Der aktuelle Weltranglistenzweite spricht am Rande des Laver Cups in Berlin über die Belastung für Tennisspieler – und verzweifelt an der Situation.
Bis es aus Alexander Zverev herausbrach, dauerte es eine Weile. Deutschlands bester Tennisspieler hatte beim Laver Cup in Berlin gerade erst sein Einzelmatch gegen den US-Amerikaner Taylor Fritz verloren. 4:6 und 5:7, es war bereits die dritte Niederlage des Hamburgers gegen Fritz im Jahr 2024. Im Pressekonferenzraum der Uber Arena warteten die anwesenden Journalisten gespannt auf den 27-Jährigen, als vom Medienteam des Events die Meldung kam: Um 21.50 Uhr werde Zverev auf dem Podium Platz nehmen, der ursprünglich zuerst angekündigte Fritz dann danach, gegen 22.10 Uhr.
Wenig später aber: Planänderung. „Fritz kommt zuerst auf die Pressekonferenz, gefolgt von Zverev“ hieß es, als bereits über 20 weitere Minuten vergangen waren. Gegen 22.30 Uhr dann betrat der 1,98-Meter-Mann den Raum, machte einige etwas schwere Schritte auf die Bühne und setzte sich.
Was folgte: Ein Alexander Zverev, der sich verbal an der verfahrenen Lage in seinem Sport abarbeitete. Denn wie im Fußball werden auch im Tennis die Rufe nach weniger Belastung für die Athleten lauter.
„Wir haben die längste Saison überhaupt im Sport, unnötig lang, mit einer unnötig großen Zahl an Turnieren“, antwortete Zverev auf die Frage nach seinem körperlichen Befinden ob des vollen Terminkalenders. „Und ich bin überzeugt, dass wir nicht vom 27. Dezember, wenn der United Cup (ein in Sydney und Perth ausgetragenes Mannschaftsturnier, Anm. d. Red.) beginnt, bis zum 19. oder 20. November, wenn die ATP Finals enden, durchspielen sollten.“
Schon am Freitag hatte Zverevs Kollege, der Spanier Carlos Alcaraz, in Berlin erklärt: „Ich denke, es wird alles zu viel. Ich gehöre zu den Spielern, die denken, dass es im Jahr schon sehr viele Pflichtturniere gibt – und in den nächsten Jahren möglicherweise noch mehr.“
Mehr noch: „Sie werden uns auf die eine oder andere Weise umbringen“, fuhr Alcaraz mit einem leichten Augenzwinkern fort. Um dann doch wieder ernst zu werden: „Schon jetzt treten eine Menge Verletzungen auf. An irgendeinem Punkt werden deshalb also eine ganze Menge Topspieler eine ganze Menge Turniere verpassen – weil sie an ihre Gesundheit denken müssen.“
Zverev stimmte nun am Samstagabend mit ein: Es gebe „keine Zeit für Pausen, es gibt keine Zeit, deinen Körper vorzubereiten, es gibt keine Zeit, Muskeln aufzubauen, es gibt keine Zeit, in der du sagen kannst: ‚Ich rühre meinen Tennisschläger einen Monat lang nicht an, und bereite mich dafür physisch auf die lange Saison vor.‘ So etwas gibt es bei uns nicht, in anderen Sportarten aber schon. Deshalb glaube ich, dass man dort auch weiter damit ist, Verletzungen vorzubeugen.“
Zwar habe Tennis-Grande Roger Federer in seinen letzten Karrierejahren deutlich weniger Turniere gespielt, auch Novak Djokovic mache sich aktuell rarer. Der mittlerweile 37-jährige Rekord-Grand-Slam-Sieger bekannte nach seinem überraschenden Drittrunden-Aus gegen Alexei Popyrin bei den US Open: „Ich hatte kein Benzin mehr im Tank.“ Aber: „Wenn du ein ehrgeiziger junger Spieler bist, dann geht das nicht“, fuhr Zverev fort. „Ich finde, dass wir da etwas tun müssen. Ich bin im Spielerrat und glaube, dass die ATP (der Tennis-Weltverband, Anm. d. Red.) bereits daran arbeitet. Es gibt keine einfache Lösung, aber es muss eine Lösung gefunden werden.“
Dann aber wurde Zverev auch in Richtung des Tennis-Weltverbands deutlich: „Der ATP ist unsere Meinung egal. Es ist ein Geschäft, in dem es um Geld geht.“ Auf die Nachfrage, ob nicht Top-Spieler mit einer koordinierten Aktion etwas bewirken könnten, fragte Zverev zurück: „Und was dann? Ein Streik? Wir dürfen gar nicht streiken. Wir werden bestraft, wenn wir Turniere nicht spielen. Also, was sollen wir tun? Das sind alles Dinge, die wir weder beeinflussen können noch entscheiden. Wir wollen ja eigentlich keine Pflichtturniere.“ Und doch gibt es sie.