New York Die Rabatt-Aktionen im wichtigen Weihnachtsgeschäft haben Amazon einen überraschend hohen Umsatz im vergangenen Quartal beschert. Der größte US-Online-Händler hat im vierten Quartal 149,2 Milliarden Dollar umgesetzt, während Analysten mit 145,42 Milliarden Dollar gerechnet hatten. Der Nettogewinn erreichte dagegen mit 300 Millionen nur einen Bruchteil der Markterwartungen. Und auch die Prognose für das laufende Quartal besorgt die Anleger. Der Aktienkurs fiel nachbörslich um mehr als vier Prozent.
Die Ergebnisse von Amazon waren mit Spannung erwartet worden. Schließlich hatte der Konzern aus Seattle die Erwartungen der Anleger zuletzt bereits mehrfach enttäuscht. Der Börsenwert hatte sich gegenüber den Rekordhöhen während der Pandemie zum Jahreswechsel mehr als halbiert, als der Aktienkurs auf unter 84 Dollar gerutscht war. Seitdem hat das Papier zwar wieder ein Drittel zugelegt, aber viele Sorgen bleiben.
„2022 war ein schwieriges Jahr für Amazon“, kommentiert Julian Skelly vom Beratungshaus Publicis Sapient das Quartalsergebnis. Das Kerngeschäft E-Commerce spüre den zunehmenden wirtschaftlichen Gegenwind, etwa die Tatsache, dass Menschen wieder in physischen Läden einkauften und weniger Kaufkraft zur Verfügung hätten.
Amazon leidet nicht nur unter der hohen Inflation und der schwächelnden Konjunktur weltweit wie viele Unternehmen. Der Online-Händler sitzt auch auf hausgemachten Problemen. So hat Amazon während der Corona-Pandemie zu aggressiv in neue Lagerhallen und Logistikzentren investiert, die heute zum Teil leer stehen. In den vergangenen Wochen hat das Unternehmen außerdem wegen der wirtschaftlichen Lage 18.000 Mitarbeiter entlassen.
Lange Zeit konnte die Cloud-Tochter AWS mehrfach die Verluste des klassischen Online-Handels ausgleichen. Zuletzt war aber auch das lukrative Geschäft von AWS ins Straucheln gekommen. Unternehmen haben insgesamt weniger Geld für Cloud-Dienste zu Verfügung und viele verhandeln auch ihre alten Verträge neu.
„AWS wird Verluste nicht immer ausgleichen können“
„Zuletzt war die Verlangsamung bei AWS sogar schlimmer als erwartet und das bedeutet, dass Amazon sich in den kommenden Quartalen nicht mehr so sehr auf die operativen Gewinne aus diesem Bereich verlassen kann“, mahnt der Analyst Andrew Lipsman vom Marktforschungsunternehmen Insider Intelligence. Die wenigen Lichtblicke derzeit – bessere Kostenkontrolle, gute Abozahlen und Dienstleistungen für externe Verkäufer – seien nicht genug um die Schwächen in den wichtigen Wachstum- und Gewinntreibern auszugleichen. 2023 könne daher „noch holperiger“ werden.
„Auch wenn Amazon die Hürde seiner anämischen Prognose für das vierte Quartal locker genommen hat, ist es schwer, dies als etwas anderes zu sehen als ein enttäuschendes Feiertagsquartal“, schreibt der Analyst. Vor allem der Onlinehandel habe sich verlangsamt und damit auch das Werbegeschäft mit hinuntergezogen, das in den vergangenen Quartalen ein großer Lichtblick war, bemerkt Lipsman.
Netto hat Amazon im vierten Quartal insgesamt nur 278 Millionen Dollar Gewinn geschrieben. Operativ hat das Nordamerika-Geschäft im vierten Quartal 240 Millionen Dollar verloren und das internationale Geschäft sogar 2,2 Milliarden Dollar. Das konnte nur der operative Gewinn von AWS ausgleichen, das bei deutlich gestiegenen Umsätzen mit 5,2 Milliarden Dollar fast genauso viel erwirtschaftete wie im Vorjahr. Für das Gesamtjahr steht damit ein Verlust von 2,7 Milliarden Dollar unterm Strich.
Den Umsatz konnte Amazon im nordamerikanischen Onlinehandel im vierten Quartal um mehr als ein Zehntel auf 93 Milliarden steigern, während er international um sieben Prozent einbrach.
Für das laufende Quartal peilt Amazon einen Gesamt-Umsatz zwischen 121 und 126 Milliarden Dollar an. Der Mittelwert liegt damit unter der durchschnittlichen Analystenprognose von 125,11 Milliarden Dollar. Das operative Ergebnis werde voraussichtlich bei null bis vier Milliarden Dollar liegen.
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