Am Sonntag lagen sich die Ungarn nach ihrem späten Siegtor in den Armen. 72 Stunden später müssen sie die Heimreise planen. Der Modus ist schuld.
Das Wort „emotional“ wäre wohl untertrieben, um den vergangenen EM-Sonntag Ungarns zu beschreiben. Mit null Punkten ging das Team von Trainer Marco Rossi in das letzte Gruppenspiel. Das vorzeitige Aus drohte.
Nach 68 Minuten mussten die Ungarn beim Stand von 0:0 zusehen, wie Teamkollege Barnabas Varga schwer verletzt unter einem Sichtschutz behandelt wurde. Ein Schock, der den Spielern anzumerken war.
Dennoch schafften sie es zu siegen. In der zehnten Minute der Nachspielzeit wurden sie belohnt. Der ungarische Fanblock explodierte vor Freude. Bierbecher flogen, fremde Menschen lagen sich in den Armen, weinten vor Glück und feierten einen dramatischen Sieg, an den Minuten zuvor nicht zu denken war.
Drei Tage später wissen die Ungarn: Sie haben sich zu früh gefreut. Ungarn hat das Achtelfinale verpasst. Nur die vier besten Gruppendritten kommen weiter. Ungarn war Fünfter. 72 Stunden lang wartete das Team um Leipzigs Willi Orbán, bangte und hoffte, um am Ende doch die Heimreise antreten zu müssen. Ein absurdes Schauspiel, das die Schwächen des EM-Modus aufzeigt.
Seit 2016 sind bei der EM 24 statt 16 Teams dabei. Sie sind auf sechs statt vier Gruppen aufgeteilt. Zuvor war es direkt ins Viertelfinale gegangen, doch damals führte die Uefa mit dem neuen Modus ein Achtelfinale ein. Das Ziel: mehr Teams, mehr Spiele, mehr Geld. Auf der Strecke blieb die Gewissheit.
Seitdem zeigt sich bei jedem Turnier aufs Neue, wie schmerzhaft dieses System für einzelne Nationen und ihre Fans ist. 2016 musste Albanien drei Tage auf sein Aus warten. Fünf Jahre später zitterte Finnland 48 Stunden lang, um am Ende doch nach Hause fahren zu müssen.
Das ist weder im Sinne des Turniers noch im Sinne des Sports. Denn zusätzlich sind die betroffenen Teams oft auch Opfer der Konstellation in den anderen Gruppen.
So auch im Fall Ungarn: Bis zu den Spielen der Gruppe F war Ungarn als viertbester Gruppendritter eine Runde weiter. Portugal, bereits vor dem Anpfiff sicherer Gruppensieger, hätte nur ein Unentschieden gegen den krassen Außenseiter Georgien holen müssen. Doch das Team um Cristiano Ronaldo enttäuschte mit einer halbherzigen Leistung, wurde von seinem Gegner überrannt.
Portugal selbst konnte das egal sein, an Platz eins für seine Mannschaft hat das nichts verändert. Aber für Ungarn war es der finale Schlag einer dreitägigen Warterei. Besser wäre es, die Uefa würde entweder den alten Modus wieder einführen oder das Turnier auf 32 Nationen erweitern, womit wieder nur die ersten beiden Teams jeder Gruppe weiterkämen. Dann wäre dieses Trauerspiel endlich vorbei.