In der wöchentlichen Kolumne schreiben wir im Wechsel über Innovations- und Wirtschaftstrends in Asien.
(Foto: Klawe Rzeczy )
Voller Häme nutzt Pekings Propaganda-Presse die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) und den tiefen Fall der Credit Suisse für eine verbale Breitseite gegen den westlichen Finanzkapitalismus. Die „sich abzeichnende Bankenkrise in den USA und Europa“ sowie das höchstumstrittene Krisenmanagement hätten „das Vertrauen der internationalen Anleger in das westliche Finanzsystem erschüttert“, schreibt die „Global Times“, Sprachrohr der Kommunistischen Partei, schadenfroh.
Internationales Kapital suche inmitten der westlichen Bankenkrise „wahrscheinlich einen ‚sicheren Hafen‘ in China“, fabuliert man weiter. Bei Letzterem dürfte jedoch eher der Wunsch der Vater des Gedankens sein. Denn die Kapitalzuflüsse internationaler Finanzinvestoren ebbten nach der anfänglichen Post-Corona-Euphorie schnell ab.
Angesichts politischer und wirtschaftlicher Risiken in der Volksrepublik sind globale Anleger vorsichtig geworden. Hinzu kommt, dass die Zinserhöhungen in den USA Investitionen in China weniger attraktiv machen.
So überrascht es kaum, dass Vertreter der chinesischen Zentralbank schnell auf die „gefährlichen Auswirkungen“ rascher geldpolitischer Veränderungen in den Industrieländern auf die Finanzstabilität verweisen. Kein Wort davon, dass die Schockwellen des Bankenbebens im Silicon Valley längst auch China erreicht haben.
Zwar dürften Chinas traditionelle Banken kaum betroffen sein, da sie einen Großteil ihres Geschäfts auf dem heimischen Markt machen. Doch die chinesische Start-up-Szene bekommt die SVB-Pleite schmerzhaft zu spüren. Das chinesische Bankensystem habe eine „Pfandhausmentalität“, kritisierte der bekannte Unternehmer und langjährige Alibaba-Chef Jack Ma. Deswegen war es für Jungunternehmen äußert schwierig, an Geld für Wachstum zu kommen.
Die SVB, die in China in einem Joint Venture mit der Shanghai Pudong Development Bank (SPD) aktiv war, stieß in diese Lücke. Sie brachte renditesuchende Risikokapitalinvestoren aus den USA mit kapitalhungrigen Start-ups aus China zusammen.
Ihr ehemaliger CEO Ken Wilcox erinnert an die Anfangsjahre: 2004 organisierte die SVB eine sechstägige Chinareise für die bekanntesten Risikokapitalfirmen des Silicon Valley mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 50 Milliarden Dollar und brachte diese mit lokalen Tech-Konzernen zusammen. „Im Silicon Valley wurde diese Reise zur Legende“, zitiert „The Wire China“ aus einem Vorabdruck seines Buchs.
Kreative Finanzierungswege für chinesische Start-ups
Dabei ging man offenbar mitunter kreative Wege, um die strengen staatlichen Auflagen für ausländische Investitionen in chinesische Technologieunternehmen zu umgehen – etwa über einen Briefkasten in der Steueroase Kaimaninseln.
Zuletzt verfügte die SPD Silicon Valley Bank (SSVB) über Vermögenswerte von mehr als zwei Milliarden US-Dollar und zählte mehr als 2000 Kunden in China. Darunter sind viele bekannte, junge chinesische Tech-Firmen wie die Lieferplattform Meituan, der Überwachungsspezialist Sensetime und das Bike-Sharing-Unternehmen Mobike. Das Geschäft sei eigenständig und laufe weiter, betonten die Aufseher schnell. Als wahrscheinlich gilt, dass die Partnerbank SPD den SVB-Anteil übernimmt.
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Doch ob der künftige Eigentümer es wagt, die Investitionsregeln ähnlich flexibel zu handhaben, ist fraglich. Zumal die chinesische Staatsführung angekündigt hat, im Finanzsektor härter durchzugreifen. Die Chinaskepsis ausländischer Geldgeber wächst angesichts zunehmender politischer Eingriffe in der Volksrepublik. Die sogenannte Berichtigungskampagne im Tech-Sektor hat auch bei den ausländischen Kapitalgebern ihre Spuren hinterlassen.
Während 2021 noch mehr als ein Drittel aller Investitionen in chinesische Start-ups in Dollar war, sank der Anteil 2022 auf unter ein Fünftel, wie die „Financial Times“ jüngst berichtete. Selbst große Risikokapitalgeber wie Sequoia ziehen sich immer häufiger aufgrund wachsender nationaler Sicherheitsbedenken in den USA aus Investitionen in chinesische Technologieunternehmen zurück.
Die Pleite der SVB-Bank könnte dieses Decoupling beschleunigen. Die Folgen für Start-ups in China sind bislang nicht absehbar.
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