Frankfurt Börsenhandel fast zum Nulltarif: Das dürfte bald Geschichte sein. Die EU-Staaten und das EU-Parlament haben sich auf ein Verbot von „Payment for Order Flow“ (PFOF) geeinigt. Das Parlament und der Rat müssen den Beschluss noch verabschieden, dies gilt allerdings als Formsache.
Das Verbot von PFOF setze Neobroker „unter Stress“, sagt Max Flötotto, der bei McKinsey die Banken-Beratung in Deutschland und Österreich leitet. Auch Dominik Nittner von der Unternehmensberatung Arthur D. Little sagt: „Das PFOF-Verbot trifft vor allem Neobroker, denn Preiserhöhungen sind unausweichlich.“
PFOF bezeichnet Rückvergütungen, die etwa die hiesigen Neobroker Trade Republic oder Scalable Capital von ihren Handelspartnern dafür erhalten, dass sie Millionen von Kundenorders auf deren Plattform weiterleiten.
Ein PFOF-Verbot wurde seit Langem heiß diskutiert – und sorgte in der Branche für Aufsehen. Bereits im November 2021 hatte die EU-Kommission das umstrittene Gebührenmodell verbieten wollen, die Entscheidung dann jedoch vertagt.
In zahlreichen Studien wurden in der Vergangenheit die Auswirkungen von PFOF analysiert – auch von der deutschen Finanzaufsicht Bafin. Ihr Ergebnis: Bei Aufträgen mit kleineren Volumina hätten Anleger unter Berücksichtigung von Transaktionskosten meist besser abgeschnitten als bei direkten Käufen oder Verkäufen an der Börse.
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„Bei höheren Transaktionsvolumina und niedrigerer Liquidität an den Referenzmärkten zum Zeitpunkt der Auftragsausführung gingen diese Vorteile jedoch verloren. Ob PFOF die Ursache der festgestellten Unterschiede war, lässt sich aus den Ergebnissen nicht ablesen“, hieß es in der Bafin-Mitteilung weiter.
Kritiker befürchten, dass die Kundenorders von den Neobrokern nicht an die Handelsplätze weitergeleitet werden, die die besten Kurse bieten, sondern an diejenigen mit den höchsten Rückvergütungen.
Oftmals arbeiten die Neobroker mit einer Börse zusammen. So findet der Handel von Aktien bei Trade Republic über die Lang & Schwarz Exchange statt, ein elektronisches Handelssystem, das von der Börse Hamburg betrieben wird. Scalable Capital nutzt oftmals den Börsenplatz Gettex in München.
Neobroker können deutlich günstigere Preise anbieten
Das Gebührenmodell sorgte allerdings auch dafür, dass Marktführer wie Trade Republic mit seinen nach eigenen Angaben über eine Million Kunden und Scalable mit seinen über 600.000 Kunden den Kunden so günstige Preise anbieten können.
So verlangt etwa Trade Republic lediglich eine Fremdkostenpauschale in Höhe von einem Euro pro Trade seiner Kunden. Scalable Capital verlangt für jede Transaktion eine Ordergebühr in Höhe von 0,99 Euro. Der Münchener Broker hat aber auch ein Abo-Modell ab 2,99 Euro, bei denen die Kunden dann pro Trade keine zusätzlichen Gebühren zahlen müssen.
Zum Vergleich: Beim börsennotierten Frankfurter Broker Flatex handeln Anleger pauschal für 5,90 Euro je Order. Bei Xetra, einem Handelsplatz der Deutschen Börse, fallen ebenfalls mehrere Euro an Gebühren pro Order an.
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Wenig überraschend, dass größere Börsen wie etwa die Deutsche Börse oder auch Euronext das PFOF-Verbot begrüßen. „Bei Xetra und an der Börse Frankfurt gab es niemals Payment for Order Flow. Die Entscheidung ist aber insofern relevant für uns, als dass der Wettbewerb unter den europäischen Börsen hierdurch gestärkt wird“, erklärte die Deutsche Börse. Die Euronext teilte mit, durch das PFOF-Verbot würden Kleinanleger vor Interessenkonflikten geschützt.
Größere Börsen würden nun versuchen, mit der Preistransparenz künftig zu werben und so Marktanteile zu gewinnen, sagt Berater Nittner.
Die Einigung ist Teil der Überarbeitung der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFIR) und der zweiten Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II). Sie ermöglicht es Mitgliedstaaten, in denen es noch kein PFOF-Verbot gibt – wie etwa in Deutschland –, ihren Marktteilnehmern vorerst eine Ausnahme zu genehmigen. Ab dem 30. Juni 2026 läuft diese Option allerdings aus, dann gilt das Verbot überall.
Geschäftsmodelle werden angepasst
Neobroker müssen ihre Geschäftsmodelle in den kommenden drei Jahren somit anpassen. Die vergangenen Monate zeigen bereits, dass die Unternehmen dies schon vorantreiben. Zum einen haben Trade Republic und Scalable ein Zinsangebot gestartet. Laut Nittner „ein cleverer Schachzug“, um mehr Kunden zu gewinnen. Zum anderen gibt es außerdem Abo-Modelle wie bei Scalable.
Ein Verbot würde den Wettbewerb unter den Handelsplätzen, von dem die Anleger ganz klar profitieren, zunichtemachen und zu höheren Kosten führen. Trade-Republic-Mitgründer Christian Hecker 2021
Deshalb zeigen sich die hiesigen Neobroker auch kämpferisch. „Trade Republic wird weiterhin das beste Angebot auf dem europäischen Markt anbieten – auch noch 2026“, sagt Trade-Republic-Mitgründer Christian Hecker.
Seine Meinung zu einem PFOF-Verbot hatte er bereits in einem Interview mit dem Handelsblatt im November 2021 geäußert. „Ein Verbot würde den Wettbewerb unter den Handelsplätzen, von dem die Anleger ganz klar profitieren, zunichtemachen und zu höheren Kosten führen“, sagte er damals.
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Auch Scalable Capital findet die EU-Entscheidung falsch. „Sie steht nicht im Einklang mit den Zielen der Kommission, neue Möglichkeiten für Sparer und Anleger zu schaffen, sondern dient vor allem den Akteuren, die Wettbewerb auf den Kapitalmärkten verringern und mit hohen Gebühren ihr Bestehen sichern wollen“, erklärte eine Firmensprecherin.
Der Neobroker rechnet damit, dass das PFOF-Verbot „zu steigenden Kosten“ für viele Anleger führe. „Wir werden aber alles daransetzen, weiterhin das günstigste und beste Angebot für Sparer und Anlegende bereitzustellen“, erklärte Scalable weiter. Vorerst ändert sich für die Kunden in Deutschland nichts.
Experten glauben weiter an Erfolg von Neobrokern
Die Experten Nittner und Flötotto sehen Neobroker auch weiterhin als große Konkurrenz für die klassischen Banken: „Neobroker sind deutlich schlanker aufgestellt, haben eine bessere User-Experience – und können auch mit Preiserhöhungen sehr wahrscheinlich trotzdem noch ein günstigeres Angebot dem Kunden machen“, so Nittner. Zudem verdienten Neobroker auch heute schon nicht nur ausschließlich an PFOF, sondern verlangten etwa auch eine Fremdkostenpauschale oder Ordergebühren.
Flötotto glaubt ebenfalls, dass Neobroker weiter Erfolg mit ihrem Konzept haben werden, den Zugang zum Wertpapierhandel zu vereinfachen und Kunden eine attraktive Benutzeroberfläche anzubieten. „Die Monetarisierung des Modells muss sich aber ändern“, sagte er.
Dass auf die Kunden wegen des PFOF-Verbots dauerhaft höhere Kosten zukommen, erwartet Flötotto indes nicht. „Wo am Ende die Gebühren erhoben werden, ist egal“, sagt der McKinsey-Berater. Banken und Broker müssten immer versuchen, an irgendeiner Stelle Geld zu verdienen, sonst würden sie den Wertpapierhandel nicht anbieten.
In einer Übergangsphase könne es möglicherweise zu höheren Kosten für einzelne Kundengruppen kommen, sagt Flötotto. Mittel- bis langfristig erwarte er jedoch keine massiven Veränderungen. „Der Trend in Summe ist, dass Kosten für Anleger in den letzten Jahren stark gesunken sind.“ Daran werde sich grundlegend nichts ändern.
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