Der SPD-Politiker Gerhard Schröder polarisiert. Wegen seiner Freundschaft mit Putin wenden sich Weggefährten ab. Doch er verteidigt sie vehement.
Seinen 70. Geburtstag hatte Gerhard Schröder noch mit Freund Wladimir Putin in Sankt Petersburg nachgefeiert. Anlässlich seines 80. am kommenden Sonntag gewährte der Altkanzler ARD-Reporter Lucas Stratmann einen Einblick in sein Leben „a. D.“.
Sechs Monate lang nahm er den Journalisten dafür zu ausgewählten Anlässen mit. In „Außer Dienst? – Die Gerhard Schröder-Story“ sieht man den Kanzler auf dem Golfplatz, bei einer Fabrikbegehung in China, wie er mit Flughafenmitarbeitern scherzt oder in seinem Stammlokal mit Freunden und Wegbegleitern.
Schröder dämpft Erwartungen
Immer an seiner Seite: Ehefrau Soyeon Schröder-Kim, die ihm vor Auftritten mit der Hand das Jackett fusselfrei wischt, bei Treffen mit Politikern Protokoll führt und bei allen Gesprächen mit Stratmann selbst mitfilmt, wie der berichtet. Außerdem immer dabei: zwei Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die den Altkanzler beschützen sollen.
„Das war wieder der übliche Fehler, den ich gelegentlich mache“, sagt Schröder selbstkritisch, nachdem er auf dem Golfplatz einen Ball mit falschem Eisen geschlagen hat. „Strategisch falsch“, fügt er hinzu.
Schröder will „besonderes Verhältnis“ zu Putin behalten
So kritisch wie auf sein Golfspiel blickt er auf seine Freundschaft mit Kremlchef Wladimir Putin nicht, im Gegenteil: Zu ihr steht Schröder nach wie vor. Mit Blick auf die Rolle, die er bei einer Beendung des Ukraine-Krieges spielen könnte, dämpfte er allerdings mögliche Erwartungen.
Mehr als zu einer Verhandlungslösung beitragen könne er nicht, erklärte der Altkanzler. Seine Möglichkeiten als „jemand, der mal Regierungschef war“ seien begrenzt. In einem Nebensatz fügt er über sich hinzu: „Wenn auch mit einem besonderen Verhältnis zum russischen Präsidenten – das soll auch bestehen bleiben.“
Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz seien diejenigen, die in Europa eine diplomatische Lösung des Konflikts hätten finden können, so Schröder. Eine militärische Lösung werde es seiner Auffassung nach für beide Seiten nicht geben.
Altkanzler: In Russland gibt es freie Wahlen
Während es eigentlich der Reporter Stratmann ist, der versucht, mit kritischen Fragen zu ergründen, was den Altkanzler antreibt, gibt es auch einen Moment, in dem Schröder den Spieß umdreht. Er schlüpft in die Rolle des Interviewers.
Dazu kommt es, als es um das Thema Demokratie in Russland geht. Auf Nachfrage räumt Schröder ein, es habe sich „nicht bewahrheitet“, dass Putin Russland zu einer ordentlichen Demokratie gemacht habe. Obwohl er in der Vergangenheit davon überzeugt gewesen sei, dass er das tun werde. Freie Wahlen gebe es jedoch, bemerkte der Altkanzler.
„Aber keine freien Oppositionen“, entgegnete Stratmann. Das stimme zwar, aber verboten seien sie auch nicht, so Schröder. Als der Journalist darauf hinweist, dass sich die Situation in den vergangenen 20 Jahren in Russland nicht verbessert habe, bemerkt der SPD-Mann: „Nein, es wird aber auch nicht besser durch unser Gespräch!“
Schröder nimmt Stratmann in die Mangel
Im Folgenden hat Stratmann Mühe, ein Wort unterzubringen, denn Schröder nimmt ihn in die Mangel: Ob sich die Lage denn verbessere, wenn man sich von Russland abgrenze, fragt der Altkanzler immer wieder und erklärt, er werde immer für „Gesprächsbereitschaft“ sein.
Auf eine Abgrenzung wolle er überhaupt nicht hinaus, stellt Journalist Stratmann mehrfach klar und kriegt seine Frage dann doch noch unter: Wie Schröder darauf hinwirken wolle, dass sich Russlands Einstellung verbessere? Man solle sich nicht überschätzen, entgegnet Schröder. Es sei ein Irrtum zu glauben, er könne die Situation „völlig veränderbar“ machen.
Neben seiner politischen Rolle geht es in der Dokumentation auch immer wieder darum, wie sich Schröder damit fühlt, dass sich die Führung der eigenen Partei und andere aufgrund seiner Russlandnähe von ihm distanziert haben.