Düsseldorf Der deutsche Leitindex hat am heutigen Dienstag kurzfristig wieder die Marke von 16.000 Punkte überwunden und erreichte am ersten Handelstag im Börsenmonat Mai mit 16.011 Punkten ein neues Jahreshoch. Anschließend rutschte der Dax aber wieder deutlich ab. Zum Handelsschluss notierte das Börsenbarometer bei 15.727 Zählern, ein Minus von 1,2 Prozent oder umgerechnet 195 Punkten.
Im vergangenen Börsenmonat April hat der Dax seinen durchschnittlichen Kursanstieg seit 1989 von 2,8 Prozent nicht ganz geschafft. Das Plus betrug nur 1,9 Prozent. Doch seit dem Jahresauftakt ist der Dax bereits um rund 14 Prozent nach oben geklettert, seit dem Tiefstand des vergangenen Jahres Ende September sogar über 31 Prozent.
Sowohl die Anlegerstimmung als auch die Charttechnik signalisieren weiter steigende Kurse, was einen Anstieg bis zum Rekordhoch wahrscheinlich werden lässt, das bei 16.290 Zählern liegt.
Für weitere Kursgewinne gibt es vier gute Gründe.
Üblicherweise sollte bei Notierungen knapp unterhalb eines Rekordhochs unter den Anlegern eine euphorische Stimmung herrschen, wegen der Freude über die bereits erzielten und der Vorfreude auf weitere Kursgewinne. Doch laut den Ergebnissen der aktuellen Handelsblatt-Umfrage Dax-Sentiment ist das Gegenteil der Fall.
Eine Mehrheit hat offenbar von den Kursgewinnen in den vergangenen Wochen nicht profitiert und erwartet angesichts der vielen Risiken wie einer Rezession oder des Kriegs in der Ukraine fallende Kurse. Aufmerksame Leserinnen und Leser von Sentimentanalysen wissen, dass solch eine Stimmung ein Kontraindikator ist und eher steigende Notierungen erwarten lässt. Dafür gibt es auch ein passendes Börsensprichwort: Die Kurse steigen an einer Wand voller Zweifel, der „Wall of Worries“.
2. Anleger müssen steigenden Kursen hinterherlaufen
In der gut zweiwöchigen Seitwärtsbewegung im April haben Anlegerinnen und Anleger damit begonnen, auf einen rasanten Kursrutsch zu setzen. Das zeigt die aktuelle Umfrage der Börse Frankfurt vom vergangenen Mittwoch.
„Alle warten auf den Knall“, meinte Verhaltensökonom Joachim Goldberg nach Auswertung der Umfrage der Börse Frankfurt unter institutionellen Investoren und Privatanlegern.
Dahinter steckte der Wunsch nach einem Kursrutsch, wodurch schnelle Gewinne durch den Verkauf der Short-Positionen möglich gewesen wären. Gleichzeitig hätte sich eine neue Einstiegsgelegenheit ergeben.
Doch mit dem zweiten Jahreshoch innerhalb von zwei Handelstagen scheint dieses Szenario hinfällig zu werden. Diese Anleger geraten nun unter Druck, ihre Short-Positionen zu verkaufen, damit die Verluste nicht zu groß werden.
Dax klettert über die Marke von 16.000
Das ist eine Stütze für den Markt. Denn bei einer Short-Spekulation, dem Kauf eines Put-Produktes auf den Dax, wird zunächst der Leitindex verkauft. Bei einem Verkauf des Derivats muss der Dax wieder zurückgekauft werden, was den Kurs steigen lässt.
3. Neues Kaufsignal beim Dax
Der Handelsverlauf am vergangenen Freitag hat laut technischer Analyse für ein neues prozyklisches Kaufsignal gesorgt. Denn zum einen wurde mit dem Tagestief mit 15.688 Zählern der wichtige Widerstandsbereich zwischen 15.700 bis 15.600 Punkten erfolgreich getestet.
Und zum anderen wurde die rund zweiwöchige Seitwärtsphase mit einem neuen Jahreshoch nach oben hin aufgelöst. Interessant dabei: Die gesamte Handelsaktivität seit dem 14. April lag innerhalb der Range vom vergangenen Freitag.
Martin Utschneider, technischer Analyst bei der Privatbank Donner & Reuschel, prognostiziert ein mittelfristiges Kursziel von rund 16.600 Punkten. Allerdings signalisieren verschiedene mittelfristige Indikatoren, dass es eher langsam nach oben geht.
4. Dax-Kursindex hat noch Nachholpotenzial
Ein Blick auf den Dax-Kursindex, bei dem im Gegensatz zum klassischen Dax die Dividenden nicht mit eingerechnet werden, zeigt: Dieser Kursindex liegt mit 6451 Zählern mit rund sieben Prozent unterhalb seines Rekordhochs von 6883 Punkten.
Für Jörg Scherer, technischer Analyst bei HSBC Deutschland, lässt die bisherige Entwicklung hoffen, dass dieser Kursindex wieder in den Bereich seines Rekordhochs steigt. Ein Anstieg von sieben Prozent beim Dax als Performanceindex würde umgerechnet ein Niveau von 17.000 Punkten bedeuten – plus die Dividenden, die zusätzlich eingerechnet werden.
Inflationsrate bleibt hoch
Die Inflation in der Euro-Zone hat sich im April wieder etwas verstärkt. Die Verbraucherpreise erhöhten sich gegenüber dem Vorjahresmonat um sieben Prozent, wie das Statistikamt Eurostat am Dienstag mitteilte. Im März war die Rate noch deutlich gesunken: von 8,5 Prozent im Februar auf 6,9 Prozent. Experten hatten für April mit einer unveränderten Rate gerechnet.
Im Gegensatz zur allgemeinen Inflation ging die Kerninflation im April etwas zurück. Bei den Verbraucherpreisen ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel meldete Eurostat einen Anstieg im Jahresvergleich um 5,6 Prozent. Im März hatte die Kernteuerung mit 5,7 Prozent den höchsten Wert seit Bestehen des Währungsraums markiert. Sie gibt laut Ökonomen einen guten Eindruck über den grundlegenden Inflationstrend.
Blick auf Einzelwerte
Infineon: Bester Wert im Leitindex sind die Anteile des Chipkonzerns mit zwei Prozent. Sie profitierten dabei von guten Branchenvorgaben aus den USA. Der Chipkonzern startet um 14 Uhr öffentlichkeitswirksam den Ausbau seines Werkes in Dresden. Infineon investiert fünf Milliarden Euro in die Halbleiterproduktion und möchte rund 1.000 neue Stellen schaffen. Aus geopolitischer Sicht wird die Investition geschätzt, um Europa unabhängiger von der Chipfertigung in Asien zu machen.
Traton: Die Volkswagen-Lkw-Tochter schraubt nach einem unerwartet guten ersten Quartal die Gewinnprognose nach oben. Traton konnte die Verkaufszahlen seiner Marken MAN, Scania, Navistar und VW um ein Viertel auf gut 84.500 nach oben schrauben, nachdem sich die Lage bei den Zulieferern entspannt hat. Die Aktie liegt nach einem freundlichen Auftakt aber 3,4 Prozent im Minus.
Software AG: Das gestiegene Interesse von Hedgefonds schürt Börsianern zufolge Spekulationen auf einen Bieterwettkampf. Die Aktien des Darmstädter Unternehmens stiegen daher am Dienstag um 8,2 Prozent auf 33,44 Euro und lagen damit über der Offerte des Finanzinvestors Silver Lake.
Der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge hat Bain Capital Anteile der Software AG zusammengekauft. Der Investor suche das Gespräch mit dem SAP-Rivalen und wolle ihn mit Rocket Software fusionieren. Bain hatte den IT-Dienstleister aus den USA 2018 für etwa zwei Milliarden Dollar übernommen. Bloomberg hatte zuvor außerdem berichtet, der aktivistische Investor Elliott sei bei der Software AG eingestiegen, um von einem möglichen Bieterwettstreit zu profitieren.
Silver Lake bietet 30 Euro je Aktie oder insgesamt 2,2 Milliarden Euro für die Software AG. Der Investor ist bereits seit 2021 an dem Unternehmen beteiligt und kann über eine Wandelanleihe weitere neun Prozent der Anteile erhalten. Im Rahmen der aktuellen Übernahmeofferte sicherte sich Silver Lake ein 25,1 Prozent schweres Aktienpaket des Firmen-Mitgründers Peter Schnell.
Shop Apotheke: Der Online-Arzneimittelhändler hat zum Jahresauftakt einen Wachstumssprung geschafft. Die Firma erreichte im ersten Quartal mit 13 Millionen Euro einen bereinigten operativen Gewinn (Ebitda) nach einem Verlust von 4,3 Millionen vor Jahresfrist. Der Vorstand bekräftigte seine Jahresziele. Der Aktienkurs, der sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt hat, gibt am heutigen Dienstag 1,8 Prozent nach.
SGL Carbon: Eine Kaufempfehlung der Deutschen Bank beflügelt die Titel des Kohlenstoffspezialisten. Der Kurs steigt um mehr als sieben Prozent.
Stabilus: Der Autozulieferer profitiert im zweiten Geschäftsquartal von einer anziehenden Autoproduktion in Europa und einem guten Industriegeschäft in Nordamerika. Einige Analysten hatten aber mit einem noch besseren Abschneiden gerechnet. Die Jahresprognosen bestätigten die Koblenzer. Die Papiere verlieren fast sechs Prozent.
Im Dax werden am Dienstag die Papiere der Pharma- und Chemiekonzerne Merck KGaA und Bayer mit Dividendenabschlag gehandelt, Kursverluste sind hier also in erster Linie optischer Natur.
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