Frankfurt Der digitale Euro könnte aus Sicht der Bundesbank die Gefahr eines digitalen Bankruns erhöhen. „Um das volle Potenzial eines digitalen Euro auszuschöpfen, müssen wir die möglichen Risiken begrenzen, etwa das Risiko im Falle eines digitalen Bankruns“, sagte der Leiter des Zentralbereichs Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme, Julian Reischle, auf der Handelsblatt-Tagung Bankenaufsicht 2023.
Die Vorgänge um die Silicon Valley Bank (SVB) und auch um Credit Suisse hätten „nachdrücklich unter Beweis gestellt“, dass Liquidität für eine Bank von existenzieller Bedeutung sei. „In finanziellen Krisenzeiten müssten Bürgerinnen und Bürger nicht am Geldautomaten in der Schlange stehen, um ihr Guthaben zu sichern“, sagte Reischle. „Vielmehr könnten sie ihre Bankeinlagen mit einem Klick oder Touch innerhalb kürzester Zeit in Zentralbankgeld umwandeln.“
Die Einlagenflucht bei SVB und Credit Suisse befeuern damit erneut die Debatte, wie gefährlich digitale Notenbankwährungen für die Stabilität des Finanzsystems sein können.
Der Hintergrund: Solange die Kundengelder ganz normal auf dem Konto liegen, gelten sie als Liquidität für die Bank. Denn juristisch sind Bankguthaben Kredite der Kunden an ihre Bank. Wandeln Kunden ihr Guthaben aber in digitale Euro um, wird es zu einer Forderung des Kunden gegenüber der Europäischen Zentralbank (EZB).
Den Zentralbanken ist die Gefahr durch den digitalen Euro bewusst. Daher soll es Obergrenzen für den Besitz solcher Digitalwährungen geben. Über ihre mögliche Höhe wird allerdings gestritten.
Bundesbank lehnt zu hohe Obergrenze ab
Die EZB hat immer wieder eine Summe von 3000 Euro je Kunde ins Spiel gebracht. Doch Bundesbank-Vorstandsmitglied Burkhard Balz bekräftigte am Mittwoch, dass noch keine Entscheidung über die Höhe der Obergrenze gefallen sei. „Wir werden sicher eine Höchstbetragsgrenze einführen“, sagte er auf einer Diskussionsveranstaltung der Bundesbank. Ob diese Grenze bei 3000 Euro liegen werde, sei aber offen. Die Forderung von Verbraucherschützern, in bestimmten Phasen höhere Beträge zuzulassen, lehnte Balz ab.
Aus seiner Sicht hängt die Höhe der Obergrenze davon ab, inwieweit das Limit zum Beispiel die Finanzstabilität und die Bekämpfung von Geldwäsche beeinträchtigt. Bankenvertreter werfen den Notenbanken vor, dass sie bislang noch keine detaillierten Studien zu den Folgen eines digitalen Euros für Banken mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen durchgeführt haben.
Was ist der Digitale Euro?
Bundesbanker Reischle betonte aber, dass es solche Untersuchungen noch geben soll. „Das ist natürlich völlig klar“, sagte er auf eine entsprechende Frage. „Die Frage nach der Obergrenze ist bewusst sehr weit nach hinten in den konkreten Überlegungen zu einem digitalen Euro gestellt worden“, sagte Reischle. Hier seien entsprechend weitere Untersuchungen notwendig.
In Notenbankkreisen hieß es, die Untersuchungen würden auf Ebene der Europäischen Zentralbank bereits durchgeführt. Die EZB kommentierte das nicht.
Die Tagung findet am 28. und 29. März statt.
Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kam in einer Untersuchung von Januar zu dem Schluss, dass schon eine Obergrenze von 3000 Euro je Kunde viele Genossenschaftsbanken in Bedrängnis bringen würde. Bei einer Obergrenze von 3000 Euro würden danach nur 56 von 714 untersuchten Instituten noch alle gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätspuffer erfüllen. Bei einer Obergrenze von 500 Euro, die der BVR vorschlägt, bekämen dagegen nur 18 Genossenschaftsbanken Probleme.
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Katharina Paust-Bokrezion, Leiterin für regulatorische und politische Angelegenheiten im Bereich des Zahlungsverkehrs der Deutschen Bank, begrüßte die Ankündigung der Bundesbank. Die Notenbanken hätten alle nötigen Instrumente, um die Risiken für das Finanzsystem durch Obergrenzen oder Zinskonditionen zu begrenzen.
Deutsche Bank: Analyse ist „zentral“
Experten von Banken und Zentralbanken müssten sich zusammensetzen, „um die richtigen Werkzeuge mit der richtigen Größe zu definieren“, betonte Paust-Bokrezion. Eine solche Analyse sei „zentral“, um zu vermeiden, „dass zusätzliches Risiko in das System hineinkommt“.
Auch Geschäftsmodelle spielen aus ihrer Sicht eine wichtige Rolle. Für Genossenschaftsbanken, die sich stark über Einlagen von Privatkunden finanzieren würden, sei der digitale Euro ein wichtiges Thema, weil dieser sich vor allem an solche Privatkunden richte. Für andere Banken würden dagegen Einlagen von Unternehmen eine wichtige Rolle spielen. „Insofern würden diese Banken weniger belastet sein“, sagte Paust-Bokrezion.
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Digitale Notenbankwährungen sind nicht die einzigen möglichen digitalen Gefahrenherde für die Liquiditätslage von Banken. In den USA hat Citigroup-Chefin Jane Fraser jüngst Finanz-Apps und soziale Netzwerke als Risikofaktor ausgemacht. „Mit mobilen Finanz-Apps hat sich die Lage komplett verändert“, sagte Fraser der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Zur Silicon Valley Bank gab es ein paar Tweets, und dann ging dieses Ding viel schneller unter, als es das jemals gab.“
Professor Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management verweist aber darauf, dass digitale Transaktionsmöglichkeiten nicht das Bankrun-Risiko an sich erhöhen. „So mag es vielleicht schneller gehen. Aber Technologie löst keinen Bankrun aus oder macht ihn wahrscheinlicher“, sagt er. Auslöser seien fundamentale Probleme einer Bank.
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