Der amtierende Ministerpräsident konnte am Sonntagabend einen Stimmenanteil von rund 41 Prozent erreichen.
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Athen Bei der Parlamentswahl in Griechenland zeichnete sich am Sonntagabend ein klarer Sieg der konservativen Nea Dimokratia (ND) des amtierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis ab. Sein Wahlziel, die absolute Mehrheit der Mandate im neuen Parlament, hat Mitsotakis aber noch nicht erreicht.
Nach den Auszählung fast aller Stimmen am Sonntagabend erreichte die Regierungspartei einen Stimmenanteil von rund 40,8 Prozent. Mitsotakis hat damit sein Ergebnis der Wahl von 2019, bei der er 39,9 Prozent erreichte, übertroffen.
Das Resultat war eine Überraschung, denn letzte Meinungsumfragen sahen Mitsotakis bei 36 Prozent. Das radikal-linke Bündnis Syriza des Oppositionsführers Alexis Tsipras blieb den Auszählungen zufolge mit 20 Prozent elf Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2019.
Im neuen Parlament dürften auf die ND 146 der 300 Parlamentssitze entfallen. Um eine Regierung zu bilden, wäre Mitsotakis demnach auf einen Koalitionspartner angewiesen.
Der 55-jährige Ministerpräsident hatte allerdings schon im Wahlkampf erklärt, er strebe aus Gründen der politischen Stabilität eine Fortsetzung seiner seit vier Jahren amtierenden Einparteienregierung an. Er setzt deshalb auf Neuwahlen, die Ende Juni oder Anfang Juli stattfinden könnten.
Zwischen Reformkurs und Abhöraffäre
Mitsotakis warb im Wahlkampf für seinen wirtschaftsfreundlichen Reformkurs, der dem Land in den vergangenen Jahren steigende Investitionen und mit die höchsten Wachstumsraten in der EU bescherte. Die konservative Regierung senkte in den vergangenen vier Jahren Steuern und Abgaben.
Mehr als zehn Milliarden Euro flossen 2022 als Energiesubventionen und Inflationsausgleich an private Haushalte. Zugleich konnte Griechenland in den vergangenen zwei Jahren seine Schuldenquote so stark senken wie kein anderer EU-Staat.
Überschattet werden die wirtschaftspolitischen Erfolge aber von einer Abhöraffäre. Der Mitsotakis direkt unterstellte Geheimdienst belauschte Dutzende Unternehmer, Militärs, Journalisten und Politiker.
Zu einem Vertrauensverlust führte auch ein schweres Zugunglück mit 57 Toten Ende Februar. Die Katastrophe offenbarte große Sicherheitsmängel und Vetternwirtschaft bei der staatlichen Bahngesellschaft OSE.
Überdies sind die makroökonomischen Erfolge der Regierung bei vielen Menschen noch nicht angekommen. Mitsotakis erhöhte zwar die Renten und den staatlichen Mindestlohn, aber die Inflation zehrte die Erhöhungen auf. Viele Familien haben heute wegen der Teuerung weniger Kaufkraft zur Verfügung als noch vor zwei Jahren.
Der Oppositionsführer erreichte mit seinem radikal-linken Bündnis Syriza den Hochrechnungen zufolge 20 Prozent.
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Diese Themen brachte der Oppositionsführer Tsipras im Wahlkampf immer wieder zur Sprache. Er versprach einen kompletten Richtungswechsel. Der 48-jährige Tsipras will den Sozialstaat massiv ausbauen und große Teile des Banken- und Energiesektors verstaatlichen.
Konservative Politiker und viele unabhängige Ökonomen bezweifeln aber, dass das Programm der linken Opposition finanzierbar ist, und warnen vor der Gefahr, dass Griechenland wieder in eine Schuldenspirale abrutscht. Diese Aussicht scheint auch viele Wählerinnen und Wähler abgeschreckt zu haben.
Eine Koalitionsregierung unter Führung von Mitsotakis wäre zwar rechnerisch denkbar. Aber mit Regierungsbündnissen hat Griechenland keine guten Erfahrungen gemacht. Die wenigen in der Vergangenheit gebildeten Koalitionen zerbrachen meist schnell wieder.
Wenn sich die Parteien nicht auf ein Regierungsbündnis einigen können, müsste in wenigen Wochen erneut gewählt werden. Dann käme ein Wahlrecht zur Anwendung, das der stärksten Partei bei der Sitzverteilung einen Bonus von bis zu 50 Mandaten gibt. Damit wäre eine absolute Mehrheit schon mit etwa 38 Prozent Stimmenanteil möglich.
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