Berlin Stade holt als möglicher Standort für ein Terminal zur Verarbeitung von verflüssigtem Erdgas (Liquefied Pure Fuel, kurz LNG) kräftig auf. Mit nur drei Gegenstimmen erteilte der Rat der Hansestadt am Montagabend bereits vorzeitig das kommunale Einverständnis für das geplante LNG-Terminal in Stade.
„Und noch vor Ostern reichen wir die Genehmigungsunterlagen für Terminal und Hafen ein“, sagte Johann Killinger, geschäftsführender Gesellschafter des Hanseatic Vitality Hub (HEH), dem Handelsblatt. Die HEH treibt das Projekt voran.
Neben dem Hamburger Hafen- und Schifffahrtslogistiker Buss Group, deren geschäftsführender Gesellschafter Killinger ebenfalls ist, sind der belgische Pipeline- und Flüssiggasterminal-Betreiber Fluxys und die Schweizer Non-public-Fairness-Experten Companions Group an Bord. Weitere Industrieunternehmen prüfen den Einstieg.
Geplant ist der Bau einer Regasifizierungs- und Lageranlage mit einer Jahreskapazität von 13,3 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich. Zur Einordnung: Durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 flossen im vergangenen Jahr 60 Milliarden Kubikmeter Erdgas.
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Die Bundesregierung setzt sich für den Bau von LNG-Terminals ein, um möglichst schnell die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu reduzieren. Mehrere Standorte sind in der Debatte. Sehr konkret sind die Pläne in Brunsbüttel: Anfang März gab das Bundeswirtschaftsministerium bekannt, der Bund werde sich über die staatliche Förderbank KfW mit 50 Prozent an dem geplanten LNG-Terminal in Brunsbüttel beteiligen. Accomplice wird der niederländische Gasnetzbetreiber Gasunie, der sich zu hundert Prozent im Eigentum des niederländischen Staates befindet. Einen kleineren Anteil wird RWE übernehmen.
Neben Stade gehören Brunsbüttel und Wilhelmshaven zu den möglichen Standorten
Außerdem gehört Wilhelmshaven zu den Kandidaten, die die Bundesregierung im Blick hat. Aber auch Stade ist im Rennen: „Wir stehen im engen Austausch mit der Politik, aber sind weiterhin privat finanziert“, hatte HEH kürzlich betont. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nennt Stade als möglichen Standort.
Stade wirbt mit seiner engen Anbindung an die industrielle Infrastruktur in unmittelbarer Nähe. Das verflüssigte Erdgas soll auf dem Gelände des Chemiekonzerns Dow am Standort Stade angelandet und erwärmt werden. Für den Transport wird das Fuel auf minus 162 Grad gekühlt und damit verflüssigt.
Durch Erwärmung wird es wieder gasförmig und kann in das nur zehn Kilometer vom Standort entfernte Gasfernleitungsnetz eingespeist werden. Damit wäre es in Deutschland und über die Grenzen hinaus verfügbar. Genutzt werden könnte für die Erwärmung sogar die Abwärme der Produktion bei Dow, sodass im Betrieb kein CO2 entstehen würde.
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Aus Sicht Killingers sprechen deshalb Umweltgründe und ökonomische Vorteile für sein etwa eine Milliarde Euro teures Projekt: Ansonsten müssten 1,5 Prozent des angelandeten LNG zur Erwärmung des verflüssigten Gases aufgewandt werden. Und die Nähe zu einer Pipeline spräche laut Killinger auch für Stade. „Der Standort ist wie für ein Terminal gemacht. Alles ist da: Industrie, Infrastruktur und mehr als 50 Jahre Erfahrung im Umgang mit Flüssiggasen.“ Killinger sagt, das LNG-Terminal könne „bis 2026 fertig sein“.
Außerdem, so argumentiert Killinger, könne man neben konventionellem LNG „vom Begin weg Bio-LNG und synthetisches Methan verarbeiten“. Killinger kann auf Interessenten verweisen, die die Infrastruktur umgehend für den Import von grünem Fuel nutzen könnten.
„Das LNG-Terminal-Projekt in Stade passt preferrred zu unseren Plänen. Wir könnten in zwei bis drei Jahren damit beginnen, signifikante Mengen von fortschrittlichem Bio-LNG und synthetischem LNG zu liefern“, hatte Claus Sauter, Chef des Biokraftstoffanbieters Verbio AG, kürzlich gesagt.
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Doch neben Stade, Wilhelmshaven und Brunsbüttel wird auch über andere Standorte nachgedacht. Der ukrainische Vizeenergieminister Jaroslaw Demtschenkow hatte in einem Gespräch mit Minister Habeck den Bau eines LNG-Terminals an der Ostsee ins Gespräch gebracht: „Nötig wäre es am Anlandepunkt der Nord-Stream-1-Pipeline, um dort russisches Erdgas perspektivisch durch Fuel aus anderen Ländern zu ersetzen“, sagte Demtschenkow dem Handelsblatt. Von Lubmin bei Greifswald aus leiten bereits die Pipelines Eugal und Opal das angelandete Erdgas südwärts.
Mit dem Bau der beiden Stränge von Nord Stream hatte auch Killingers Buss Gruppe zu tun: Sie betreibt zusammen mit der Stadt Sassnitz das Terminal im Hafen Mukran auf Rügen. Von Deutschlands größter Insel wurden die Röhren für die russischen Ostseepipelines verlegt. „Seither hat mich das Thema Erdgas interessiert“, berichtete Killinger am Rande des Doha Boards. In der Hauptstadt Katars hatte der Hamburger Unternehmer bereits über mögliche LNG-Lieferungen nach Norddeutschland gesprochen.
Katar selbst indes will momentan nicht in ein deutsches LNG-Terminal investieren, unterstrich Energie-Staatsminister Saad Al-Kaabi in Doha. Sein Land habe aber ebenfalls das Interesse zur Diversifizierung. Verbraucher wie Deutschland suchten mehr Lieferländer, um aus Abhängigkeiten, etwa von Russland, herauszukommen.
Katar liefere bisher 85 Prozent seines Flüssiggases nach Asien. Katar strebe Langfristlieferverträge an und würde unter dieser Bedingung auch gern nach Deutschland liefern. Vor der Russlandkrise hatte die EU vor allem auf kurzfristige Beschaffung an den Märkten gesetzt und wollte langfristige Abkommen zurückdrängen.
„Flüssiggas steht bei mir im Zentrum, weil ich festgestellt hatte, dass Deutschland durch die enge Bindung an russisches Pipeline-Fuel gar nicht richtig in die globalen Gasmärkte integriert ist“, berichtet Killinger. Jetzt steht er mit seinem Projekt mitten in einem geopolitischen Großkonflikt und muss bei der Landesregierung Niedersachsens und bei der Bundesregierung Rückendeckung für seinen Standort am Südufer der Elbe bekommen.
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