP-Kollegen Volker Wissing: Regieren ist nicht einfach, aber wir tragen eine Verantwortung, dass es gelingt.“
Bundesverkehrsminister Wissing hatte sich am Freitag in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für den Verbleib seiner Partei in der Koalition ausgesprochen. Kurz darauf wurde Lindners Wirtschaftspapier bekannt.
Darin fordert der FDP-Chef eine „Wirtschaftswende“ mit einer „teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen“. Konkret ist von einem sofortigen Moratorium zum Stopp aller neuen Regulierungen die Rede. Weiter heißt es, als Sofortmaßnahme sollte der Solidaritätszuschlag für alle entfallen, und nationale Klimaziele müssten durch europäische ersetzt werden.

Das Papier enthalte Vorschläge, die zum Teil wörtlich aus Anträgen übernommen seien, die die Unionsfraktion in den vergangenen zwei Jahren in den Bundestag eingebracht hätte, schreibt CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz in seinem E-Mail-Newsletter „MerzMail“. „Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.“
„Der Finanzminister hat ein mutiges Papier vorgelegt, das die desaströse Lage unserer Wirtschaft schonungslos analysiert und grundsätzlich die richtigen angebotspolitischen Antworten gibt“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der Deutschen Presse-Agentur.
Allerdings seien Lindners Vorschläge „das glatte Gegenteil von dem, was die Ampel seit drei Jahren macht“ und nicht in Einklang zu bringen mit den „schuldenfinanzierten Staatsfonds-Ideen“ von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), so Frei. Vielmehr sei Lindners nun bekanntgewordenes Papier eine „Kampfansage an die Grünen“.