Düsseldorf Helge Achenbach steht im schmalen Eingang des Düsseldorfer Filmkunstkinos „Cinema“ und ist ganz in seinem Element: Jovial begrüßt er Freunde, Bekannte und Unbekannte und verteilt großzügig Freikarten, der Mitarbeiter mit der Gästeliste kommt kaum noch hinterher mit dem Abhaken: „Eine oder zwei? Wir wollen doch, dass der Laden voll wird!“, posaunt er in die Runde und lässt sich vor dem Filmplakat in Siegerpose ablichten.
Kein Zweifel, Achenbach ist bester Laune. Der 71-Jährige wirkt fast unverändert und genießt die Aufmerksamkeit, das Bad in der Menge. Tatsächlich ist das Kino fast voll, als das Licht ausgeht.
Die Vorpremiere des Dokumentarfilms „Der Illusionist“ in der Düsseldorfer Altstadt ist für Achenbach ein Heimspiel: In Düsseldorf baute er sein Imperium als Kunstberater auf; hier eröffnete er 2001 den legendären Rheinstrand-Club „Monkey’s Island“ und 2007 sein mondänes „Monkey’s“-Restaurant-Trio; hier netzwerkte er einst bei jedem wichtigen Kunstereignis und hielt Hof bei den angesagten Society-Events dieser modebewussten und amüsierwütigen Stadt.
Aus Achenbachs einst riesigem Kreis kommen zur Filmpremiere ins Cinema nun vor allem Vertreter aus einem bestimmten Segment der Düsseldorfer Bussi-Gesellschaft, Gastronomen und ihr Umfeld, Partygänger und sehr treue, sehr alte Freunde. Es fehlen die allermeisten der Künstler, die mit Achenbach einst intensiv zusammenarbeiteten, und sich auch gerne mit ihm zeigten, wie etwa Andreas Gursky oder Günther Uecker.
Es fehlen die Galeristen und Museumsleute, die seinen schillernden Ruf nicht scheuten; es fehlen die wichtigen Sammler und der Düsseldorfer Geldadel. Und es fehlt seine geschiedene Ehefrau Dorothee, mit der er sein glamouröses Leben über viele Jahre teilte.
Gekommen sind also die, die übrig blieben, nachdem Helge Achenbach wegen Betrugs verhaftet wurde und sein Imperium sich in Nichts auflöste. Und gekommen sind offenbar auch jene, die bis heute Schadenfreude empfinden, dass Achenbach die besonders Reichen und – in seiner Lesart Geizigen – übers Ohr gehauen hat. Als seien seine „Collagen“, als welche er seine retuschierten Rechnungen bezeichnet hat, nichts weiter als ein Kavaliersdelikt eines ansonsten aufrechten Mannes. Ist das bloß rheinisches „laissez faire“ und ein Hang zum Halbseidenen, den man Düsseldorf ja auch nachsagt?
Wie in breiten Teilen der Öffentlichkeit betrachteten ihn auch die Mithäftlinge als einen Robin Hood.
(Foto: RFF – Real Fiction Filmverleih e.K)
Zur Erinnerung: Achenbach wurde wegen Betrugs in 18 Fällen nach seiner 2014 angetretenen Untersuchungshaft 2015 zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Er hatte Rechnungen an etliche Kunden gefälscht, darunter der Aldi-Erbe Berthold Albrecht und dessen Ehefrau Babette. Achenbach muss 16,1 Millionen Euro Schadensersatz zahlen. 2018 kam er auf Bewährung frei, nachdem er einen Großteil seiner Haft in Essen abgesessen hatte.
Der Film beginnt mit einem Gewittersturm in der sonst so stillen Niederrheinlandschaft: Orkan „Ela“ sorgte 2014 für Verwüstungen im Rheinland, zum tosenden Sturm hört man Dorothee Achenbachs Stimme aus dem Off, die von der Verhaftung ihres damaligen Mannes am Flughafen an jenem Pfingstwochenende berichtet, als „Ela“ tobte und ihre persönliche Apokalypse einläutete.
Achenbachs Ex-Frau kommt in dem Film häufig zu Wort, in unterschiedlichen Stimmungen, aber immer perfekt gestylt erzählt sie ihre Version des Falls ihres Ex-Mannes, mal bricht sie unvermittelt in Gelächter aus, als sie von einer neuen ethischen Wandlung ihres Ex erfährt; mal kämpft sie mit den Tränen, als sie zugibt, sie würde sich für die Zukunft nur noch Frieden wünschen.
Sie habe den Film ohne Dorothee Achenbach nicht machen wollen, erklärt Regisseurin und Produzentin Birgit Schulz im Publikumsgespräch; „ich wollte niemandem auf den Leim gehen und auch die Opferseite zeigen“.
Wenig verbliebene Künstlerfreunde erzählen
Ansonsten kommen viele weitere Weggefährten zu Wort wie sein Jugendfreund Hans-Georg Fiederling, der von unbeschwerten Jugendtagen erzählt und seinem Kumpan „Leichtigkeit im Wesen“, aber auch „geringen Tiefgang“ attestiert.
Kritische, aber dennoch wohlwollende Töne stimmt auch einer der wenigen verbliebenen Künstlerfreunde, der österreichische Bildhauer Heinz Baumüller an, wenn er behauptet, Achenbach sei es vor allem ums Geld gegangen und er hätte das womöglich auch mit Kunstdünger gemacht, wenn das mehr abgeworfen hätte als die Kunst.
Der Film startet diese Woche. Produziert von Bildersturm Filmproduktion und ZDF/3sat.
(Foto: RFF – Real Fiction Filmverleih e.K)
Unversöhnlicher dagegen der Galerist Rudolf Zwirner, der in geharnischtem Ton erklärt, Achenbach habe eigentlich gar keine Ahnung von Kunst, dann aber einräumen muss: „Und nun sitzen wir schon wieder hier und sprechen wieder über ihn.“
Zwirner macht damit aufmerksam auf eine rätselhafte Ambivalenz, die das Phänomen Achenbach ausmacht, nämlich die Verführungsgabe, Menschen für alles begeistern zu können, ja, die Begeisterung, selbst zu „verkaufen“ und auch Menschen zu vernetzen und anzuziehen, die wussten, was tatsächlich hinter all‘ dem medial hochgejazzten Rummel steckte und dass es schon immer Zweifel an Achenbachs Geschäftspraktiken gab.
Diese Fähigkeit, selbst im Fall Menschen für sich zu begeistern, findet im Film eine Stimme durch Anne Berlit, die Kunstpädagogin der JVA Essen, die mit spürbarer Faszination von seinen Ängsten und seiner vorübergehenden Demut berichtet. Achenbach malte bei ihr und habe im Knast schnell das Image eines Helden erreicht und als eine Art Robin Hood gegolten.
Das ist eine Stelle im Film, als fröhliches Gelächter und Szenenapplaus im Kino aufbranden. Die Mehrheit applaudiert Achenbach, auch, weil er in seinen Interviewstrecken Reue zeigt und Einsicht. Später dann aber beklagt er wieder den Geiz der Albrechts, die ihm nur lächerliche fünf Prozent Provision zahlen wollten, wie jedem ihrer „Aldi-Lieferanten“. Das habe er korrigieren wollen. Das sei falsch gewesen; er habe damals seinen inneren „Kompass verloren“, gibt er zu.
Im Publikumsgespräch ist Achenbach erneut bester Laune, bekräftigt nochmals seinen Erfolg: „Die Galeristen waren neidisch auf uns. Wir waren kundenorientiert und nicht elitär.“ Fazit: Der Film bietet interessante Einblicke, tolles Archivmaterial und aufschlussreiche O-Töne, bleibt aber viel zu wohlwollend. Dennoch sehenswert.
„Der Illusionist“: startet diese Woche. Produziert von Bildersturm Filmproduktion und ZDF/3sat.
Mehr: Aldi-Betrüger Helge Achenbach: Ein Heuchler unter Heuchlern