Der Schnelllieferdienst prüft einen Rückzug aus Frankreich.
(Foto: Getty Images; Per-Anders Pettersson)
Berlin Nur ein Jahr nach der Übernahme des französischen Wettbewerbers Cajoo plant der Berliner Schnelllieferdienst Flink den Rückzug aus dem französischen Markt. Das geht aus internen Unterlagen hervor, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegen. Demnach stellen neue Vorgaben in Frankreich das Geschäftsmodell infrage.
Entsprechende Gespräche würden unter anderem mit dem Betriebsrat geführt, bestätigte ein Flink-Sprecher am Donnerstag. Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht getroffen worden. Unklar ist damit auch, ob das Frankreichgeschäft verkauft oder geschlossen wird.
Unternehmenskreisen zufolge legte Flink im Mai 2022 etwas weniger als 100 Millionen Euro für Cajoo auf den Tisch. Mit dem Deal kam auch der französische Einzelhandelsriese Carrefour an Bord. Aktuell arbeiten dem Sprecher zufolge noch einige Hundert Mitarbeiter für Flink in Frankreich, wo der Schnelllieferdienst unter anderem in Paris, Marseille, Lyon, Toulouse und Bordeaux operiert.
Flink hat bereits Tausenden Mitarbeitern gekündigt
Es wäre nicht das erste Mal, dass Flink sich aus einem Markt wieder zurückzieht. So musste das Unternehmen bereits Insolvenz für seine Österreichtochter anmelden. Sollte Frankreich verlassen werden, wäre Flink nur noch in Deutschland und den Niederlanden aktiv. Zudem stünden dann wohl weitere Entlassungen an.
Über die vergangenen Monate hat das Start-up bereits 8000 Mitarbeitern gekündigt, darunter hauptsächlich Fahrer. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass noch mal 100 Stellen in der Verwaltung hinzukommen. Damit arbeiten dort nun noch 500 Leute.
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Flink muss die Kosten massiv senken, um weiter im Geschäft zu bleiben. So gab das Unternehmen erst diese Woche bekannt, dass es weitere 150 Millionen Euro bei Bestandsinvestoren einsammeln konnte. Die entsprechenden Verträge seien unterschrieben, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt am Mittwoch. Aktuell liefen noch Gespräche mit potenziellen neuen Geldgebern, die diese Kapitalspritze aufstocken könnten.
Flink setzen neben der scharfen Konkurrenz durch die fusionierten Wettbewerber Getir und Gorillas die gestiegenen Lebensmittelpreise zu. Hinzu kommen hohe Logistik- und Personalkosten, an deren Reduzierung Flink seit Monaten arbeitet. Bisher ist der Schnelllieferdienst unprofitabel.
Start-up wird nur noch mit einer Milliarde Euro bewertet
Im Rahmen der neuen Finanzierungsrunde musste Flink eine deutliche Abwertung des Firmenwerts hinnehmen auf nunmehr nur noch eine Milliarde Euro. Das letzte Mal hatte Flink im Dezember 2021 Geld eingesammelt und war damals, auf dem Höhepunkt des Coronabooms, noch mit drei Milliarden Dollar bewertet worden.
Zu den Investoren von Flink gehören Rewe und Doordash sowie die Wagniskapitalgeber Target Global und Cherry Ventures sowie der Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi, der auch am direkten Konkurrenten Getir aus der Türkei beteiligt ist.
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Angesichts der Zinswende, der anhaltenden Wirtschaftsschwäche und des weiterhin brachliegenden Marktes für Börsengänge fällt es insbesondere den Start-ups mit größerem Geldbedarf schwer, bei Investoren zu punkten. Um alle Optionen zu prüfen, soll Flink deswegen auch mit dem Konkurrenten Getir aus der Türkei über eine Übernahme verhandelt haben. Diese Gespräche seien aber nun ergebnislos eingestellt worden, sagte der Flink-Sprecher.
Mubadala bleibt aber Finanzkreisen zufolge an einer Fusion von Getir/Gorillas mit Flink interessiert, weshalb Branchenexperten erwarten, dass das Thema zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf die Tagesordnung kommen könnte.
Getir kennt sich mit Fusionen aus: Im Dezember hatte das Start-up aus Istanbul den Berliner Konkurrenten Gorillas in einer Rettungsaktion übernommen. Dabei halbierte sich Finanzkreisen zufolge der Wert des fusionierten Unternehmens auf sieben Milliarden Dollar.
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