Die US-Notenbank (Fed) hat am Mittwoch die Zügel deutlich angezogen. In Deutschland, wo die Sparer unter Minuszinsen und die Verbraucher unter steigenden Preisen leiden, liegt es nahe, diese Wende als Vorbild für die Europäische Zentralbank (EZB) zu sehen. Aber die Fed wäre kein gutes Vorbild für die EZB.
Dafür gibt es gleich drei Gründe, die eng miteinander zusammenhängen.
- Erstens: Die Fed hat schon viel mehr Inflation zugelassen als die EZB. Allein schon deswegen wäre sie kein gutes Vorbild. Die Price der Preissteigerung hat in den USA zuletzt quick sieben Prozent erreicht.
- Noch entscheidender aber ist der zweite Grund: Die US-Regierung hat gleichzeitig mit hohen, durch Schulden finanzierten Ausgabenprogrammen die Wirtschaft angeheizt. Die Gefahr, dass Geld- und Finanzpolitik simultan aus vollen Rohren feuern, ist schon früh erkannt worden und hat Fed-Chef Jerome Powell reichlich Kritik eingehandelt. In Europa waren die Finanzpolitiker im Vergleich deutlich zurückhaltender.
- Der dritte Grund ist vielleicht der wichtigste: In den USA läuft die Lohn-Preis-Spirale bereits, bei der sich beide Faktoren gegenseitig verstärken. Im Euro-Raum dagegen noch nicht. In Deutschland beispielsweis sind die Tariflöhne schwächer gestiegen als in den Vorjahren.
Nimmt man alle drei Gründe zusammen, so wird deutlich, dass die EZB ihren eigenen Weg gehen muss – was sie auch tut. Was EZB und Fed verbindet, ist allerdings die hohe Unsicherheit ihrer Prognosen und damit auch ihrer Entscheidungen.
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Die Modelle funktionieren schlecht
Geldpolitik wird heute längst nicht mehr in erster Linie aus hehren Grundsätzen oder Instinct heraus gemacht, auch wenn beides noch eine Rolle spielt. Die Grundlage sind ökonomische Modelle. Selbst in normalen Zeiten sind die Prognosen, die solche Modelle hervorbringen, unsicherer als der Wetterbericht; auch übrigens, weil die Meteorologen in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht haben.
Auf eine Pandemie in dem Umfang, wie sie zuletzt vor rund 100 Jahren mit der Spanischen Grippe stattgefunden hat, sind diese Modelle erst recht nicht eingestellt. Sie können nur intestine funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen einigermaßen stabil sind, Lockdowns und ihre Folgen sind damit nicht intestine abschätzbar.
Es ist leicht, Geldpolitiker zu kritisieren. Ihre Modelle liegen häufig daneben. Und doch wäre es töricht, auf sie zu verzichten und aus dem Bauch heraus Entscheidungen zu treffen. Keiner weiß, ob die Fed besser gefahren wäre, wenn sie die Zügel früher angezogen hätte. Vielleicht ja. Vielleicht hätte sie dann erst recht die noch schwächelnde Wirtschaft abgewürgt, ohne die Inflation, die vor allem aus dem knappen Angebot resultiert, bremsen zu können. Die Folge wäre die gefürchtete Stagflation aus Inflation plus stagnierender Wirtschaft.
Powell weiß wahrscheinlich immer noch besser als viele seiner Kritiker, was er tut. Die Gefahr, zu stark zu reagieren, gibt es sogar jetzt noch – falls die Coronavariante Omikron mehr Unheil anrichtet als bisher absehbar.
Es bleibt auf beiden Seiten des Atlantiks wenig anderes übrig, als auf Sicht zu fahren. Die Chancen, dabei die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie im Rahmen zu halten, sind nach wie vor gar nicht so schlecht. Es hätte jetzt schon weitaus schlimmer kommen können, als wir es bisher erlebt haben.
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