Düsseldorf Herrscht am deutschen Aktienmarkt eine trügerische Ruhe? Seit zwei Wochen bewegt sich der deutsche Leitindex in einer Spanne von rund 200 Punkten seitwärts. Auf der Oberseite ist bei rund 15.900 Punkten Schluss, auf der Unterseite herrscht bei 15.700 Punkten größere Kaufbereitschaft.
Auch am heutigen Handelstag bleibt der Dax zunächst in dieser Spanne. Nach einem schwachen Auftakthandel mit einem Tagestief von 15.706 Punkten notiert der Index vormittags wieder bei 15.826 Zählern, ein Plus von 0,2 Prozent.
Trotz der zweiwöchigen Seitwärtsbewegung erwarten Anlegerinnen und Anleger aber im stärkeren Maße Marktturbulenzen. „Alle warten auf den Knall“, meint Verhaltensökonom Joachim Goldberg nach Auswertung der Umfrage der Börse Frankfurt unter institutionellen Investoren und Privatanlegern. Offenbar möchte sich eine Mehrheit nicht mehr auf die alte Börsenregel „ruhiger Markt, geringes Risiko“ verlassen.
Vor allem Privatanleger setzen nun verstärkt auf fallende Kurse und nähern sich mit ihrem Verhalten den bereits seit längerer Zeit pessimistischen Profis an. Das zeigt nicht nur die Frankfurter Umfrage, sondern auch der Euwax-Indikator der Börse Stuttgart, an der vor allem Privatanleger handeln. Der Anteil der Put-Hebelprodukte auf den Dax ist in den vergangenen Tagen deutlich angestiegen.
Steigender Pessimismus, kleiner Hoffnungsschimmer
Hinter diesem steigenden Pessimismus steckt der Wunsch nach einem Szenario, das Goldberg wie folgt skizziert: schneller Anstieg der Volatilität, eingehend mit einem Kursrutsch an einem Tag von drei bis vier Prozent. Dann wären schnelle Gewinne durch den Verkauf der Short-Positionen möglich. Gleichzeitig böte sich eine günstige neue Einstiegsgelegenheit.
Der Verhaltensökonom erwartet wie bereits in der Vorwoche spätestens Nachfrage bei 15.350 bis 15.400 Zählern. Dieses Niveau dürfte den deutschen Leitindex stützen, damit herrscht am Markt eine günstige Ausgangsituation für weiter steigende Kurse.
Erfahrene Börsianer wissen: Je mehr Investoren auf ein Szenario setzen, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es eintritt. Auch Goldberg zweifelt daran, ob es einen schnellen Kursrutsch mit einem optimalen Einstiegsszenario für Private und Profis geben wird. Selbst wenn dieses Szenario eintreten sollte, bliebe der Aufwärtstrend beim deutschen Leitindex immer noch intakt.
Seitens der Charttechnik gibt es sogar einen kleinen Hoffnungsschimmer. Die hohe Rückkaufneigung am gestrigen Handelstag ist ein positives Signal. Sollte es zu Anschlusskäufen am heutigen Donnerstag kommen, steigt nach Meinung von Martin Utschneider, technischer Analyst bei der Privatbank Donner & Reuschel, die Möglichkeit, dass es ein Jahreshoch geben wird. Das bisherige liegt bei 15.919 Punkten. Utschneiders kurzfristiges Kursziel liegt bei 16.660 Zählern, was ein neues Rekordhoch wäre.
Gegenwind aus den USA
Was fehlt, ist allerdings Rückenwind aus den USA. Von der Wall Street kam am gestrigen Mittwoch sogar Gegenwind: Die großen Indizes gaben leicht nach.
Denn die Bankenkrise ist längst nicht das einzige Thema, das die US-Wirtschaft belastet. Der weiterhin ungelöste Streit über die Erhöhung der US-Schuldenkrise wird an den Börsen zu einem immer größeren Risiko. Abzulesen ist das insbesondere an den stetig ansteigenden Prämien der Kreditausfallversicherungen (CDS) für US-Staatsanleihen.
Laut Thomas Altmann mag „noch niemand an einen Zahlungsausfall der größten Volkswirtschaft der Welt glauben“. Aber die Kosten zur Absicherung gegen einen US-Zahlungsausfall steigen aktuell sprunghaft an.
„Für die kurze Laufzeit von einem Jahr ist es mittlerweile teurer, sich gegen einen Zahlungsausfall von US-Staatsanleihen zu versichern als bei brasilianischen oder kolumbianischen Staatsanleihen“, rechnet Altmann vor.
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Blick auf Einzelwerte
Deutsche Bank: Das Geldhaus ist dank höherer Erträge so gut wie seit Langem nicht mehr ins Jahr gestartet. „Wir haben mit 7,7 Milliarden Euro die höchsten Erträge in einem Quartal seit 2016 erreicht, der Vorsteuergewinn von 1,9 Milliarden Euro war das beste Ergebnis seit 2013“, betonte Vorstandschef Christian Sewing in einer Nachricht an die Beschäftigten. Dennoch kündigte die Bank auch einen schärferen Sparkurs an. Die Nachrichten sorgen nach einem schwachen Auftakthandel für ein Plus von zwei Prozent bei der Aktie.
Deutsche Börse: Bei dem Aktienkurs überlagerte ein Übernahmeangebot für den dänischen Datenanbieter Simcorp den starken Jahresauftakt des Börsenbetreibers. Die Papiere sacken um 6,3 Prozent ab.
Aixtron: Höhere Kosten haben den Chipanlagenbauer belastet, die Aktie rutscht um sieben Prozent ab. Aufgrund der anhaltend starken Nachfrage und stabiler Lieferketten erwartet der Vorstand für 2023 ein signifikantes Wachstum mit steigenden Margen und bestätigte daher seine Jahresziele.
Hellofresh: Ein Anstieg des Bestellwerts beschert dem Unternehmen einen Rekord-Quartalsumsatz. Gleichzeitig fiel der Gewinneinbruch des Kochboxversenders zu Jahresbeginn weniger stark aus als befürchtet. Deswegen liegt die Aktie mit einem Plus von knapp sieben Prozent an der Spitze im Nebenwerteindex MDax.
Zwei Aktien werden am heutigen Donnerstag mit einem Dividendenabschlag gehandelt. Die RTL Group zahlt 3,40 Euro, der Schlusskurs am Mittwoch lag bei 48,25. Der Baukonzern Hochtief zahlt vier Euro bei einem Schlusskurs am Vortag von 80,70 Euro.
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