Frankfurt Die Reiselust der Menschen ist offenbar ungebrochen. Das zeigen die Halbjahreszahlen, die der Touristikkonzern Tui am Mittwochmorgen präsentierte. Der Umsatz stieg in der ersten Hälfte des Geschäftsjahrs 2023 (zwischen Oktober 2022 und März 2023) um gut 53 Prozent auf 6,9 Milliarden Euro im Vergleich zum gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.
Zwar machte der Konzern aus Hannover unter dem Strich erneut einen Verlust, auch wegen des in der Branche im Vergleich zum Sommerhalbjahr saisonal schwächeren Jahresauftakts. Doch der Konzernverlust sank von 708 Millionen auf 558 Millionen Euro. „Es wird ein starker Sommer und ein gutes Geschäftsjahr 2023 mit einem signifikant höheren positiven Ergebnis“, wird Konzernchef Sebastian Ebel in einer Mitteilung zitiert.
Also ist bei Tui nach dem Beinahe-Aus in der Coronapandemie wieder alles gut? Fast – wäre da nicht der Aktienkurs. Seit Wochen schon hängt das Tui-Papier bei etwas mehr als sechs Euro fest. Dabei müsste das Papier rechnerisch eigentlich zwischen neun und zehn Euro wert sein. Das Unternehmen hatte vor einigen Monaten Aktien zusammengelegt. Aus zehn Aktien wurde eine, entsprechend erhöhte sich deren Wert. Ohne die Aktienfusion wäre der Kurs zu niedrig gewesen, um neue Aktien auszugeben.
Doch ihren rechnerischen Wert hat die Tui-Aktie nie erreicht. Bei der Kapitalerhöhung wurden die neuen Papiere für 5,55 Euro herausgegeben. Zwar gelang die Kapitalerhöhung mit einem Bruttoemissionserlös von 1,8 Milliarden Euro, weil die Banken sie garantiert hatten. Doch für etwa neun Prozent der Papiere fanden sich zunächst keine Käufer, sie wurden über eine sogenannte Rumpfplatzierung an „qualifizierte Anleger“ verkauft.
Bisher hat sich das Investment für die Anteilseigner nicht gelohnt. Mit gut drei Milliarden Euro ist TUI derzeit so viel wert wie im Dezember vergangenen Jahres, bevor die Kapitalmaßnahmen angekündigt worden waren. Das sorgt für Frust, auch innerhalb der Tui-Führung, wie das Handelsblatt aus dem Unternehmensumfeld erfuhr. Zumal es keine eindeutige Erklärung für die Entwicklung des Aktienkurses gibt.
Der Manager ist angetreten, das Vertrauen des Kapitalmarkts zurückzugewinnen. Doch wie sich am Aktienkurs zeigt, ist das ein langer Weg.
(Foto: TUI)
Zwar musste Tui wie viele Unternehmen in der Reisebranche mit Staatshilfen vor dem Aus gerettet werden. 4,3 Milliarden Euro bekam das Unternehmen über verschiedene Instrumente. Doch Tui hat die Hilfen, auch mit den Mitteln aus der Kapitalerhöhung, vollständig zurückgezahlt. Damit müssen die Aktionäre nicht mehr befürchten, dass der Staat doch noch bei Tui einsteigt – eine der vertraglich vereinbarten Optionen im Zuge der Rettung.
Sicherheit eines Ankeraktionärs fehlt
Gleichzeitig läuft das Geschäft nach dem Einbruch in der Coronapandemie wieder. Das zeigen nicht nur die aktuellen Zahlen. Auch der Ausblick auf die nächsten Wochen und Monate stimmt zuversichtlich. „Wir wollen zu alter Stärke zurückkehren“, sagte Tui-Chef Ebel. Das verspreche der Konzern neben den Kunden, Mitarbeitenden und Partnern „insbesondere auch den Aktionären, die die erfolgreiche Umsetzung unserer Kapitalerhöhung erst ermöglicht haben“.
Eine mögliche Erklärung für den mauen Aktienkurs: Investoren fehlt die Sicherheit, die ein großer Ankeraktionär liefern würde. Über mehrere Jahre übernahm diese Rolle der russische Großaktionär Alexej Mordaschow, der bis vor Kurzem rund 30 Prozent an Tui hielt. Er unterstützte den Konzern auch bei mehreren Kapitalerhöhungen.
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Doch wegen des Überfalls Russlands auf die Ukraine steht Mordaschow auf der Sanktionsliste. Er durfte sich an der letzten Kapitalmaßnahme nicht beteiligen. Dadurch ist sein Anteil an Tui deutlich gesunken. Konzernchef Ebel hat mehrfach betont, dem Einstieg eines neuen Ankerinvestors positiv gegenüberzustehen. Noch ist allerdings keiner in Sicht.
Eine andere mögliche Erklärung für den schwachen Aktienkurs: Viele Anleger könnten mit ihrem Kauf darauf gewartet haben, dass die Tui-Aktie noch weiter nachgibt. Schließlich ist mit Helikon auch ein sogenannter Shortseller engagiert, der auf fallende Kurse setzt. Zuletzt hatte sich Helikon allerdings wieder von Papieren getrennt. Ein mögliches Zeichen dafür, dass es wieder aufwärtsgehen könnte.
Dafür spricht, dass erste institutionelle Investoren wieder Anteile des Touristikkonzerns kaufen. So ist Union Investment kürzlich mit gut drei Prozent bei der Tui eingestiegen. Der Finanzinvestor Blackrock wiederum hat sein Paket leicht auf etwas mehr als drei Prozent aufgestockt.
Sie sehen bei der Tui-Aktie offenbar Kurspotenzial. Die Sorge, die Kunden könnten sich angesichts der stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und der ungewöhnlich hohen Inflationsrate bei der Planung ihrer Urlaube zurückhalten, bestätigt sich bisher nicht. Sie reisen weiterhin. Tui dürfte als größter europäischer Reisekonzern davon profitieren. Der einstige Erzrivale Thomas Cook ist inzwischen insolvent und verschwunden.
Die meisten Analysten bescheinigen dem Touristikkonzern dann auch gute Aussichten. Das durchschnittliche Kursziel der Experten liegt bei etwa 15 Euro. Nach der Kapitalerhöhung und der gestärkten Bilanz sieht Fehmi Ben Naamane von der Investmentbank Oddo BHF mittlerweile ein attraktives Verhältnis von Chancen und Risiken. Ähnlich urteilte zuletzt Cristian Nedelcu von der UBS. Nach Abschluss der Kapitalmaßnahmen sei das aktuelle Bewertungsniveau attraktiv.
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