Zum 103. Deutschen Katholikentag werden bis Sonntag 20 000 Menschen in Erfurt erwartet. Für die Kirche ist es keine leichte Zeit. Das weiß auch der Bundespräsident.
Zu Beginn des Katholikentags hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Bedeutungsverlust der Kirchen beklagt und eine selbstkritische Debatte darüber angeregt.
Christen hätten eine wichtige Rolle mit ihrem Einsatz für Demokratie und für Arme, Ausgegrenzte und Verzweifelte. „Umso mehr kann ich nur zutiefst bedauern, dass die Kirchen einen so großen Zustimmungs- und Vertrauensverlust erleben“, erklärte Steinmeier in Erfurt. „Man muss wohl von einer epochalen Veränderung sprechen.“
Zum 103. Deutschen Katholikentag mit rund 500 Veranstaltungen werden bis Sonntag 20.000 Besucher in der thüringischen Landeshauptstadt erwartet, deutlich weniger als bei früheren Katholikentagen. Neben innerkirchlichen Themen wie dem Missbrauchsskandal und Reformen geht es um große Zeitfragen wie Krieg und Frieden, Populismus und Demokratie.
„Ist die Botschaft zu blass?“
In seinem vorab veröffentlichten Redetext zur Eröffnung erklärte Steinmeier, einige Ursachen des Bedeutungsverlusts seien selbstgemacht, „wie die fürchterliche Tatsache des massenhaften Missbrauchs und besonders der langen Geschichte seiner Vertuschung“. Dazu komme in weiten Teilen der Gesellschaft eine wachsende Entfremdung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Religiösen. „Geben die Kirchen hier zu wenig Anstoß?“, fragte der Bundespräsident. „Ist ihre Botschaft zu leise, zu blass, zu wenig profiliert?“
Viele Menschen suchten in ihrem Leben nach Sinn und Richtung, fügte er hinzu. „Unsere kritische Frage an uns selbst, als Christen und als Kirche muss sein: Finden diese ernsthaft Suchenden überzeugende Antworten, finden sie geistliche Kompetenz, finden sie empathische Begleitung in unseren Gruppen, Gemeinden und Initiativen?“
„Meine Ungeduld ist groß“
Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken und des Katholikentags, Irme Stetter-Karp, forderte mehr Reformtempo von ihrer Kirche. „Meine Ungeduld ist groß, und nicht nur meine“, sagte Irme Stetter-Karp kurz vor der Eröffnung. Sie erwarte von den Bischöfen und auch vom Papst, „dass nun endlich das Ruder herumgeworfen wird“. Der Missbrauchsskandal habe in großem Maße Vertrauen zerstört – die Kirche stecke in der Krise.
Der Katholikentag findet erstmals in Erfurt statt – und erstmals seit 2016 im sehr säkular geprägten Ostdeutschland, wo katholische Christen eine kleine Minderheit sind. Stetter-Karp sagte, in Erfurt habe der Katholikentag kein Heimspiel. „Aber gibt es überhaupt noch Heimspiele für Katholiken in Deutschland? Ich denke: Nein.“
Weiheamt für Frauen?
Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr sieht ebenfalls ein großes Reformbedürfnis vor allem mit Blick auf die Rolle der Frau in der Kirche. „Ein Großteil der Katholikinnen und Katholiken in Deutschland, aber auch der Bischöfe, würde sich hier gerne eine Öffnung des Weiheamts für Frauen wünschen – zumindest für Diakoninnen“, sagte Neymeyr im ZDF. In der katholischen Kirche sind die Weiheämter von Diakon über Priester bis Bischof nur Männern vorbehalten. „Da liegen wir eben weit außerhalb dessen, was in der Gesellschaft Konsens ist“, sagte Neymeyr.
„Mensch des Friedens“
Viele Politikerinnen und Politiker haben sich für die kommenden Tage angekündigt, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Motto des Treffens ist „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken – der Dachverband der Laien in der Kirche – bekannte sich in einem Beschluss vorab zum Recht auf Selbstverteidigung. Gewalt dürfe aber nur zum Einsatz kommen, wenn sie durch Völkerrecht legitimiert sei. Zudem beschloss die ZdK-Vollversammlung, die Mitschuld der Kirche bei der Kriminalisierung queerer Identitäten in der Vergangenheit aufzuarbeiten.
Laut Deutscher Bischofskonferenz gibt es 20,9 Millionen Katholiken in Deutschland. Rund 137.000 Kirchenmitglieder zählt das Bistum Erfurt.