Vor der russischen Botschaft in Berlin sitzt der Schock über den Anschlag bei Moskau tief. Einige Trauernde haben persönliche Beziehungen zu Betroffenen.
Die große Flagge auf der russischen Botschaft in Berlin weht auf halbmast. Immer wieder kommen Menschen mit Blumen oder Grablichtern zu dem Gebäude unweit des Brandenburger Tors. Da der Bürgersteig vor der Botschaft seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abgesperrt ist, nimmt ein Polizist die Blumen entgegen und legt sie am Zaun ab.
Der Schock über den Terroranschlag auf eine Konzerthalle bei Moskau steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Einige weinen, andere unterhalten sich leise. In der „Crocus City Hall“ sollte am Freitagabend die bekannte Rockgruppe Piknik auftreten. Bei dem Angriff sind mehr als 100 Menschen getötet worden. Alle aktuellen Entwicklungen finden Sie im Newsblog.
„Meine beste Freundin wollte mit ihrer Tochter zum Konzert“
Die meisten Menschen, die zum Trauern zur Botschaft gekommen sind, stammen selbst aus Russland. So wie Tatjana. Sie lebe seit 1998 in Deutschland, sei ihrem Heimatland aber weiter sehr verbunden, sagt sie. „Es ist furchtbar, was passiert ist. So viele Tote, auch Kinder“, sagt sie.
Als sie von dem Anschlag erfahren habe, habe sie sofort an einen Freund in Moskau gedacht, der Fan der Band Piknik sei. Aber zum Glück sei er nicht beim Konzert gewesen. „Meine beste Freundin wollte sogar eigentlich mit ihrer Tochter zum Konzert. Nur durch einen Zufall waren sie doch nicht dort“, sagt Tatjana. Sie frage sich, wie so ein verheerender Anschlag trotz der enormen Sicherheitsvorkehrungen in Moskau passieren könne.
„Natürlich stelle ich mir die Frage, ob der Anschlag etwas mit dem aktuellen Konflikt mit dem Nachbarland zu tun hat“, sagt Tatjana. Sie meint den Krieg in der Ukraine. Es sei aber noch viel zu früh und sie sei auch keine Expertin und wolle nicht spekulieren. Dass der IS sich zu dem Anschlag bekannt hat, hat sie mitbekommen. Sie könne aber nicht beurteilen, ob das stimme. Ein Terror-Experte hält die IS-Täterschaft für plausibel. Mehr dazu lesen Sie hier.
„Wir waren fast live dabei“
Auch André, der mit seiner Frau und seiner Tochter zur Botschaft gekommen ist, stammt aus Russland. „Ein Bekannter von mir war im Gebäude“, sagt er mit brüchiger Stimme. Dieser habe Bilder und Videos vom Anschlag in sozialen Medien gepostet. „Wir waren fast live dabei, noch bevor es in den Medien kam.“ Zum Glück habe es sein Bekannter unbeschadet aus dem Gebäude heraus geschafft. Er spüre ein Gefühl von Machtlosigkeit, sagt er. „Die Menschen dort hatten nichts, um sich gegen Maschinenpistolen zu verteidigen. Es ist furchtbar.“ Wer hinter dem Anschlag stecke, sei für ihn aktuell zweitrangig. „Terror ist Terror“, sagt er.
Immer mehr Menschen bringen Blumen und lassen sie an der Botschaft ablegen. Vereinzelt kommen auch Deutsche, die ihre Trauer ausdrücken. Einige von ihnen tragen Anstecker der Friedensbewegung. Mit Journalisten reden wollen sie lieber nicht. „Ihr dreht einem doch jedes Wort im Mund herum“, ruft eine Frau einem rbb-Kamerateam entgegen.
Nur wenige Meter entfernt, auf der anderen Straßenseite, liegt noch ein weiteres Blumenmeer, das Menschen nach dem Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny vor gut einem Monat dort abgelegt haben. Es sind unruhige Zeiten.