Der Konzern hat an die 100 Mitarbeiter nach Slowenien geschickt, um dem Zulieferer zu helfen.
(Foto: Oliver Killig)
Düsseldorf, Stuttgart, Wien Aufgrund des Teilemangels nach dem Hochwasser in Slowenien spitzt sich die Versorgungslage in der Autoindustrie weiter zu. Mehrere Zulieferer und Autohersteller berichten dem Handelsblatt von Brüchen in der Lieferkette. Bei Mercedes-Benz heißt es aus Konzernkreisen, die Situation sei angespannt. Man habe aber noch ausreichend Teile. Bisher gebe es „keine unmittelbare Auswirkung“ auf die eigene Fahrzeugproduktion, erklärte ein Sprecher.
Beim Opel-Mutterkonzern Stellantis seien „mehrere Zulieferer“ von den Auswirkungen der Naturkatastrophe in Slowenien betroffen, wie ein Sprecher mitteilte. Aktuell produziere man in Europa aber noch regulär.
Am sichtbarsten sind die Auswirkungen im Volkswagen-Konzern, wo es in diesem Monat an mehreren Standorten zu Produktionsunterbrechungen und Kurzarbeit kommt. Betroffen sind derzeit die Marken Audi, VW Pkw, VW Nutzfahrzeuge, Skoda und Seat sowie Bereiche der Komponentenfertigung.
Im Zentrum der Versorgungslücke steht bei VW und seinen Zulieferern ZF und Schaeffler ein Motorenteil der slowenischen Firma KLS Ljubno. Das Unternehmen mit 250 Mitarbeitern war von dem Hochwasser in dem Land Anfang August schwer getroffen worden. KLS belieferte die deutsche Autoindustrie unter anderem mit Zahnkränzen. VW, ZF und Schaeffler bestätigten jeweils auf Anfrage, von Lieferengpässen bei der Firma betroffen zu sein.
Zahnkränze kommen im Antriebsstrang von Verbrennungsmotoren zum Einsatz. Somit sind Elektroautos von den aktuellen Problemen ausgenommen. Allerdings kommt es in der Verbrennerfertigung bei Volkswagen zu zahlreichen Einschränkungen und Ausfällen. Der Überblick:
Teilemangel nach Hochwasser in Slowenien: Diese Autos kann VW jetzt nicht produzieren
- Bei der Marke VW läuft das Stammwerk in Wolfsburg seit dieser Woche im reduzierten Schichtbetrieb. Von den Ausfällen seien abwechselnd alle vier Montagelinien betroffen, teilte ein Sprecher dem Handelsblatt mit. Es gebe aber keinen Tag, an dem die Bänder komplett stillständen.
Der reduzierte Betrieb gilt laut VW für drei Wochen. Die betroffenen Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit. In Wolfsburg werden unter anderem die Bestseller Golf und Tiguan gefertigt.
Das Stammwerk läuft seit dieser Woche im reduzierten Schichtbetrieb.
(Foto: Volkswagen AG)
- In Emden werden die Verbrennermodelle Passat und Arteon bereits seit vergangener Woche in einer statt zwei Schichten produziert. Ab nächster Woche wird jedoch wieder in zwei Schichten produziert.
- Auch in Osnabrück fallen laut VW seit vergangener Woche vereinzelt Schichten aus. Betroffen sind Karosseriebau und Montage des T-Roc Cabrio sowie die Endmontage des Arteon Shooting Brake. Die betroffenen Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit. Nicht betroffen ist die Porsche-Fertigung an dem Standort. Die gedrosselte Fertigung gilt laut VW auch hier drei Wochen.
- In Hannover werden aufgrund des Lieferantenausfalls in Slowenien „ab Mitte September bis Anfang Oktober keine Verbrennerfahrzeuge produziert“, wie ein Sprecher von VW Nutzfahrzeuge (VWN) mitteilte. Damit fällt die Fertigung des Bulli-Modells T6.1 weg, stattdessen werden ausschließlich der Elektrobus ID. Buzz und die Plug-in-Variante des Multivan vom Band rollen.
Um Kurzarbeit zu vermeiden, sollen die Beschäftigten weiterqualifiziert und auf andere Tätigkeiten gesetzt werden. Die polnischen VWN-Werke in Posen und Wrzesnia produzieren ebenfalls nur eingeschränkt. - Bei der Premiummarke Audi kann es nach Unternehmensangaben bei den margenschwachen Modellen A1 (Fertigung im spanischen Martorell), A3 und Q2 (Fertigung im Stammwerk in Ingolstadt) zu zeitweisen Produktionsausfällen kommen.
In Ingolstadt findet in dieser Woche auf einer Montagelinie gar keine Produktion statt, wie eine Sprecherin erklärte. Auf einer weiteren werde nur in einer Schicht produziert. In Martorell ruhte die Produktion bei Audi und Seat nach dem katalanischen Nationalfeiertag am Montag auch am Dienstag komplett.
Skoda in Tschechien, VW in Portugal: Ganz Europa spürt den Teilemangel aus Slowenien
Auch an weiteren europäischen Standorten des Konzerns sind Produktionseinschnitte infolge des Teilemangels zu spüren.
- Bei Skoda wurden am Stammsitz in Mlada Boleslav bei Prag Schichten aus dem Produktionsplan gestrichen. In dem größten Werk des Unternehmens werden die Verbrennermodelle Fabia, Scala, Octavia und Kamiq gefertigt. Am Standort Kvasiny, wo unter anderem der Obere-Mittelklasse-Wagen Superb produziert wird, stehen in dieser Woche die Bänder komplett still.
- Das VW-Werk in Palmela bei Lissabon hatte bereits vor einiger Zeit angekündigt, die Montage ab Mitte September für bis zu zwei Monate zu stoppen. An dem Standort wird der VW-Kompaktwagen T-Roc gefertigt.
Der Teilemangel trifft Volkswagen zu einer Zeit, in der die Nachfrage ohnehin schwächelt. Zum ersten Halbjahr musste Konzernchef Oliver Blume seine Ziele leicht herunterschrauben. So sollen 2023 zwischen neun und 9,5 Millionen Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert werden. Bisher waren die Wolfsburger von rund 9,5 Millionen Einheiten ausgegangen, nach 8,3 Millionen im Vorjahr.
Durch die Schäden kommt es zu Verzögerungen in den Lieferketten.
(Foto: Reuters)
Bereitete der Branche zuletzt eher die maue Nachfrage nach Elektroautos Sorgen, sind nun aber auch Verbrennermodelle getroffen, die in der Regel renditestärker als ihre elektrischen Pendants sind.
>> Lesen Sie auch: VW steckt mit seiner nächsten Produktgeneration in einer Zwickmühle
Entscheidend wird sein, wann der Betrieb bei KLS in Slowenien wieder anläuft, wie schnell er hochfährt und wie schnell sich Alternativen auftun. Vom Zulieferer Schaeffler heißt es, man verfolge grundsätzlich „eine Multiple-Sourcing-Strategie“ – einen alternativen Lieferanten gebe es bereits. Auch ZF geht nach Angaben eines Sprechers „derzeit davon aus, dass die entstehenden Rückstände ab der übernächsten Woche wieder aufgeholt werden können“.
VW-Manager: Probleme sind „Ende des Jahres“ ausgestanden
Aus Branchenkreisen heißt es, dass KLS Ljubno vor dem Hochwasser in der Woche rund 100.000 Zahnkränze produziert hatte, was als viel erachtet wird. Experten sind deshalb skeptisch, ob die Autohersteller ihre Lieferketten so schnell umstellen können. „Die angespannte Lage wird sich voraussichtlich bis Jahresende fortziehen, vielleicht sogar darüber hinaus“, schätzt Mirko Woitzik, Manager beim Analysedienst Everstream.
Derzeit sind an die 100 VW-Mitarbeiter aus Salzgitter, Hannover und von Skoda in Slowenien, um den Zulieferbetrieb wieder ans Laufen zu bringen. Auch gehe die Suche nach Alternativen voran, heißt es.
Einkaufsvorstand Dirk Große-Loheide hatte sich vergangene Woche zuversichtlich gezeigt: Bis Ende September werde man einen Plan haben, wie es weitergehen soll, kündigte er am Rande der Automesse IAA Mobility in München an. „Ende des Jahres ist das Thema ausgestanden.“
Mehr: So will Mercedes seine Zulieferer bei Elektromotoren ausstechen