Als Schauspielerinnen können sie Emotionen auf Abruf vortäuschen. Soma Pysall und Lea van Acken sprechen über Gefühlskontrolle, Teenager-Dramen und soziale Medien.
In der neuen Hörspiel-Serie „Pretty Dead Girl“, verfügbar bei Audible, spricht Soma Pysall, bekannt aus dem ARD-„Tatort“ oder „Para – Wir sind King“, die Rolle einer ermordeten Teenagerin. Lea van Acken, bekannt aus „Das Tagebuch der Anne Frank“, spielt eine von mehreren Freundinnen, die den Mord aufklären wollen. Im Gespräch mit t-online erzählen die Schauspielerinnen von ihren eigenen Erfahrungen als Teenager, warum Kinder und Schauspielerei gute Lehrer sind und wie soziale Medien die eigene Selbstwahrnehmung beeinflussen.
t-online: Frau van Acken, die Protagonistinnen in „Pretty Dead Girl“ gehen noch zur Schule. Es geht um Neid unter Freundinnen und um Geld. Ihre eigene Teenagerzeit liegt noch nicht so lange zurück. Wie haben Sie die in Erinnerung?
Lea van Acken: Wesentlich undramatischer. Trotzdem schien damals alles ein bisschen wichtiger zu sein. Wenn man älter wird, merkt man aber, dass das Leben nicht immer gerecht ist. Und dass das, was mir als Teenager noch existenziell erschien, heute gar nicht mehr von Bedeutung ist.
Wie war das bei Ihnen, Frau Pysall?
Soma Pysall: Ich erinnere mich daran, dass man sich als Teenager im Lebensdrama suhlte, Geschichten spannender erzählte, als sie waren, oder stets hinter dem nächsten Nervenkitzel hinterher war.
Van Acken: Stimmt, für Teenager geht es um den Nervenkitzel, um den Puls, der rast. Darum ging es auch, wenn man in der Schule verknallt war.
Es geht im Hörspiel nicht nur um Liebesdrama, sondern auch um sexuelle Gewalt und um den Mord an einer jungen Frau. In Deutschland ist jede dritte Frau von sexueller und/oder körperlicher Gewalt betroffen. Was hat die Geschichte in Ihnen ausgelöst?
Van Acken: Gewalt gegen Frauen ist ein Thema, mit dem ich mich generell beschäftige. Im Hörspiel habe ich eher die emotionalen Verstrickungen der Charaktere gesehen und die Geschichte weniger auf andere Themen übertragen.
Kann man sie auf andere Themen übertragen, etwa auf Femizid, den Mord an einer Frau durch den aktuellen oder einen früheren Lebenspartner?
Pysall: Für mich spielt das Thema in diesem Hörspiel keine Rolle. Es geht eher darum, wie schnell Eifersucht eskalieren kann, wie besitzergreifend Menschen untereinander werden können und sich sogar das Recht nehmen, einen anderen Menschen zu töten. Es geht auch um Selbstjustiz.
Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, wie Sie reagieren würden, wenn in Ihrem Freundeskreis eine Freundin Gewalt erführe oder stürbe?
Van Acken: Ja. In Filmen erhalten Betroffene oft die Nachricht und fangen sofort an zu weinen. Aber eigentlich kann man den Tod erst einmal gar nicht fassen. Die einen reagieren mit Schock. Andere leugnen ihn.
Wer sind die Menschen, um die Sie Angst haben?
Van Acken: Alle, die mir lieb sind. Wenn ich länger nichts von einer Freundin gehört habe, die auf Reisen ist, denke ich: „Oh Gott, hoffentlich nichts passiert.“ Es ist die Unberechenbarkeit des Lebens, die diese Angst auslöst: Man kann sich auf vieles vorbereiten und in Aktion treten. Es gibt aber auch Dinge, die hat man nicht in der Hand. Die passieren einfach.
Pysall: Das ist aber auch das Magische am Leben.
Van Acken: Es ist brutal und magisch zugleich.
Pysall: Ich denke, es geht darum, sich im Ungewissen wohlzufühlen. Als Schauspielerin kann ich mich zwar in alles Mögliche einlesen, mich mental in Figuren hineinbegeben, aber am Ende stehe ich da, lasse los und dann kann alles passieren. Genau da entsteht die „Magie“, die ich meine. Immer dann, wenn ich mich von meinen konkreten Erwartungen befreie – an mich selbst, an mein Umfeld, an eine Situation. Deswegen versuche ich, das Hier und Jetzt zu genießen – und spielerischer zu sein. Das haben Kinder uns voraus: dass sie befreit von allem spielen können.