In den Weiten der sozialen Medien zeigt sich wie so oft eine faszinierende und kontroverse Realität:
Die Rede ist in diesem Fall von sogenannten “Stay at Home Girlfriends” und “Tradwives”.
“Wie wird man zu einer traditionellen Ehefrau? Nummer eins: Führe ultra-traditionelle Rollenbilder ein. Der Mann ist der Versorger. Er geht aus dem Haus und arbeitet. Die Frau ist die Hausfrau, sie kümmert sich um das Haus, um sich selbst, sie kocht und putzt.”
Für die einen ist es ein langersehnter Traum, für die anderen ein Rückschritt in der modernen Gesellschaft:
Mit Stay at home Gilfriends oder Tradwives sind Frauen gemeint, die bewusst den Weg wählen, Hausfrau zu sein. “Tradwife” setzt sich aus “traditional” und “wife”, also traditionell und Ehefrau, zusammen.
Eine von ihnen ist die 24-jährige Sofie. Sie wollte schon als kleines Mädchen Hausfrau und Mutter werden, erzählt sie im t-online-Interview.
Inzwischen haben sie und ihr Ehemann ein Kind. Schnell war klar, dass nur ein Elternteil arbeiten sollte:
„Dieses Modell Teilzeit kam für uns persönlich einfach nicht infrage. Ich glaube, dass das ein ganz gutes Modell sein kann. Ich habe aber einfach gerne wirklich gar nichts im Hinterkopf und kann mich dann auch wirklich voll und ganz auf diese Tätigkeit als Hausfrau konzentrieren.“
Frau Dr. Maya Götz ist Medienpädagogin. Sie sieht den Tradwife-Trend kritisch, denn er zeigt auch, dass Mädchen heutzutage einem großen Druck ausgesetzt sind und sich damit in eine traditionelle Rolle flüchten:
„Wir wollten Mädchen stark machen. Das haben wir auch geschafft. Wir erzählen lauter Geschichten, wo Mädchen in der Hauptrolle sind, wo sie stark sind, wo sie einfach genau dem Ideal entsprechen. Wir können diesen Idealen gar nicht genügen. Und irgendwann können Sie auch einfach nicht mehr. Dieser ganze Druck, den wir auf sie geben, wie sie sein sollten. Und das ist einer der Hintergründe, warum Sie dann so eine ganz komische Wendung machen.“
Die Influencerinnen auf TikTok – viele Inhalte werden dabei auch aus Amerika in die deutschen Kanäle gespült und millionenfach geklickt – filmen ihren Alltag ab, der hauptsächlich aus Haushalt, Kinderbetreuung und Einkaufen besteht, bis der Mann von der Arbeit nach Hause kommt und dann bekocht wird.
Viele präsentieren sich dabei auch optisch im Look der 50er- und 60er-Jahre:
Unter vielen Clips sind Werbeslogans aus dieser Zeit unterlegt:
„So einen Lifestyle zu präsentieren, ohne aufzuklären, ist problematisch. Deswegen ist es mir wichtig, meinen Lifestyle zu zeigen, parallel dazu, dass ich eben auch aufkläre, wie man sich dahingehend absichern kann. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass jeder sein Leben selbst in die Hand nehmen soll und sich jeder selber für seinen Weg entscheiden soll.“
Sie spricht in ihren Clips davon, wie wichtig es ist, sich weiterzubilden und finanzielle Unabhängigkeit aufzubauen.
Damit ist Sofie allerdings eher die Ausnahme.
„Diese Tradwife oder Stay at Home Girlfriend ist im Prinzip der Versuch, einfach etwas abzugrenzen. Zu sagen, ich möchte nur ein Bereich, in dem ich mich gut fühle, in dem ich mich auch perfekt fühle. Den möchte ich jetzt nur noch erfüllen. Und das ist erst mal auch genau die Entlastung, die da ist. Es hat aber auch gerade für die Lebensperspektive ganz klare Fallstricke.“
Sofie sieht in der freien Entscheidung zum Hausfrau-Sein den feministischen Fortschritt
„Ich finde, der Fortschritt, den wir hier geschaffen haben, in der heutigen Welt ist ja, dass jede Frau ihr Leben so leben darf, wie sie es eben leben möchte. Und wenn sie aus freien Stücken und freiwillig und auch finanziell abgesichert den Weg geht, Hausfrau sein zu wollen, dann ist das für mich kein Rückschritt.“
2019 gingen rund 76 Prozent Frauen im Alter von 20 bis 64 Jahren einer bezahlten Arbeit nach. Die Erwerbstätigenquote der Männer liegt bei rund 84 Prozent.
„Klar ist es eine eigene Wahl, das zu tun und das ist auch absolut in Ordnung. Gleichzeitig kann ich natürlich nur eine wirklich fundierte Wahl treffen, wenn ich weiß, was zwischen wen kann ich da eigentlich wählen? Und wenn ich dann durch soziale Medien immer wieder gezeigt bekomme, es reicht, wenn du zu Hause bist. Dann geht verloren, dass das auf Dauer einfach sehr schwierig wird. Wir brauchen Medienkompetenz und Jugendliche, die verstehen, dass sie diesen Ausdruck ihrer selbst das ist, was ganz Wertvolles ist und gleichzeitig sehen, wo sind Stereotypen und wo sind einfach Fallstricke, in die ich reinkomme, wenn ich nicht mich inhaltlich mit meiner Zukunft auseinandersetze.“
„Also grundsätzlich würde ich schon gerne sagen, wenn es dein größter Traum ist, Hausfrau zu werden, dann lässt sich das umsetzen, wenn dabei wirklich auch auf finanzielle Absicherung geachtet wird. Ich würde fast sagen, das ist mit der wichtigste Punkt, weil sich von jemandem abhängig zu machen und es ist dabei egal, ob das der Partner ist oder nicht, sollte man grundsätzlich für sich selber nie tun.“
Der Trend zum Hausfrauen-Dasein, kann unterschiedlich motiviert sein. Fakt ist: Die massenhaft unreflektierten Clips zu Tradwives können junge Mädchen stark beeinflussen – vor allem, wenn diese mit der neuen Rolle der starken, perfekten und schönen Frau überfordert sind.