Frankfurt Wer noch keine Pläne für den Herbsturlaub hat, sollte in den kommenden Tagen häufiger bei den Webseiten der Fluggesellschaften vorbeischauen. Die Airlines starten wieder verstärkt Rabattaktionen. So läuft bei der britischen Billigflug-Gesellschaft Easyjet an diesem Dienstag eine Kampagne mit dem Namen „Big Orange Sale“ aus. Ausgewählte Flüge gibt es mit einem Nachlass von 20 Prozent.
Der starke Nachholbedarf nach der langen Pandemie hatte in Kombination mit einem reduzierten Angebot dazu geführt, dass Flüge ausgebucht waren und die Preise durch die Decke gingen. Wie stark, das zeigt der sogenannte Low Cost Monitor, den das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) regelmäßig durchführt. Dabei errechnen die Experten aus den Ticketpreisen inklusive Steuern, Gebühren und Zuschläge an ausgewählten Tagen einen Durchschnittswert.
Bei Ryanair kostete ein Flug im Frühjahr 2019 knapp 60 Euro im Schnitt, im Frühjahr 2023 waren es gut 123 Euro. Ähnlich stark hat Easyjet den Ticketpreis nach oben geschraubt, er stieg von knapp 56 auf fast 103 Euro. Im Fall von Wizz Air verteuerten sich Flüge im Frühjahr sogar von rund 50 auf fast 150 Euro.
Bei Eurowings – die Fluggesellschaft versteht sich nicht mehr als reine Low-Cost-Gesellschaft und verlangte schon vor der Pandemie höhere Preise – legte der Durchschnittswert nur leicht von 106 auf knapp 118 Euro zu.
Zwar werden „Kampfpreise“ aus der Zeit vor der Pandemie wie etwa ein 9,99-Euro-Ticket nicht mehr zurückkehren. Auch wird ein Flug abseits der Schnäppchen und zu besonders begehrten Zielen im Herbst weiterhin wohl recht teuer sein. Mittelfristig können die Passagiere nach den Dauerhöchstpreisen aber wieder auf etwas günstigere Tickets hoffen.
Dafür sprechen mehrere Gründe: Erstens neigt sich das boomende Sommergeschäft dem Ende zu. Viele Airline-Manager gehen davon aus, dass Kundinnen und Kunden wie in vergangenen Jahren im Herbst und Winter weniger privat fliegen werden. Basierend auf diesen Erfahrungswerden versuchen die Manager also, ihre Jets über attraktive Angebote auszulasten. Zwar herrscht in der Branche bei einigen noch Zuversicht.
„Bisher können wir in unseren Buchungen nicht erkennen, dass sich die Nachfrage abschwächt“, sagte Eurowings-Chef Jens Bischof vor wenigen Tagen. Doch klar ist: So viel wie im Sommer wird in den kommenden Wochen und Monaten nicht mehr geflogen.
Dazu dürften auch die hohen Lebenshaltungskosten beitragen. Bisher wurden die Reisebudgets deswegen nicht gekappt. Doch es ist keineswegs sicher, dass das so bleibt.
Tatsächlich gab in einer aktuellen Umfrage des IFAK Instituts im Auftrag des Radiosenders RPR1 jeder Vierte an, im Urlaub bereits erste Abstriche gemacht zu haben. Unter anderem wurden teure Ziele vermieden, es wurde kürzer gereist oder bei der Unterkunft gespart. Da sich die Inflation in Deutschland auf einem hohen Niveau hält, dürften viele Bürgerinnen und Bürger dazu gezwungen sein, im kommenden Jahr auch beim Urlaub stärker als bisher Verzicht zu üben.
Billigflieger wie Ryanair hatten ihre Tickets zuletzt deutlich teurer gemacht.
(Foto: AFP/Getty Images)
Zweitens kommt mehr Angebot in den Markt. So geht der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) davon aus, dass zum Beispiel auf Strecken von und nach Südeuropa demnächst wieder so viele Sitzplätze angeboten werden wie vor Beginn der Pandemie.
Der Höhepunkt sei erreicht, sagte Bernd Bauer, der CEO der Lufthansa-Tochter Discover Airlines, vor wenigen Tagen. Das Geschäft werde sich im kommenden Jahr etwas abflachen, auch weil mehr Kapazität angeboten werde.
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Weniger Nachfrage bei gleichzeitig mehr Angebot – in der Luftfahrt hat das in der Vergangenheit stets die Preise gedrückt. Das dürfte auch dieses Mal der Fall sein, auch wenn die deutlich gestiegenen Gebühren etwa für Flughäfen oder die Flugsicherung einen ruinösen Preiskampf wie in den Jahren vor der Pandemie wohl verhindern werden.
Eine stärkere Zurückhaltung der Kunden könnte die Branche doppelt treffen. Zum einen wird weniger geflogen. Zum anderen dürften Passagiere künftig auch seltener Premium buchen als bisher.
Vor allem der Trend, sich als Privatreisender beim Fliegen mehr zu gönnen, hat Unternehmen wie Lufthansa hohe Gewinne beschert. Doch Alex Irving von Bernstein Research warnt vor falschen Erwartungen: Die Lufthansa-Gruppe setze darauf, dass sie das Buchungsverhalten der Privatkunden dauerhaft in Richtung Premium verschieben könne. Aber es sei viel früh, um sich dessen wirklich sicher zu sein.
Die italienische Regierung hat per Dekret auf den Flugstrecken nach Sardinien und Sizilien Höchstpreise für die Tickets festgelegt.
(Foto: AFP/Getty Images)
Darüber hinaus wächst wegen der Preispolitik der Airlines der Druck der Politik. So hat die italienische Regierung kürzlich die Preise für Flüge auf die beiden Inseln Sizilien und Sardinen per Dekret gedeckelt. Anbieter dürfen mit ihren Preisen maximal 200 Prozent über den Durchschnittskosten für Flüge zu beiden Zielen liegen.
Mehr als über die direkten Folgen dieser Verfügung ärgern sich Airline-Manager über das grundsätzliche Vorgehen. Es sei ein Eingriff in den freien Markt, beklagen Lufthansa, Easyjet, American Airlines, Delta Air Lines und Ryanair in seltener Einigkeit. Ryanair spricht sogar von einem illegalen Vorgang.
Wie bei Airlines wie Ryanair aus einem Ticket für 20 Euro ein Flug für 100 Euro wird
Nun ist es für viele Airlines eine leichte Übung, die Preise für den eigentlichen Flug vermeintlich nach unten zu drücken – und das Geld dann mit Zusatzgebühren zu verdienen. Das ist bei Billigairlines längst Praxis. Nach Berechnungen der britischen Plattform Net Voucher Codes kann aus einem Ticket für rund 20 Euro etwa bei Ryanair ein Flug für fast 100 Euro werden, wenn Gepäck, fester Sitzplatz, eine Versicherung und die schnelle Abfertigung am Gate dazugebucht werden.
Doch auch hier droht der Branche Ärger: So hat die spanische Regierung ein Ermittlungsverfahren gegen sieben Airlines – darunter Ryanair, Vueling und Wizz Air – wegen der Gepäckkosten eingeleitet. Und der britische Premierminister Rishi Sunak kündigte kürzlich an, gegen die Praxis der „hidden fees“ (versteckte Gebühren) vorgehen zu wollen – nicht nur in der Luftfahrt, auch bei Hotelbuchungen oder dem Kauf von Veranstaltungstickets. Das britische Wirtschaftsministerium wurde mit einer Untersuchung beauftragt.
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