Peking In China werden Auslandskorrespondenten immer öfter davon abgehalten, unabhängig zu berichten und sind verstärkten Einschüchterungsaktionen ausgesetzt. Das geht aus der jährlichen Umfrage des Auslandskorrespondentenclubs (FCCC) in der Volksrepublik hervor. 99 Prozent der befragten Korrespondentinnen und Korrespondenten gaben an, dass die Arbeitsbedingungen in China nach ihrer Einschätzung nicht internationalen Requirements entsprechen.
Die immer stärkeren Einschränkungen für ausländische Korrespondenten sind in China auch deshalb gravierend, weil die heimischen Medien durch strenge Gesetze immer massiver an der Arbeit gehindert werden. Der stetig schwindende Zugang zu unabhängiger Berichterstattung steht diametral zur wachsenden Bedeutung der zweitgrößten Volkswirtschaft in der Welt.
Infolge des großen Drucks haben sechs Korrespondenten China im vergangenen Jahr bereits verlassen, heißt es in dem Bericht. 2020 hatte China zudem 18 Korrespondenten amerikanischer Medien des Landes verwiesen. Diese Lücken konnten aufgrund der restriktiven Visumvergabe bis heute nicht geschlossen werden. Für Medienorganisationen wird es aufgrund der immer widrigeren Umstände zudem deutlich schwieriger, Journalisten zu finden, die noch in dem Land berichten wollen. In einem Rating der Organisation Reporter ohne Grenzen belegt die Volksrepublik Platz 177 von 180 Ländern.
Sorgen machen Vertretern ausländischer Medien auch die Zunahme von Klagen gegen Journalisten. Organisationen der Kommunistischen Partei oder lokale Behörden fordern dabei Gesprächspartner der Korrespondenten auf, diese zu verklagen, weil sie angeblich nicht ihre Zustimmung zu den Berichten gegeben hätten.
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„In der Vergangenheit waren die Hauptinstrumente zur Kontrolle der Medien vor allem Zugangsbeschränkungen, Ausschluss von Veranstaltungen oder Probleme mit Presseausweisen und Visa“, wird David Rennie, Chef des Pekinger Büros des „Economist“ in dem Report zitiert. „Die zunehmende Anwendung des Gesetzes ist neu und besorgniserregend“, so Rennie. Für Journalisten kann es schnell gefährlich werden, wenn sie vor einem Gericht in China verklagt werden. Ausländern, die in zivil- oder strafrechtliche Prozesse und Gerichtsverfahren in China verwickelt sind, könne die Ausreise untersagt werden, heißt es in dem Bericht.
Wachsender Druck auf Redaktionen
Die Umfrage des Auslandskorrespondentenclubs wurde im Dezember 2021 durchgeführt und stützt sich auf Antworten von 127 der 192 FCCC-Mitglieder, die Nachrichtenorganisationen aus 30 Ländern und Regionen repräsentieren. Begleitend wurden Interviews mit Bürochefs von zehn Nachrichtenorganisationen aus Nordamerika, Australien, Asien und Europa geführt.
Laut dem Stimmungsbild häufen sich auch gezielte Attacken: Staatsmedien wie „China Each day“ werfen Auslandskorrespondenten regelmäßig vor, China absichtlich falsch und schlecht darzustellen, um dem Land und seinen Einwohnern gezielt zu schaden. Auch die chinesischen Botschaftsvertretungen im Ausland verunglimpfen und attackieren immer wieder China-Korrespondenten. Nachdem etwa der „Spiegel“ einen Bericht zur Laborleck-Theorie über die Suche nach dem Ursprung des Coronavirus veröffentlicht hatte, schickte die chinesische Botschaft in Berlin der Redaktion einen fünfseitigen, empörten Transient.
„Diese Kritik zielt offenbar darauf ab, Redakteure und Supervisor in den Zentralen unter Druck zu setzen, damit sie die objektive Berichterstattung über China einschränken“, heißt es in dem Bericht des FCCC. Der Auslandskorrespondentenclub stellte jedoch fest, dass all dies weder ausländische Journalisten von ihrer Arbeit abhalte noch große globale Nachrichtenorganisationen davon, die wichtigen Themen weiter zu verfolgen.
Körperliche Angriffe gegen Journalisten
Die gezielte Stimmungsmache gegen Vertreter ausländischer Medien führt immer häufiger zu gezielten Attacken gegen Journalistinnen und Journalisten in sozialen Medien. „Onlinetrolle treffen unverhältnismäßig häufig weibliche Journalisten ostasiatischer Herkunft sowie chinesische Mitarbeiter ausländischer Nachrichtenorganisationen“, heißt es in dem FCCC-Bericht. „Die Angreifer verunglimpfen routinemäßig ihre Berichterstattung über China und machen plumpe sexuelle Anspielungen, einschließlich alarmierender Drohungen mit körperlicher Gewalt.“
In manchen Fällen resultierte die Hetze im Netz bereits in körperlichen Angriffen gegen Journalisten. So wurde der deutsche TV-Journalist Mathias Bölinger im Sommer bei der Berichterstattung über starke Überschwemmungen in Zentralchina von einer Traube aufgebrachter Bürger physisch bedrängt und beschimpft. Zuvor hatte die Jugendorganisation der Kommunistischen Partei im Netz dazu aufgerufen, den BBC-Journalisten Robin Brant zu verfolgen und die Behörden zu informieren, sobald sie ihn sehen. Bölinger wurde offenbar mit Brant verwechselt. Der deutsche TV-Journalist hat China inzwischen verlassen.
Insbesondere in der westchinesischen Provinz Xinjiang, in der der chinesischen Staatsführung schwere Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren vorgeworfen werden, sind Verfolgung und Einschüchterungsversuche von Journalisten durch Behörden zur Routine geworden. 88 Prozent der Korrespondenten, die in diese Area reisten, gaben an, bei ihren Recherchen verfolgt worden zu sein. Auch das Handelsblatt wurde bei einer mehrtägigen Recherche in der Provinz im Sommer von mehreren Ermittlern beschattet.
Unzureichende Informationen
In Einzelfällen werden die Verfolger auch handgreiflich. So wurden eine Journalistin und ein Mitarbeiter des britischen „Telegraph“ bei einer Recherche in Xinjiang von ihren Verfolgern ins Gesicht geschlagen, wie es in dem Report heißt.
Doch es sind nicht nur die Fälle extremer Gewalt und Einschüchterung, die den Auslandskorrespondenten Sorge macht. Auch die alltägliche Berichterstattung, etwa über Occasions, wird immer schwerer. Mit Blick auf die Olympischen Winterspiele in Peking, die am Freitag beginnen, kritisierten 60 Prozent der Umfrageteilnehmer unzureichende Informationen der Organisatoren über Ereignisse im Vorfeld. 32 Prozent beklagten, von Veranstaltungen ausgeschlossen worden zu sein, die anderen Medien offengestanden hätten.
Chinas Hindernisse für eine unabhängige Berichterstattung nähmen zu, während sich die Welt über Chinas Aufstieg zunehmend polarisiere, heißt es in dem FCCC-Bericht. „Die richtige Antwort ist nicht, Journalisten zu blockieren und ihnen die Arbeit zu erschweren, sondern mehr zuzulassen und ihnen zu erlauben, ungehindert zu berichten“, forderte der Membership.
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