Viele Unternehmen zeigen mit hohen Dividenden, dass sie das schwierige Jahr 2022 recht gut weggesteckt haben. So rechnet der britische Fondsanbieter Janus Henderson in einer Studie mit Rekordausschüttungen für 2023 von weltweit 1,64 Billionen US-Dollar. Die Auswertung liegt dem Handelsblatt vor.
Allerdings werde sich der Anstieg der Dividenden infolge des bereits zu erkennenden Konjunkturabschwungs verlangsamen, warnen die Fondsmanager. Gleichwohl dürften diese Erträge auch langfristig für mehr Stabilität im Depot sorgen. Welche Firmen haben international im ersten Quartal am meisten ausgeschüttet? Und was können Anleger von deutschen Unternehmen erwarten?
Dividenden erfüllen für Anleger mehrere Funktionen: Einerseits bringen sie laufendes Einkommen ähnlich den Zinserträgen von Anleihen. Zugleich können die Ausschüttungen die Rendite im Depot stabilisieren, wenn die Kurse wie im vergangenen Jahr absacken.
In Zeiten höherer Inflation schützen Aktien besser als Anleihen gegen Geldentwertung. Starke Unternehmen können höhere Preise und damit auch Umsätze und Gewinne durchsetzen. Allerdings gilt das nicht unbegrenzt. Der Vermögensverwalter Gottfried Heller verweist auf eine aus langfristigen Daten des US-Kapitalmarkts hergeleitete Daumenregel: Liegt die Inflation längerfristig bei rund vier Prozent und steigen Anleihezinsen in der Folge höher als sechs Prozent, leiden Konjunktur und Unternehmensgewinne.
„Das kräftige Dividendenwachstum im ersten Quartal ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass die Weltwirtschaft 2022 ein schwieriges Jahr mit hoher Inflation, steigenden Zinsen, Konflikten und anhaltenden Corona-Lockdowns erlebte“, kommentiert Ben Lofthouse, leitender Aktienexperte bei Janus Henderson. Bereits in den ersten drei Monaten 2023 haben die börsennotierten Firmen weltweit mit gut 326 Milliarden Dollar so viel an ihre Aktionäre ausgeschüttet wie nie zuvor.
Dank hoher Sonderdividenden vor allem von Firmen aus dem Autosektor, aber auch insgesamt gestiegener Zahlungen haben die Dividenden um deutliche zwölf Prozent zugelegt. Weltweit haben 95 Prozent der Firmen ihre Dividenden erhöht oder konstant gehalten.
Deshalb und weil weitere starke Ausschüttungen von Banken und Ölförderern zu erwarten sind, rechnen die britischen Fondsmanager mit einem Anstieg der Dividenden um gut fünf Prozent im Jahr 2023. Zwar verlangsamte sich das Wachstum damit, es entspräche aber dem langfristigen Trend.
Auch deutsche Unternehmen zahlen 2023 Rekorddividenden
Mit knapp 80 Milliarden Euro – davon mehr als 80 Prozent im aktuell laufenden zweiten Quartal – schütten auch die rund 750 deutschen börsennotierten Unternehmen in diesem Jahr so viel aus wie noch nie. Gegenüber dem Vorjahr ist das ein Plus von gut zehn Prozent.
Allerdings resultiert das starke Wachstum im Wesentlichen nur aus zwei Unternehmen, die ihre Ausschüttungen in diesem Jahr drastisch anheben – in beiden Fällen aber wohl nur einmalig. Eines dieser Unternehmen ist Hapag-Lloyd: Mit gut elf Milliarden Euro an Dividenden steht in diesem Jahr ausnahmsweise kein Dax-Konzern, sondern die Reederei an der Spitze.
Kleinaktionäre hatten davon beim Zahltag Anfang Mai allerdings wenig: Nur 3,6 Prozent der Aktien sind im Streubesitz, die übrigen Anteile halten der Hamburger Milliardär Klaus-Michael Kühne, die Stadt Hamburg und andere Großaktionäre, darunter Staatsfonds in Katar und Saudi-Arabien. Die Dividende steigt von 35 auf 63 Euro, weil die Reederei von Lieferkettenproblemen während der Pandemie profitierte und aufgrund rekordhoher Containerfrachtpreise ihren Gewinn vervielfacht hatte. Eine Wiederholung erscheint ausgeschlossen, nachdem sich die Preise inzwischen normalisiert haben.
Das zweite Unternehmen ist VW: Nach den Einnahmen aus dem Börsengang seiner Tochter Porsche hat der VW-Konzern seinen Aktionären Anfang Januar eine Sonderdividende von 9,6 Milliarden Euro ausgeschüttet, davon 5,6 Milliarden Euro allein für die Stammaktien. Diese sind weitgehend im Besitz der Familien Porsche und Piëch. Weitere 3,9 Milliarden Euro flossen an die Vorzugsaktionäre. Auch dieser Einmaleffekt wird sich nicht wiederholen.
Insgesamt 26,8 Milliarden Euro an Dividenden verteilen sich auf die drei Autobauer BMW, Mercedes und VW. Zusammen mit der VW-Jahresdividende von 4,4 Milliarden Euro und den Ausschüttungen von BMW und Mercedes stehen die drei Autobauer für 44 Prozent der Dividenden aller 40 Dax-Titel. Nie zuvor in der deutschen Wirtschaftsgeschichte war eine Branche so dominant.
Beeindruckend ist auch die hohe Dividendenrendite, also die Relation zwischen Ausschüttung und Kurs. Aus der regulären VW-Dividende errechnet sich bei einem aktuellen Aktienkurs von 120 Euro eine Dividendenrendite von 7,3 Prozent, bezogen auf die vergangenen zwölf Monate sind es 5,5 Prozent. Bei Mercedes sind es sieben und bei BMW sogar gut acht Prozent.
Hohe Dividendenrenditen sind attraktiv, bergen aber mitunter auch Gefahren
Doch was vermeintlich gut ist und Anleger lockt, kann auch Gefahren bergen. Denn hohe Dividendenrenditen resultieren oftmals aus gesunkenen Aktienkursen und sind damit eine Wette der Finanzmärkte darauf, dass die Geschäftsmodelle sich ändern, die Konzerngewinne sinken und die Unternehmen zu niedrigeren Ausschüttungen gezwungen werden.
So könnte es bei den dividendenstarken Autobauern tatsächlich kommen, sollte es den Herstellern nicht gelingen, mit Elektroautos künftig ebenso viel Geld zu verdienen wie mit den Autos mit Verbrennungsmotor.
Auf der anderen Seite sind hohe Dividenden keineswegs immer ein Alarmsignal. „Unternehmen priorisieren derzeit – anders als bei vergangenen Krisen – die Ausschüttung von Dividenden an Investoren“, sagt Thomas Meier vom Vermögensverwalter Main First Asset Management.
Möller-Maersk mit der höchsten Dividendenrendite
Unter den Topzahlern des ersten Quartals weist Möller-Maersk die höchste Dividendenrendite mit gut 16 Prozent auf, sogar wenn die hohe Sonderdividende herausgerechnet wird. Der dänische Schifffahrtskonzern lässt Aktionäre am zweiten Rekordgewinn in Folge aus dem Jahr 2022 teilhaben, den er dank starker Nachfrage und hoher Frachtpreise erzielte.
Nun versucht Möller allerdings, die Erwartungen für die Zukunft zu dämpfen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von neun für erwartete Gewinne für 2023 ist noch immer eher niedrig. Analysten sind zumeist vorsichtig.
Das Unternehmen BHP ragt im von sinkenden Rohstoffpreisen gebeutelten Bergbausektor heraus mit einer nur leicht geringeren Ausschüttung und einer hohen Dividendenrendite von zwölf Prozent. Janus erklärt das mit relativ stabilen Kohlepreisen. Bei einem KGV von rund zehn sind die Analysten uneins über die weiteren Aussichten. Autobauer wie VW mit mittleren und höheren einstelligen Dividendenrenditen und einem mittleren einstelligen KGV empfehlen Analysten zumeist zum Kauf.
Kapitalvermehrer gefragt
Auf welche Dividendentitel setzen aktuell die Profis? Die Fondsmanager des US-Anbieters JP Morgan Asset Management suchen sogenannte Kapitalvermehrer: Darunter verstehen sie Firmen, die bereits gezeigt haben, dass sie ordentliche Dividenden zahlen, diese auch steigern können und das auch weiterhin vorhaben.
Solche Aktien bringen Anlegern der Erfahrung der Gesellschaft zufolge typischerweise das bis zu 1,6-Fache der Rendite ein, die man am Markt etwa mit Indexfonds erzielt. Als Beispiele nennen die Aktienexperten den Pharmakonzern Astra-Zeneca, die Terminbörse in Chicago, CME Group, den Getränkeriesen Coca-Cola, Deutsche Telekom und den US-Energieversorger Nextera.
Spannend finden sie aber auch ausgewählte Firmen aus konjunktursensiblen Branchen, die aufgrund ihrer Stärke im wirtschaftlichen Abschwung besser bestehen als andere. Beispiele dafür sind der Elektronikriese Samsung Electronics, der Chemiekonzern Dow Chemical und der japanische Maschinenbauer Fanuc.
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