Düsseldorf Der deutsche Aktienmarkt bleibt nervös, arbeitet sich aber Schritt für Schritt nach oben. Am Freitag stieg der Leitindex Dax mit der Schlussaktion auf ein neues Jahreshoch von 15.922 Punkten.
Das Frankfurter Börsenbarometer beendete den Handelstag 0,8 Prozent im Plus, auf Wochensicht steht ein Gewinn von 0,3 Prozent. Damit gerät wieder die Marke von 16.000 Punkten in Blick, darüber wartet schon das Rekordhoch von 16.290 Zählern als nächster Anlaufpunkt.
Der Handel am Freitag enthielt mehrere Wendungen: Nach einem positiven Start fiel der Dax bis auf 15.688 Zähler, ehe er ab Mittag wieder nach oben drehte und mit einem Jahreshoch schloss – bereits dem siebten in diesem April. Allerdings wurde die Marke jeweils nur um wenige Zähler nach oben verschoben. Auf Monatssicht steht ein Plus von knapp zwei Prozent – für den traditionell starken Börsenmonat ist das eine unterdurchschnittliche Ausbeute.
Ermöglicht wurde das Jahreshoch am Freitag von den Inflationszahlen für Deutschland, die am Nachmittag etwas besser als erwartet ausfielen. Die Teuerungsrate ist im April auf den niedrigsten Stand seit acht Monaten gefallen. Die Verbraucherpreise lagen im Schnitt 7,2 über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit August 2022. Von der Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 7,3 Prozent gerechnet.
Ökonom Michael Heise vom Family Office HQ Trust kommentiert: „Die Verminderung des Preisanstiegs kommt in Trippelschritten voran.“ Als erfreulich gilt vor allem, das sich der massive Preisanstieg der Nahrungsmittel erheblich abgeschwächt hat. Der Rückgang der Inflation ist wichtig, weil er zeigt, dass die bisherigen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank wirken und sie eventuell die Zinsen weniger stark als befürchtet anheben muss, um ihr Inflationsziel von 2,0 Prozent zu erreichen.
Allerdings gibt Heise zu bedenken, dass zunehmend die Kerninflation, die Waren und Dienstleistungen ohne Energie und Nahrungsmittel erfasse, die die Höhe der Gesamtinflation bestimme: „Hier schlägt zu Buche, dass die Kostensteigerungen der vergangenen Monate in die Preise überwälzt werden.“
Der nur sehr langsame Rückgang der Inflation im April sei daher ein „klares Indiz“, dass die Stabilisierung des Preisniveaus ein längerer Prozess sein wird, der die Geduld der Verbraucher strapazieren dürfte. „ Eine Zinserhöhung der EZB um mindestens 25 Basispunkte sollte mit diesen Inflationsdaten für Deutschland ziemlich sicher sein“, sagt Heise. Der nächste Zinsentscheid der EZB steht am nächsten Donnerstag an.
Die Wirtschaftszahlen für Deutschland waren am Freitag zuvor enttäuschend ausgefallen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stagnierte von Januar bis März zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten ein Plus von 0,2 Prozent erwartet, nachdem es im vierten Quartal noch ein Minus von revidiert 0,5 (bisher: minus 0,4) Prozent gegeben hatte. Diese optimistische Einschätzung war bereits in den Kursen eingepreist, weswegen die enttäuschenden Zahlen auf die Stimmung drückten.
Yen unter Druck
Nach dem Zinsentscheid der japanischen Notenbank (BOJ) geht es für die Landeswährung Yen bergab. Der Dollar steigt im Gegenzug um 1,5 Prozent auf 136,53 Yen.
Die japanische Notenbank hat auf der ersten Zinssitzung unter ihrem neuen Gouverneur Kazuo Ueda an ihrer ultralockeren Geldpolitik festgehalten. Die Währungshüter entschieden auf ihrem Treffen zwar, die Geldpolitik einer breit angelegten Überprüfung unterziehen zu wollen, allerdings wollen sie sich dafür anderthalb Jahre Zeit nehmen.
Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann kommentiert deshalb: „Mit diesem Statement dürfte die Hoffnung derjenigen (mich inklusive) erschüttert worden sein, die gehofft hatten, dass wenigstens eine langsame, graduelle Wende in Richtung einer geldpolitischen Normalisierung erfolgen könnte, wenn schon kein U-Turn gleich mit Kazuo Uedas Amtsübernahme.“
Einzelwerte im Blick
Mercedes-Benz: Der Autobauer steigerte sein Konzernergebnis um zwölf Prozent auf vier Milliarden Euro – und damit noch stärker als das schon bekannt gegebene Betriebsergebnis. Die Aktie des sechstgrößten Dax-Werts stieg um 0,7 Prozent.
Covestro: Für den Kunststoffkonzern Covestro könnte das Jahr glimpflicher verlaufen als zunächst befürchtet. Für 2023 rechnet Covestro nun bestenfalls mit einem operativen Gewinn (Ebitda) auf Vorjahresniveau von 1,6 Milliarden Euro bis hin zu einem Rückgang auf 1,1 Milliarden Euro. Bislang hatte das Leverkusener Unternehmen ein Ergebnis deutlich unter dem Vorjahreswert prognostiziert.
Auch das laufende Aktienrückkaufprogramm, das Mitte letzten Jahres wegen der trüben konjunkturellen Aussichten auf Eis gelegt wurde, soll kurzfristig wieder aufgenommen werden. Die Aktie profitierte von den Nachrichten und stieg 8,5 Prozent.
Pro Sieben Sat 1: Der MDax-Konzern hatte am Donnerstagabend bereits eine massive Dividendenkürzung sowie einen Gewinn- und Umsatzrückgang bekannt gegeben. Zudem trennt sich Pro Sieben Sat 1 mit sofortiger Wirkung und in gegenseitigem Einvernehmen von Finanzchef Ralf Gierig. Die Aktie brach um rund 17 Prozent ein. „ProSieben hat seine Aktie als Dividendentitel gekillt“, sagte ein Händler der Nachrichtenagentur Reuters.
Hellofresh: Die US-Bank JP Morgan erhöht ihr Kursziel für den Kochboxversender von 27 auf 31 Euro. Die Aktie des MDax-Konzerns drehte nach einem positivem Start aber ins Minus und verlor 5,7 Prozent auf 24,23 Euro.
Software AG: Aktien des Softwareunternehmens stiegen im Kleinwerteindex SDax um knapp zwei Prozent. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass der aktivistische Investor Elliott bei der Software AG eingestiegen ist. Das mitten im Umbau steckende Darmstädter Unternehmen steht vor einer 2,2 Milliarden Euro schweren Übernahme durch den US-Finanzinvestor Silver Lake.
Varta: Der angeschlagene Batteriehersteller kappt ein weiteres Mal seine Prognose. Der Umsatz werde nun zwischen 820 und 870 Millionen Euro liegen, teilte das SDax-Unternehmen am Freitag mit. Bislang war Varta von 850 bis 880 Millionen Euro ausgegangen. Die Aktie verlor 3,4 Prozent.
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