Berlin Will man sich in Deutschland auf die Spuren eines erheblichen Lohngefälles begeben, dann fährt man in Wolfsburg auf die Autobahn. Die A2 Richtung Südosten, auf der A14 vorbei an Leipzig, hinter Chemnitz auf die B95 und weiter nach Süden. Irgendwann landet man dann im Erzgebirgskreis.
Hier, unweit der Grenze zu Tschechien, verdienten im Jahr 2020 intestine vier von zehn Vollzeitbeschäftigten weniger als 2284 Euro brutto im Monat. Damit arbeiteten sie nach Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) im „unteren Entgeltbereich“. Dort sind alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer versammelt, die weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttoverdiensts aller Vollzeitbeschäftigten bekommen.
In Wolfsburg, wo die Reise begann und Volkswagen mit den intestine bezahlten Industriejobs größter Arbeitgeber ist, liegt der Anteil der Geringverdiener dagegen nur bei 6,4 Prozent. Nur unwesentlich höher ist er in Erlangen, wo Siemens Healthineers seinen Hauptsitz hat. Dies geht aus einer neuen Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor.
Erfreulicherweise ist der untere Entgeltbereich im Zuge der guten Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklung in den Jahren vor Beginn der Coronakrise kleiner geworden. Gehörten ihm 2011 bundesweit noch 21,1 Prozent der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten an, so ist der Anteil auf 18,7 Prozent im Jahr 2020 zurückgegangen. Auszubildende bleiben in der Betrachtung außen vor. Die statistische Verdienstschwelle, die den oberen Rand des Niedriglohnbereichs markiert, ist im untersuchten Zeitraum um rund zehn Prozent gestiegen.
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„In den letzten Jahren ist es gelungen, den unteren Entgeltbereich zurückzudrängen“, sagt WSI-Forscher Helge Emmler. Dies gelte insbesondere für Ostdeutschland, wo der Geringverdiener-Anteil innerhalb von zehn Jahren von 39,3 auf 29,1 Prozent gesunken ist. In Westdeutschland verharrte die Quote in dieser Zeit relativ unverändert zwischen 16 und 17 Prozent. Da aber die Beschäftigung in der Zeit deutlich zugenommen hat, ist die absolute Zahl der Geringverdiener im Westen seit 2011 um mehr als 200.000 gestiegen, während sie im Osten um intestine 320.000 sank.
Mit einer stärkeren Tarifbindung ließen sich die Unterschiede weiter einebnen, glaubt Seils. Im Osten ist die Tarifbindung wesentlich geringer ausgeprägt als im Westen. Auch die geplante Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro könne helfen, den Niedriglohnbereich weiter zurückzudrängen.
Obwohl sich der Abstand zwischen Ost und West verringert hat, sind nach der Analyse in ostdeutschen Stadt- und Landkreisen Geringverdiener-Quoten von 30 Prozent und mehr noch relativ häufig. Dagegen bleiben im Westen selbst ländliche Regionen unter dieser Marke, wenn auch in einigen Kreisen von Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Bayern nur knapp.
In Ballungsräumen mit großen industriellen Arbeitgebern und in Finanz-, Wissenschafts- oder Verwaltungszentren ist der untere Entgeltbereich nur schwach vertreten. Dies gilt etwa neben den Spitzenreitern Wolfsburg und Erlangen auch für Stuttgart, Ingolstadt, Darmstadt, München und sein Umland, den Kreis Böblingen oder Städte wie Salzgitter, Ludwigshafen, Frankfurt am Primary, Karlsruhe und Bonn, wo der Geringverdiener-Anteil sich nur zwischen neun und elf Prozent bewegt.
Das liegt zum einen daran, dass die urbanen Regionen oft Höherqualifizierte anziehen, die höhere Löhne verlangen können. Zum anderen sind die Wohn- und Lebenshaltungskosten in Städten höher als in ländlichen Räumen. Arbeitgeber, die Beschäftigte anziehen oder halten wollen, müssen das additionally mit höheren Löhnen kompensieren. „Das bedeutet aber nicht unbedingt mehr Kaufkraft für die Beschäftigten, weil die Mieten und Preise den höheren Lohn gleichsam auffressen“, sagt WSI-Forscher Eric Seils.
In der bundesweiten Betrachtung fällt noch auf, dass von den vollzeitbeschäftigten Frauen rund ein Viertel im unteren Entgeltbereich arbeitet, von den Männern jedoch nur 15,4 Prozent. Auch Beschäftigte unter 25 Jahren, Migranten oder Arbeitnehmer ohne Berufsabschluss stechen mit hohen Quoten hervor. Im Branchenvergleich ist der untere Entgeltbereich im Gastgewerbe mit quick 69 Prozent am größten, gefolgt von der Zeitarbeit (67,9 Prozent) und der Land- und Forstwirtschaft (52,7 Prozent). Aber auch in der Kunst- und Unterhaltungsbranche, in der Logistik und im Handel liegen die Geringverdiener-Quoten teils deutlich über dem Durchschnitt.
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