Die Bundesregierung hat in Rekordzeit drei schwimmende Landestellen für verflüssigtes Erdgas aus Ländern wie den USA, Katar und anderen Staaten bauen lassen.
(Foto: IMAGO/Future Image)
Düsseldorf Die Bedeutung fossiler Energien wird in den nächsten Jahren rapide abnehmen. Und erneuerbare Energien garantieren Versorgungssicherheit. Das sind die zwei überraschenden Hauptaussagen des alljährlichen BP Energy Outlooks, den der britische Öl- und Gaskonzern an diesem Montag in London vorgestellt hat.
„Der Ukrainekrieg wird weitreichende Folgen für das globale Energiesystem haben“, sagte BP-Chefökonom Spencer Dale bei der Vorstellung des Reports. Während Dekarbonisierung und die Energiewende in den vergangenen Jahren oft im Fokus gestanden hätten, seien nun Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit in den Mittelpunkt gerückt. „Die Welt muss weg von Öl und Gas, hin zu den Energien, die vor Ort produziert werden, um Energierisiken und Abhängigkeiten zu minimieren“, sagt der Analyst.
Zum ersten Mal sehen alle drei Szenarien des Energy Outlooks eine Abnahme der fossilen Energien bis 2050 voraus. Allein bis 2035 rechnet BP damit, dass die weltweite Ölnachfrage je nach politischen Rahmenbedingungen zwischen fünf und sechs Prozent sinken könnte. Bis 2050 könnte sich der Anteil am Energieverbrauch von aktuell rund 80 Prozent auf 20 bis 50 Prozent minimieren.
Der Ausbruch des Ukrainekriegs hat die Energiewelt auf den Kopf gestellt. Mit Russland ist aufgrund von Sanktionen innerhalb kürzester Zeit einer der wichtigsten Öl- und Gaslieferanten weltweit ausgefallen. Für Europa und Deutschland war das Land der mit Abstand wichtigste Exportpartner für fossile Energien.
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Nach dem Kriegsbeginn haben sich die globalen Energiehandelsrouten jedoch dramatisch verändert, der sprunghafte Anstieg der weltweiten Energiepreise im vergangenen Jahr veranlasste Regierungen gleichzeitig dazu, die heimische Energieerzeugung zu beschleunigen.
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So hat die Bundesregierung nicht nur in Rekordzeit drei schwimmende Landestellen für verflüssigtes Erdgas aus Ländern wie den USA, Katar und anderen Staaten bauen lassen und alte Kohlekraftwerke wieder zurück ans Netz beordert. Auch Gesetzeserleichterungen für den Bau von Wind- und Solaranlagen wurden auf den Weg gebracht.
„Der Ukrainekrieg wird weitreichende Folgen für das globale Energiesystem haben.“
(Foto: BP)
Anteil Erneuerbarer steigt erheblich
Trotzdem dominierte der Füllstand der nationalen Gasspeicher die öffentliche Diskussion in den vergangenen Monaten mit großem Abstand, verglichen mit dem viel zu langsamen Ausbau der Erneuerbaren hierzulande. Was aussieht wie ein Comeback der fossilen Energien, mündet laut Experten in den nächsten Jahrzehnten aber im genauen Gegenteil: einem rasanten Aufstieg der Erneuerbaren weltweit.
Weil immer mehr Länder ihre Versorgungssicherheit erhöhen und ihre Abhängigkeit von anderen Ländern senken wollen, wird die heimische Erzeugung von Energie wichtiger, schreiben die BP-Analysten. Das betrifft meistens Wind, Solar, Geothermie, Wasser- und Atomkraft. Je nach Szenario könnte der Anteil Erneuerbarer bis 2050 von heute knapp zehn Prozent auf 35 bis 65 Prozent weltweit steigen.
Weil Länder ihre Versorgungssicherheit erhöhen und ihre Abhängigkeit zu anderen Ländern senken wollen, wird die heimische Erzeugung von Energie wichtiger.
(Foto: dpa)
Ein wichtiger Punkt, den der Bericht besonders herausstellt, ist Energieeffizienz. Laut den Experten geht der Energieverbrauch bis 2035 um 3,5 Prozent zurück. Auch das sei eine Folge des Ukrainekriegs.
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Durch die Energiepreiskrise trübe sich auch das weltweite Wirtschaftswachstum ein. Je nach Szenario könnte der Energieverbrauch somit zwischen 2025 und 2040 seinen Höhepunkt erreichen, getrieben durch Effizienzbemühungen infolge der Energiepreiskrise. Das liege vor allem daran, dass Elektrizität die dominante Energieform der Zukunft werde und Rohstoffe sowie Recycling effizienter würden.
Erste Anzeichen dafür, wie wichtig Energieeffizienz sein kann, hat Deutschland selbst in diesem Winter feststellen können. Sowohl Industrie- als auch Haushaltskunden sparten im vergangenen Jahr laut Bundesnetzagentur 17,6 Prozent ihres Gasverbrauchs ein.
Gasverbrauch
17,6
Prozent
ihres Gasverbrauchs sparten sowohl Industrie- als auch Haushaltskunden im vergangenen Jahr laut Bundesnetzagentur ein.
Immer wieder hatte die Regierung darauf hingewiesen, dass jeder Einzelne Gas sparen müsse, damit das Land ohne russische Lieferungen durch den Winter kommt – mit Erfolg.
Dass Wirtschaftswachstum auch ohne gleichsam steigenden Energieverbrauch machbar ist, hat bereits die letzte große Energiekrise gezeigt, die Ölkrise in den 1970er-Jahren. Damals war es gelungen, den Energieverbrauch bis 1990 annähernd konstant zu halten, während die gesamtwirtschaftliche Leistung real um mehr als 80 Prozent anstieg.
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