Wien Der tschechische Milliardär Radovan Vitek ist für seine brachialen Geschäftsmethoden berüchtigt – das weiß man auch im Schweizer Ferienort Crans-Montana. Als er 2015 für 65 Millionen Euro Hauptaktionär der Bergbahngesellschaft CMA wurde und eine Immobilienfirma erwarb, glaubte man im Ort zwar, das große Los gezogen zu haben. Als reicher Onkel sollte er helfen, die etwas aus der Zeit gefallene Infrastruktur zu modernisieren.
Aber mit den Jahren hat er sich mit den Einheimischen immer mehr zerstritten. Besonders ein Ereignis erregte Aufsehen: Als die CMA und die Behörden im April 2018 wegen angeblich offener Rechnungen in Streit gerieten, ließ der 52-jährige Investor kurzerhand den Betrieb der Seilbahnen einstellen.
Aber das ist lediglich eine Lokalposse im Vergleich mit den Vorwürfen, die ihm ehemalige Geschäftspartner aus Tschechien, der Schweiz und den Vereinigten Staaten machen: Er soll sie beim Aufbau seines Immobilienunternehmens CPIPG mit Scheinfirmen hinters Licht geführt haben. Seit 2015 gehen sie in den USA, in Luxemburg und in Zypern rechtlich gegen Vitek vor.
Nun haben sie jüngst einen Erfolg erzielt. Ein zypriotisches Gericht verlangt von den Banken, die mit Vitek Geschäfte machen, 13 Milliarden Kronen (534 Millionen Euro) von dessen Vermögen einzufrieren. Ende April lief die Frist ab, während deren Viteks Anwälte ihre Argumente vorbringen konnten. Bis zum Sommer werden die Richter entscheiden, ob das Geld bis zum Ende der Gerichtsverhandlung eingefroren bleibt.
Einer der Kläger ist der tschechisch-schweizerische Doppelbürger Jiri Divis. Noch zu den Zeiten des Kalten Krieges war er Spieler der tschechoslowakischen Basketball-Nationalmannschaft gewesen. Als diese 1979 im Westen ein Spiel absolvierte, sprang er ab und ließ sich in der Schweiz nieder.
Es gibt kaum Fotos von Vitek
Vitek führt ein schattenhaftes Dasein, so gibt es von ihm kaum Fotos. Diskretion ist typisch für Tschechiens schwerreiche Geschäftsleute, die im Zuge der Privatisierung in den 1990er-Jahren wohlhabend geworden sind.
In Crans-Montana wohnt Vitek, der so rasant Ski fährt, wie er Geschäfte macht, in einem großen, aber architektonisch biederen Chalet. Repräsentativer ist sein englisches Anwesen Rydinghurst, das er Ringo Starr, dem ehemaligen Schlagzeuger der Beatles, abgekauft hat.
Vitek ist wahrscheinlich der größte Immobilienbesitzer Zentraleuropas. CPIPG gehören in Tschechien, Deutschland, Polen und weiteren Ländern Liegenschaften im Wert von 20,9 Milliarden Euro, knapp fünf Milliarden Euro entfallen auf Deutschland. Rund die Hälfte davon sind Büros. An der in Frankfurt notierten Firma hält Vitek einen Anteil von 86,7 Prozent.
Seine Kontrahenten behaupten, Vitek sei teilweise mit unlauteren Methoden derart reich geworden. Das hat ihm nicht nur von Divis und dessen Geschäftspartner Marek Cmejla eine Klage eingetragen, sondern auch vom amerikanischen Hedge-Fund Kingstown.
Die Geschäftsbeziehung von Divis und Cmejla einerseits und Vitek andererseits geht auf die Finanzkrise von 2008 zurück. So grob Vitek bei Konflikten agiert, so fein ist sein Gespür für Geschäfte. Gerne investiert er gegen den Trend, und so nutzte er auch die Turbulenzen jener Zeit, um seinen Immobilienbesitz zu vergrößern.
Dafür benötigte er aber Geld, weshalb er mit Divis und Cmejla eine Allianz schmiedete. Diese waren damals bei Skoda Transportation engagiert, einem Schienenfahrzeughersteller in Pilsen. Laut der Klage vereinbarten die Partner, die Gewinne und die Verluste von künftigen Immobiliengeschäften zu teilen.
2016 trennten sich die Wege der Partner allerdings, und es sollte zur Auszahlung kommen. Doch offenbar waren die Anteile der beiden Investoren in den Jahren zuvor derart verwässert worden, dass sie fast wertlos geworden waren. Was in jener Zeit geschehen sein soll, hat die Luxemburger Finanzmarktaufsicht CSSF in einem 55-seitigen Bericht akribisch aufgearbeitet.
Scheinfirmen in Zypern
Zu einer großen Figur im Immobiliengeschäft wurde Vitek durch die Übernahme der Luxemburger Firma OPG. Diese brachte er zwischen 2012 und 2016 angeblich trickreich unter seine Kontrolle.
Laut dem Bericht hat Vitek dafür zypriotische Scheinfirmen (SPV, „special purpose vehicles“) genutzt, zu denen er offiziell keine Geschäftsbeziehung unterhielt. Sie kauften Aktien von OPG und veräußerten diese später an eine Holding Viteks.
Es handelte sich um drei Transaktionen. Diese seien, so schreibt die CSSF, exakt zum gleichen Zeitraum und zum gleichen Preis erfolgt. Die Aufsicht schließt daraus, dass Vitek und die Inhaber der SPV ihr Vorgehen abgesprochen hatten. Es war also eine verdeckte Operation, um die Kontrolle über OPG zu erlangen.
Damit verletzten die Investoren Meldeschwellen und die auch in Luxemburg geltende Vorschrift, wonach ein Investor allen Aktionären ein Übernahmeangebot machen muss, wenn er bei einer Firma über mehr als 33,3 Prozent der Stimmen herrscht. Vitek musste deswegen in Luxemburg eine Buße von 1,5 Millionen Euro bezahlen.
Ferner zoll Vitek laut CSSF auch verdeckt Immobilien zu günstigen Preisen von OPG übernommen haben. Unterstützung erhielt er dabei vom Gründer und CEO des Unternehmens. Teilweise ging die Operation über eine Scheinfirma vonstatten, die offiziell Viteks Mutter gehörte. „Asset stripping“ nennen Finanzleute das Vorgehen von Investoren, wenn aus einer Firma gleichsam die «Filetstücke» herausgeschnitten werden.
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Ursprünglich hatten der Hedge-Fund Kingstown sowie Divis und Cmejla in New York geklagt; die Richter erklärten sich jedoch als nicht zuständig, weil der Bezug zu den USA fehle. Die Investoren wandten sich auch an ein Luxemburger Gericht, wo zumindest die Klage von Kingstown noch hängig ist. Schließlich reichten Divis und Cmejla eine Zivilklage in Zypern ein.
Vitek betrachtet sich als unschuldig
Viteks Firma CPIPG sagt, es handle sich um alte Anschuldigungen, die vom Gericht in New York zurückgewiesen worden seien. „Wir sind zuversichtlich, dass die lächerlichen und unfundierten Behauptungen erneut fehlschlagen werden“, schreibt Martin Matula, der Firmenjurist von CPIPG.
Gleichzeitig geht das Unternehmen zum Gegenangriff über, indem es Divis und Cmejla in Misskredit zu bringen versucht. Diese seien in der Schweiz wegen Betrugs und Geldwäscherei verurteilt worden.
Die Verantwortlichen von CPIPG sprechen damit Vorgänge um die Privatisierung eines tschechischen Minenunternehmens an. Am Schluss beschäftigte sich gar das Bundesstrafgericht mit dem Fall. Die Angeklagten haben mittlerweile ein Revisionsgesuch gestellt.
Kein Geschäft habe ihm so viel Ärger und so wenig Geld eingebracht wie Crans-Montana, soll Vitek einmal geschimpft haben. Mit den Schwierigkeiten in Zypern relativieren sich die Probleme in Crans-Montana jedoch. Dort versucht er seit einiger Zeit, die Beteiligungen abzustoßen.
Die Gemeinde Crans-Montana drängt darauf, dass Vitek endlich mehr Geld lockermacht oder seine Beteiligung an einen engagierten Investor veräußert. Denn es eilt. Im Jahr 2027 werden in Crans-Montana die Ski-Weltmeisterschaften stattfinden. Dann sollen der Ort und die Sportinfrastruktur in neuem Glanz erstrahlen.
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