Wer einem anderen die Vorfahrt nimmt, trägt die Schuld an einem Unfall. Aber gilt das immer? Ein Gericht hat entschieden.
Ein Autounfall ist schnell passiert und die Schuldfrage ist oft klar. Doch was passiert, wenn ein Autofahrer einem anderen zwar die Vorfahrt genommen hat, dieser aber deutlich zu schnell unterwegs war? Ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken gibt interessante Einblicke in diese komplexe Situation.
Grundsätzlich spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass derjenige, der einem anderen die Vorfahrt genommen hat, für den Unfall verantwortlich ist. Dieser Grundsatz kann jedoch durchbrochen werden, wenn der Vorfahrtsberechtigte zu schnell fährt. Das Landgericht Saarbrücken hat in einem konkreten Fall entschieden, dass in solchen Situationen eine Mitschuld gegeben sein kann.
In dem verhandelten Fall hatte ein Autofahrer an einem Stoppschild angehalten und war weitergefahren, weil er dachte, die Straße sei frei. Er kollidierte jedoch mit einem Motorradfahrer, der plötzlich auftauchte und in die Seite des Autos fuhr. Der Autofahrer verlangte von dem Motorradfahrer Schadenersatz, da dieser zu schnell gefahren sei und dadurch den Unfall verursacht habe. Außerdem argumentierte er, dass er das Motorrad wegen einer Straßenkuppe nicht sehen konnte.
Das Gericht gab dem Autofahrer teilweise Recht. Obwohl der erste Anscheinsbeweis in der Regel gegen den Wartepflichtigen spricht, wurde in diesem Fall die überhöhte Geschwindigkeit des Motorradfahrers berücksichtigt. Ein Sachverständiger ermittelte eine mögliche Geschwindigkeit von 75 km/h und stellte fest, dass der Unfall bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h vermeidbar gewesen wäre. Das Gericht entschied daher, dass den Motorradfahrer eine Mitschuld von einem Drittel trifft.