Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP 2021 vereinbart, die Vergabe öffentlicher Aufträge davon abhängig zu machen, dass Firmen nach Tarif bezahlen.
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Berlin Der Bund soll künftig nur noch Aufträge an Unternehmen vergeben dürfen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Die Schwelle für den Auftragswert will Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei 10.000 Euro festlegen. Dies geht aus einem Referentenentwurf des Arbeitsministeriums hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Zuerst hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) darüber berichtet.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung etwas gegen die sinkende Tarifbindung unternehmen. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) galt im Jahr 2021 in Westdeutschland nur noch in 27 Prozent der Betriebe ein Branchen- oder Haustarifvertrag, im Osten traf das nur auf 18 Prozent der Betriebe zu.
Die Ampel-Koalition hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, im Vergaberecht des Bundes eine Tariftreueregelung zu verankern, wie sie 14 von 16 Bundesländern auf Landesebene bereits eingeführt haben. Die Hoffnung: Um nicht vom enormen Volumen öffentlicher Aufträge ausgeschlossen zu werden, könnten sich bisher widerstrebende Unternehmen der Tarifbindung unterwerfen.
Gewaltiges Auftragsvolumen des Staates
Laut dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vergibt die öffentliche Hand jährlich Aufträge im Volumen von 300 bis 500 Milliarden Euro. Davon entfällt knapp ein Achtel auf den Bund.
In Rechtsverordnungen will das Arbeitsministerium auf Antrag von Arbeitgebern und Gewerkschaften festlegen, welche verbindlichen Arbeitsbedingungen Firmen erfüllen müssen, damit sie Aufträge vom Bund erhalten können.
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Dies betrifft beispielsweise die Entlohnung, den bezahlten Mindestjahresurlaub oder Mindestruhe- und Pausenzeiten. Die Regeln sollen auch für Nachunternehmer oder Zeitarbeitsfirmen gelten, wenn diese für den Auftragnehmer Arbeiten erledigen.
Gibt es für Beschäftigte einer Branche mehrere Tarifverträge mit sich überschneidenden Geltungsbereichen, dann wird in der Verordnung der repräsentativere Tarifvertrag als verbindlich festgelegt.
Die Vergabestellen sollen die Tariftreue stichprobenartig kontrollieren, bei Verstößen droht neben einer Vertragsstrafe die fristlose Kündigung des Auftrags. Außerdem können Unternehmen nach dem Entwurf bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.
Linke stimmen zu
Der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Pascal Meiser, begrüßte die Pläne. „Öffentliche Gelder dürfen nicht länger an Unternehmen fließen, die sich mit Lohndumping schmutzige Wettbewerbsvorteile verschaffen“, sagte er.
Wenn die Bundesregierung es aber ernst meine mit der Stärkung der Tarifbindung, dann dürfe sie in das neue Gesetz jetzt keine neuen Hürden beispielsweise über ein zusätzliches Antragsverfahren einbauen.
Die am Ort der Leistungserbringung jeweils geltenden ortsüblichen Tarifverträge müssten unmittelbar für alle Auftragnehmer gelten, so wie es beispielsweise auch im Berliner Vergabegesetz geregelt sei, sagte Meiser. Nach Heils Plänen sollen die verbindlichen Regeln erst auf Antrag von Arbeitgebern und Gewerkschaften in Rechtsverordnungen festgelegt werden.
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