Der Hurrikan Frances sorgte für große Verwüstungen an der Küste Floridas: Die Münchener Rück kritisiert die aktuelle Klimapolitik.
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München Die Folgen des Klimawandels betreffen auch Rückversicherer wie die branchenführende Munich Re. Sowohl die Schadenssummen einzelner Wetterextreme wie auch die Anzahl der Vorfälle generell stiegen seit Jahren an, berichtete Munich-Re-Chef Joachim Wenning am Freitag auf der virtuellen Hauptversammlung des Konzerns.
Laut Wenning tue die Politik weltweit nicht genug, um die Folgen des Klimawandels zu begrenzen: „Gute Absichtserklärungen gibt es viele. Vollständige und vor allem verbindliche Roadmaps pro Land praktisch keine.“
Der Munich-Re-Chef sprach von einem „Schwarze-Peter-Spiel“, bei dem es darum gehe, die Schuldigen der Misere auszumachen, während die weltweiten CO2-Emissionen weiter steigen. So bemängelt er beispielsweise auch die von der Politik veranlassten Berichtspflichten der Unternehmen, die viel Geld kosten, aber das Problem nicht lösen würden.
Das heiße: „Privates Engagement wird in Abwesenheit von staatlicher Führung nicht zum Klimaziel von Net Zero bis 2050 führen.“
Allein durch Hurrikan Ian in den USA, der mit Abstand teuersten Naturkatastrophe im vergangenen Jahr, verzeichnete der Rückversicherer Schäden in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Das Vorhersagen solcher Ereignisse wird für Versicherer immer schwieriger.
Statistische Modelle nur noch bedingt nützlich
Gleichzeitig gehört die Absicherung von Naturkatastrophen jedoch schon lange zu den profitabelsten Geschäftsbereichen der Munich Re: „Wir haben das Geschäft im Griff“, sagte Wenning.
Die jüngsten Vertragserneuerungen seien vielversprechend verlaufen. „Wo Wettbewerber Federn lassen mussten, sind unser Risikoappetit und unser Kapazitätsangebot weiter hoch“, sagte der Chef des Dax-Konzerns.
Zudem habe man die Qualität des Portfolios mit verbesserten Vertragsbedingungen, höheren Selbstbehalten der Kunden und separaten Preisen für mitgedeckte Gefahren gesteigert.
Sorgen bereitet Wenning jedoch die wachsende Unberechenbarkeit des Klimawandels und seiner Folgen. Bislang konnte die Munich Re sich auf Zeitreihen und eine statistische Datenbasis stützen und so Risiken sehr gut einschätzen.
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Andreas Thomae, Fondsmanager von Deka Invest und verantwortlich für rund 1,3 Prozent des Aktienkapitals an der Munich Re, erklärt: „Nun ist es aber so, dass die Schäden aufgrund des Klimawandels tendenziell weiter zunehmen und Großereignisse häufiger auftreten, als es statistisch rückblickend der Fall sein sollte.“
Thomae beschäftigt die Frage, ob der Konzern genügend Durchsetzungskraft habe, die höheren Kosten über steigende Prämien an die Kunden weiterzugeben.
Kritik an ausufernden Berichtspflichten
Vorstandschef Wenning bemängelt die aus seiner Sicht ausufernde Nachhaltigkeitsberichterstattung, die die Munich Re pro Jahr mehrere Dutzend Millionen Euro koste. Der Kampf gegen die globale Erderwärmung werde schon im besten Fall so viel Geld kosten, dass keine Ressourcen für übermäßige Berichterstattung verwendet werden sollten.
Der CEO der Munich Re kritisierte auf der Hauptversammlung die weltweite Klimapolitik.
(Foto: Munich Re)
„Der große Aufwand sollte daher nicht betrieben werden, um über ein Problem zu berichten, das wir längst alle kennen“, so Wenning wörtlich. Stattdessen sollte mit für Berichtspflichten eingesetztem Geld besser das Problem gelöst werden.
Cyberangriffe bergen hohe Risiken
Auch die zunehmende Zahl von schweren Cyberangriffen, die Munich Re als einer der Marktführer absichert, bereitet Aktionären Sorgen. Deka-Fondsmanager Thomae sprach von „teils unkalkulierbaren Risiken“ bei Cyberversicherungen. Gleichzeitig sieht er jedoch auch Chancen für das Versicherungsgeschäft.
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Wenning erklärt, es gehöre zu den Aufgaben seines Hauses, neue Risiken wie jene im Cyberraum versicherbar zu machen. „Bisher war jedes einzelne Zeichnungsjahr für uns profitabel.“ Allerdings sei die langfristige Situation bei Cyberrisiken wie bei Naturgefahren. Dabei könne es zu Jahren mit außergewöhnlich hohen Schäden kommen. „Viele gute Jahre müssen einzelne schlechte Jahre finanzieren können“, sagt Wenning.
Kritik gab es auch an der weiteren Bestellung des Wirtschaftsprüfers EY angesichts der Vorgeschichte um dessen jahrelange Prüfung beim Skandalunternehmen Wirecard. Anlegerschützerin Daniela Bergdolt von der DSW sprach von einem „Reputationsschaden“ durch diesen Wirtschaftsprüfer.
Anlegerschützerin spricht von „Reputationsschaden“
Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard verteidigte diese Entscheidung. „Nach Auffassung des Aufsichtsrats verfügen die bei Munich Re verantwortlichen Prüfer über sehr gute Kenntnisse der Geschäftstätigkeit.“
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Für Kritik unter Aktionären sorgte auch der Austritt aus der Net Zero Insurance Alliance. „Dies schwächt die gemeinschaftlichen Anstrengungen zur Dekarbonisierung in der Versicherungswirtschaft“, kritisierte Deka-Experte Thomae.
Munich-Re-Chef Wenning versprach ungeachtet dessen weiteres Klimaengagement. „Zur Vermeidung von Kartellrechtsrisiken – und nur deshalb – sind wir kürzlich aus der Net Zero Insurance Alliance ausgeschieden.“
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