Die Volkswirtin hatte Insidern zufolge die Unterstützung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
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Frankfurt, Berlin Claudia Buch steigt aller Voraussicht nach zur obersten Bankenkontrolleurin in der Euro-Zone auf. Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) habe sich in einer geheimen Abstimmung mehrheitlich für die Bundesbank-Vizepräsidentin ausgesprochen, teilte die Notenbank am Mittwoch mit.
Wenn das Europaparlament und der Rat der EU die Personalie wie erwartet absegnen, wird Buch Anfang 2024 die Leitung der EZB-Bankenaufsicht übernehmen. Sie folgt auf den Italiener Andrea Enria, der Ende Dezember abtritt.
„Ich freue mich sehr über das Vertrauen des EZB-Rats und auf die nächsten Schritte im Verfahren auf europäischer Ebene“, sagte Buch.
Die EZB-Bankenaufsicht ist seit Herbst 2014 federführend für die Überwachung der größten Banken in der Euro-Zone zuständig. In Deutschland kontrolliert sie – in Zusammenarbeit mit der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin – unter anderem die Deutsche Bank und die Commerzbank.
Um den Chefposten bei der EZB-Bankenaufsicht hatte sich auch Margarita Delgado beworben, die Vizepräsidentin der spanischen Notenbank. Nach einer informellen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments (ECON) hatten sich die Koordinatoren der Fraktionen im Juli für Delgado ausgesprochen. Ausschlaggebend dafür war Delgados lange Erfahrung als Bankenaufseherin.
Aus dem gleichen Grund sind auch einige Finanzmanager der Ansicht, dass Delgado die besser Wahl gewesen wäre. Andere Entscheidungsträger fanden es dagegen positiv, dass Buch nicht nur Aufseherin, sondern zugleich auch Makroökonomin ist.
Buch will „kritische Aufsichtskultur“ weiterentwickeln
Finanzkreisen zufolge warb auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde für Buch. Nach der Entscheidung im EZB-Rat folgt für Buch nun noch eine öffentliche Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des EU-Parlaments.
„Es steht außer Frage, dass Claudia Buch eine hervorragend qualifizierte Kandidatin ist“, erklärte Parlamentarier Markus Ferber von der EVP. Dennoch sei es überraschend, dass die EZB der klaren Empfehlung des Wirtschafts- und Währungsausschusses für die Besetzung des Postens nicht gefolgt sei.
Buch ist seit 2014 Vizepräsidentin der Bundesbank und hat sich dort viel mit dem Thema Finanzstabilität beschäftigt. Im April übernahm die promovierte Ökonomin im Vorstand zudem die Zuständigkeit für die Bankenaufsicht.
Die 57-Jährige legt großen Wert auf die genaue Auswertung von Daten. Wenn man ihr Fragen stellt, antwortet sie häufig mit Verweisen auf wissenschaftliche Studien oder Datenerhebungen.
Buch findet es wichtig, dass die EZB-Bankenaufsicht Defizite bei Geldhäusern nicht nur anprangert, sondern auch entschlossen sanktioniert. „Das Umfeld ändert sich, für Banken, Unternehmen und Gesellschaft“, sagte sie kürzlich im Handelsblatt-Interview. „Deshalb müssen wir unsere kritische Aufsichtskultur weiterentwickeln. Dazu gehört, unsere aufsichtlichen Instrumente so effektiv wie möglich einzusetzen.“
Bundesbank braucht eine neue Vizepräsidentin
Für die Bundesregierung ist es ein Prestigeerfolg, dass mit Buch nun eine Deutsche Chefin der EZB-Bankenaufsicht wird. Zudem bekommt Finanzminister Christian Lindner (FDP) damit die Möglichkeit, zusammen mit seinen Regierungspartnern eine Nachfolgerin für den Posten der Bundesbank-Vizepräsidentin zu nominieren.
Es gibt jedoch auch Stimmen, die Buchs Nominierung kritisch sehen. Sie argumentieren, dadurch würden Deutschlands Chancen schwinden, einen Nachfolger für EZB-Präsidentin Christine Lagarde zu nominieren, deren Amtszeit im Jahr 2027 endet.
Proporz spielt bei der Postenvergabe auf europäischer Ebene eine wichtige Rolle. Durch die Niederlage der Spanierin Delgado im Ringen um den Chefposten bei der EZB-Bankenaufsicht steigen nun die Chancen ihrer Landsfrau Nadia Calviño. Die spanische Wirtschaftsministerin möchte gerne Chefin der Europäischen Investitionsbank (EIB) werden – und galt dabei bisher schon als Favoritin.
Mit der langjährigen EU-Kommissarin Margrethe Vestager hat Calviño allerdings eine prominente Mitbewerberin. Die Dänin möchte, dass sich die EIB bei der Vergabe von Risikokapital stärker engagiert, um die Entwicklung von europäischen Start-ups und Technologiefirmen voranzutreiben.
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