Berlin Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mahnt trotz leicht sinkender Corona-Infektionszahlen zu weiter nötiger Vorsicht und warnt vor zusätzlichen Lockerungen. Der Höhepunkt der Omikron-Welle sei überschritten, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Bei einer Pressekonferenz mit dem Vizepräsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, und Michael Meyer-Hermann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung kündigte der Minister zudem eine Lieferung des Impfstoffs Novavax an.
Er warnt aber: „Wir sind noch nicht wirklich in sicheren Gewässern.“ Die Zahlen könnten bei übertriebenen Lockerungen auch schnell wieder ansteigen. Die Bundesländer müssten zurückhaltend bleiben. „Das ist alles auf Kante genäht.“ Was beschlossen sei, sei das meiste was man sich an Lockerungen erlauben könne.
Lauterbach verwies auf den weiter hohen Anteil Ungeimpfter bei gefährdeten Menschen über 60 Jahre und die neue, wohl ansteckendere Omikron-Untervariante BA.2. Setze sich dieser weiter durch, sei es „nicht auszuschließen, dass die Fallzahlen langsamer sinken oder auch wieder ansteigen“, ergänzt Schaade. Dabei gibt Forscher Meyer-Hermann zu bedenken, dass eine alleinige Omikron-Infektion nicht gegen die Delta-Variante sowie vorherige Varianten schütze. „Delta kann im Herbst wieder hochkommen“, erklärt Meyer-Hermann.
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Die Sieben-Tage-Inzidenz ist laut RKI erneut gesunken – auf nun 1371,7 nach 1385,1 Neuinfektionen professional 100.000 Einwohner in sieben Tagen am Vortag. Die Gesundheitsämter meldeten 220.048 neue Fälle an einem Tag. Die Zahlen haben allerdings im Second nur begrenzte Aussagekraft. Experten gehen von einer hohen Zahl von Fällen aus, die in den amtlichen Daten nicht erfasst sind. Registriert wurden auch 264 weitere Todesfälle binnen 24 Stunden.
Noch viele Jahre Pandemie
Lauterbach stellt die Menschen in Deutschland noch auf viele Jahre mit der Pandemie-Gefahr ein. „Wir werden noch sehr lange mit der Pandemie zu tun haben werden“, sagt er. Man könne da in einem Zeitraum von zehn Jahren denken.
Auch wenn man jetzt in den endemischen Zustand übergehe, bedeute dies keine komplette Entwarnung. „Der endemische Zustand bedeutet, wir werden immer wieder Ausbrüche haben.“ Dabei werde es auch schwere mit Todesfällen geben. Grund sei, dass Impfungen bei einigen Menschen nicht so stark wirken würden.
Für den Herbst sei nach Einschätzungen in der Wissenschaft mit möglichen weiteren Corona-Wellen zu rechnen. Um dies zu bewältigen, sei eine allgemeine Impfpflicht nötig, machte Lauterbach deutlich.
Auch das RKI erwartet kein Verschwinden des Virus. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass es noch weitere Covid-Wellen geben wird“, sagt RKI-Vize-Chef Lars Schaade. Man wisse nicht, wie sie sich auswirken würden, der beste Schutz sei aber auf jeden Fall die Impfung.
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Auch wenn der Höhepunkt der Omikron-Welle nun überschritten sei, bedeute das gerade für die Krankenhäuser noch keine Entspannung. Schaade sagte: „Der Scheitelpunkt für die Intensivstationen ist noch nicht erreicht.“
Daher sei es wichtig, Schutzmaßnahmen in Krankenhäusern und Pflegeheimen weiter aufrechtzuerhalten. Schaade mahnte zu besonderer Vorsicht beim Kontakt mit gefährdeten Menschen.
„Machen Sie vorher einen Check, auch wenn Sie geimpft oder genesen sind. Halten Sie Abstand, und wenn Sie sich drinnen treffen, tragen Sie am besten eine Maske und lüften reichlich“, betonte er. Die Pandemie sei noch nicht vorbei, und Sars-Cov-2 werde nicht verschwinden, so Schaade.
Novavax-Lieferung ab kommendem Montag
Der Bundesgesundheitsminister kündigt bei der Pressekonferenz an, dass Deutschland Anfang der kommenden Woche die erste Lieferung des Corona-Impfstoffs von Novavax erhält. „Wir erwarten am Montag 1,4 Millionen Dosen des Novavax-Impfstoffes, in der Woche darauf nochmal eine Million, dann mit einer gewissen Verzögerung weitere Chargen“, sagte der SPD-Politiker.
Das Unternehmen sei in der Vergangenheit jedoch mehrfach durch Hinweise aufgefallen, dass die Lieferungen nicht fristgerecht erfolgen könnten. Man sei aber im engen Austausch, sagte Lauterbach.
Er gehe davon aus, dass man nächste Woche beliefert werde. Die Lieferungen würden dann an die Länder verteilt, die ihn „wahrscheinlich im Wesentlichen“ in den Bereichen einsetzen würden, wo die einrichtungsbezogene Impfpflicht greifen soll.
Die Gesundheitsminister der Länder hatten sich dafür ausgesprochen, das Präparat zunächst ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen anzubieten. Novavax könnte eine Different für diejenigen sein, die Vorbehalte gegen die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna haben.
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