Bei dem Treffen im Kanzleramt zwischen Scholz, Macron und Tusk präsentierten die drei Länderchefs Einigkeit. Doch ob die von Dauer ist, bezweifelt ein Experte.
Knapp drei Wochen nach ihrem offenen Konflikt über die Ukraine-Strategie sind Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron in Berlin zu Beratungen zusammengekommen. Kurz vor dem Treffen im Kanzleramt bekräftigten beide Seiten ihre Positionen: Macron will weiterhin alle Optionen der Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte auf dem Tisch lassen – auch den Einsatz westlicher Bodentruppen. Scholz schließt die Entsendung von Soldaten dagegen weiterhin kategorisch aus.
Macron hatte auf einer Ukraine-Konferenz vor etwa drei Wochen erstmals öffentlich nicht ausgeschlossen, Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden. Scholz schloss in den Tagen danach eine Entsendung deutscher Truppen mehrfach dezidiert aus. Macron erwiderte kurze Zeit später in Prag und mahnte vor Feigheit. Einige Beobachter deuteten dies als Anspielung auf Scholz, dem regelmäßig Zögern – etwa bei Taurus – vorgeworfen wird.
An diesem Freitag bemühten sich Scholz und Macron hingegen darum, Einigkeit zu demonstrieren. „Wir alle drei meinen es ernst mit unserer Unterstützung der Ukraine“, sagte Scholz nach den Beratungen mit dem französischen Präsidenten und dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk. „Mehr denn je gilt: Unsere Einheit ist unsere Stärke. Und gerade unseren drei Staaten – Deutschland, Polen und Frankreich – wächst dabei eine besondere Verantwortung zu.“ Solidarität und gemeinsames Handeln seien unverzichtbar, um Frieden und Freiheit in Europa zu verteidigen.
Im Westen nichts Neues
Jacob Ross, Analyst bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. und spezialisiert auf das Deutsch-Französische-Verhältnis, analysiert für t-online: „Alle drei haben sich, wie erwartbar, auffällig Mühe gegeben, Einigkeit und Geschlossenheit zu signalisieren. Dass Donald Tusk sagte, damit seien die bösartigen Meldungen über Meinungsverschiedenheiten widerlegt, wirkte dabei schon fast skurril – dass es Meinungsverschiedenheiten gab, war überdeutlich.“
Auch bei den konkreten Ankündigungen habe es laut Ross „wenig Überraschendes, gleichwohl beruhigende Aussagen gegeben“. Scholz hatte angekündigt, dass man nun zur Unterstützung der Ukraine weltweit Waffen und Munition kaufen wolle. „Offensichtlich hat Macron bei der Munitionsbeschaffung tatsächlich nachgegeben, stellt die EU-Souveränität hinten an und fügt sich der pragmatischen Linie, dort zu beschaffen, wo es Bestände gibt. Auch wenn das außerhalb der EU ist“, sagt Ross. Dem Experten zufolge bleibt abzuwarten, ob die präsentierte Geschlossenheit tatsächlich zu Verbesserungen führen werde.
Auch eine eindeutige Positionierung zu möglichen Bodentruppen in der Ukraine steht derzeit noch aus. Während Polens Außenminister Radosław Sikorski Macrons Vorstoß über X unterstützte, schloss Regierungschef Tusk die Entsendung polnischer Truppen vorerst aus. Er äußerte sich jedoch nicht dazu, welche Haltung seine Regierung dazu einnehmen würde, wenn andere Nato-Länder Truppen in Polens östliches Nachbarland entsenden würden.