Die UBS übernimmt den einstigen Rivalen für drei Milliarden Schweizer Franken, nachdem dieser in die Krise gerutscht ist.
(Foto: dpa)
Düsseldorf Auf die Pleite der Silicon Valley Bank und der New Yorker Signature Bank folgte mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS das nächste Bankenbeben. Angesichts dieser Entwicklungen haben wir die Handelsblatt-Leserschaft um ihren Blick auf die Lage gebeten.
Ein Leser schreibt dazu: „Das Vertrauen in die Banken erodiert – es ist die Angst vor einer neuerlichen Finanzkrise, die sich verbreitet.“ Ob die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS zur Beruhigung der Lage beiträgt, darüber herrscht in den Zuschriften Uneinigkeit. Ein Leser findet, die Aktion haben die Märkte „etwas beruhigt“. „Wie lange die Halbwertzeit dieser Beruhigung beträgt, werden wir sehen, wenn das nächste globale Bankenfeuerchen entzündet sein wird“, schreibt er weiter. Ein anderer Leser glaubt, dass nun vor allem die „Vertrauensbekundungen der Regierungen und Notenbanken wichtig“ seien.
Die Gründe für die Krise der Credit Suisse sehen die Leser unter anderem darin, dass diese „über die letzten Jahre durch eine Reihe Skandale ihre Reputation verspielt“ habe, so ein Leser. Ein anderer Leser erwähnt die „hohen Liquiditätsabflüsse“: „Wenn die ‚Schwarmintelligenz‘ der Märkte so agiert, kann das keine Bank überstehen, egal wie gesund sie ist und wie die regulatorischen Rahmenbedingungen sind.“
Dabei findet ein Leser, dass die Bemühungen der Notenbanken und Regierungen seit 2008 zur „Zähmung“ der Banken „ernsthaft und zumindest in Europa auch durchaus konsequent angegangen worden“ seien. Doch auch diese Kontrollmaßnahmen hätten ihre Grenzen.
Andere Leser wiederum finden, dass nicht die richtigen Konsequenzen gezogen worden seien. Dabei bemängeln einige vor allem die Boni-Kultur in der Bankenbranche. „Solange Banker in Boni denken, solange wird es immer wieder menschengemachtes Fehlverhalten, bewusst falsche Managemententscheidungen geben“, schreibt etwa eine Leserin.
Aus den Zuschriften der Handelsblatt-Leserschaft haben wir eine Auswahl für Sie zusammengestellt.
Es kehrt keine Ruhe ein
„Fast 15 Jahre nach der Pleite von Lehman-Brothers scheint unser Finanzsystem nicht weniger krisenanfällig. Wieder müssen Banken gerettet werden und wieder werden Risiken auf die Gesellschaften abgewälzt.
Das Vertrauen in die Banken erodiert – es ist die Angst vor einer neuerlichen Finanzkrise, die sich verbreitet. Regierungen und Notenbanken haben aus der letzten Finanzkrise nicht die richtigen Konsequenzen gezogen. Mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS kehrt keine Ruhe ein.“
Horst Schilling
Vom Schwarm in Bedrängnis gebracht
„Das Problem der Credit Suisse lag nicht in der Kapitalausstattung, diesbezüglich stand sie gut da. Vielmehr haben die hohen Liquiditätsabflüsse zu der Situation geführt. Wenn die ‚Schwarmintelligenz‘ der Märkte so agiert, kann das keine Bank überstehen, egal wie gesund sie ist und wie die regulatorischen Rahmenbedingungen sind.
Jetzt stellt sich die Frage, ob es gelingt, die Marktakteure zu beruhigen. Daher sind die Vertrauensbekundungen der Regierungen und Notenbanken wichtig – es wird sich zeigen, ab wann ihnen ausreichend geglaubt wird.“
Andreas Theuer
Hoffentlich geht das gut!
„Die ‚Übergabeaktion‘ – so würde ich sie eher nennen – der Credit Suisse an die UBS hat die Märkte offenbar etwas beruhigt. Wie lange die Halbwertzeit dieser Beruhigung beträgt, werden wir sehen, wenn das nächste globale Bankenfeuerchen entzündet sein wird. Die Bemühungen der Notenbanken und Regierungen seit 2008 zur ‚Zähmung‘ der Banken sind sicherlich ernsthaft und zumindest in Europa auch durchaus konsequent angegangen worden.
Dass solche Kontrollmaßnahmen ihre Grenzen haben, zeigt die exorbitante Unterlegenheit des Schweizer Staates bei den Verhandlungen mit der UBS und auch die Tatsache, dass Regulierung nur global gedacht und einheitlich gemacht werden kann, um zu funktionieren, dies aber – wir betrachten lediglich Europa und die USA – nicht der Fall ist.
Wir bewegen uns im derzeitigen Zins- und Konjunkturumfeld, garniert mit einer turmhohen Verschuldung zahlreicher Staaten und Unternehmen, in der mehr Geld benötigt wird, als Banken vorhalten. Hoffentlich – abseits der Vernunft – geht das gut.“
Matthias Ulfkotte
>> Lesen Sie dazu: „Too big to fail“ – Die Rückkehr der Banken-Probleme schreckt die Politik auf
Eine „selbsterfüllende Prophezeiung“?
„Kann man der Bankenwelt wirklich alleiniges Versagen und nichts aus der Finanzkrise 2008/2009 gelernt zu haben vorwerfen? Waren es nicht die Notenbanken, die mit immer neuem und frischem Geld die Kapitalmärkte seither geflutet haben? Und somit die Kapitalmärkte und Großbanken befeuerten, im Run und Wettbewerb damit immer mehr und größere Anlagerisiken einzugehen? Auf die Risiken dieser Liquiditätsschwemme und wie man diese wieder einfängt wird seit Jahren hingewiesen, ‚nun‘ stellt sie alle Beteiligten vor Probleme und wird zur Gefahr! Könnte man nun nicht auch von ‚selbsterfüllender Prophezeiung‘ sprechen?“
Richard Rainer
Leichtsinn, Übermut und Raffgier
„Wer bezahlt am Ende wieder für den Leichtsinn, den Übermut und die Raffgier der Banker? Eigentlich braucht es diese Frage gar nicht!“
Bernhard Derdzinski
Blinde Aufseher
„In Zeiten großer Geldvermehrung
trifft der Kluge schon Vorkehrung
für die Zeit, die kommt danach,
da diese oft bringt Ungemach …
Nun ja, von diesen Klugen scheint es in einigen systemrelevanten Anlageinstituten erschreckend wenige zu geben, wenn wir uns z.B. daran erinnern, wie die 100-jährige Österreich-Anleihe von 2020 zu einem Nominalkupon von 0,85 Prozent dem dortigen Finanzminister aus den Händen gerissen wurden. Das Papier dümpelt – welch Überraschung – heute bei etwas über 40 Prozent. Aber wo ein systemrelevanter Spieler derart wirken darf, kann ein blinder Aufseher nicht weit sein … und hier liegt das eigentliche Problem!“
Oliver Dange
>> Lesen Sie dazu: Wie es zum tiefen Fall der Credit Suisse kommen konnte
Risiko überschaubar halten
„Das Stabilisieren der Credit Suisse durch die Schweizer Nationalbank ist der einzige machbare Schritt gewesen, um eine Krise a la Lehman zu verhindern. Dabei gibt’s immer Gewinner und Verlierer.
Die Frage bleibt aber wieder einmal: Traut man einem durch Politik und Notenbanken fehlgeleiteten System, das seinem Spitzenpersonal unbeschreibbare Selbstbereicherung erlaubt?
Allerdings liegt die Gier in der DNA des Menschen. Alle, wirklich alle, haben dem Treiben der Credit Suisse jahrelang zugesehen. Und hier muss der Ansatz zur Besserung liegen. Das Controlling sollte nicht die Politik des Unternehmens bestimmen, aber es muss gestärkt aus dieser erneuten Krise herausgehen. Das heißt z.B. Leerverkäufe weltweit verbieten.
Das heißt, bevor man den Finanzjongleuren an der Spitze der Institute mit Bonus-Vergütungen unvorstellbare Gehälter bezahlt, zudem durch eine private Versicherung gegen die Risiken abgesichert (die Prämie zahlt das Unternehmen), wird es immer wieder zu solchen Exzessen kommen.
Wenn man im ‚Wealth-Management‘ dem Kunden eine Rendite weit über den üblichen Bankzinsen garantiert, muss man Risiken eingehen, sonst geht das nicht. Und eine alte Bauernregel sagt: Risiko heißt auch, es wird Verlierer geben, allerdings sollte das Risiko überschaubar und nachvollziehbar bleiben. Daher muss der Staat Rahmenbedingungen setzen.
Es tut mir weh, als überzeugter Anhänger der freien Marktwirtschaft, das sagen zu müssen, aber leider scheint es nicht anders zu gehen.“
Joachim Popp
Reputation verspielt
„Ich denke, es handelt sich hier um zwei grundverschiedene Vorgänge: Das Management der Silicon Valley Bank (SVB) hat elementare Fehler durch Inkongruenzgeschäfte begangen, die heutzutage eigentlich kein Banker mehr machen sollte. Und die amerikanische Finanzaufsicht hat seinerzeit mittelgroße Banken wie die SVB von Postfinanzkriseregulierungen ausgenommen, sodass SVB quasi unter dem Radarschirm operieren konnte! Und warum könnte ein Ex-Lehman-Banker wieder eine solch exponierte Position in einer Bank bekommen!? Hat da die Bankenaufsicht geschlafen oder beide Augen zugedrückt?
Die Credit Suisse wiederum hat über die letzten Jahre durch eine Reihe von Skandalen ihre Reputation verspielt, und das hat ihr nun, ausgelöst durch SVB, Kopf und Kragen gekostet!
Einige Schweizer Banken verstecken sich nach wie vor hinter ihrem Bankgeheimnis und scheinen sich dazu legitimiert zu sehen, ‚windige‘ Geschäfte zu machen.
Neue EU-Regulierungen für Banken brauchen wir jetzt allerdings nicht!“
Christian Nägele
Die Notübernahme der Credit Suisse ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise vor 15 Jahren.
(Foto: Bloomberg)
Strukturelle Probleme
„Solange Banker in Boni denken, solange wird es immer wieder menschengemachtes Fehlverhalten, bewusst falsche Managemententscheidungen geben. Solange es bequeme Aufsichtsräte gibt, die möglicherweise auch noch branchenfremd sind, solange wird es abgesegnete Boni geben. Solange es Zielvereinbarungen gibt, deren Erreichen mit Boni sanktioniert werden, solange wird es korrupte Banker geben.“
Uta Hubmann
Nur wenig aus den Krisen gelernt
„Für mich haben die Banken nur sehr wenig aus den vorangegangenen Krisen gelernt. Die Risikobereitschaft ist nach wie vor unangemessen hoch. Aber die Ergebnisse geben ihnen Recht. Gewinne werden an die Aktionäre verteilt, Verluste an die Kunden.
Diese Zweiklassengesellschaft dient nicht dazu gewissenhaft zu handeln. Gerade der Einzelne als schwächstes Glied genießt keinen Schutz – besonders bedenklich, da es sich hier nicht um Einlagen und Investitionen handelt, sondern um das ‚kleine‘ Ersparte für das tägliche Leben.“
Tony May
„Sicherheitsgurt“ für Staat und Bürger
„Mit der Pleite der Silicon Valley Bank sind im Wesentlichen reale Risiken beim Versuch, Neues für diese Welt zu schaffen, betroffen – durch die Finanzierung von Start-ups und Anlagen insbesondere in US-Staatsanleihen der Bank.
Bei der Credit Suiss hingegen handelt es sich darüber hinaus um Investment-Zocken – das ist etwas ganz anderes. Deswegen wäre es vielleicht das Wichtigste, die realwirtschaftlichen Bewegungen vom Investment-Zocken abzutrennen.
Banken, die dann wie in einer Spielbank zocken, müssen wissen, dass Verluste daraus nicht mehr vom Staat aufgefangen werden. Dann könnte das Bankenreglement Minimal- bzw. Maximalquoten von Eigenkapitaldeckung und ‚maximaler Spielgeldeinsatz‘ beinhalten.
Das wäre dann eine sehr rigide, doch gut überschaubare Bankenregulierung mit ‚Sicherheitsgurt‘ für Staat und Bürger.“
Michael Langenberger
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Mehr: In der vergangenen Woche debattierte die Handelsblatt-Leserschaft darüber, ob es richtig ist, dass Finanzminister Christian Lindner auf die Einhaltung der Schuldenbremse pocht.